Der 10. Prozesstag, Montag, der 22. März 2010 stand im Zeichen der Befragungen des Radikalkünstlers Chris Moser und mir.
Auffällig war jedenfalls, dass die Wiener Neustädter Einzelrichterin Mag. Sonja Arleth die Befragungen immer kürzer gestaltete und an immer weniger Anklagepunkten Interesse zeigte. Vor allem die Anklagepunkte betreffend die kriminelle Organisation an sich wurden von ihr nur mehr sehr kurz behandelt. Der Staatsanwalt hat sich an diesem Tag fast überhaupt nicht mehr zu Wort gemeldet. Man könnte den Eindruck gewinnen, die immer offensichtlicher werdende Absurdität der Vorwürfe ließ ihn sich aus dem Prozessgeschehen zurückziehen.
Bei Chris Mosers Befragung ging es fast ausschließlich um seine Kunstwerke, was er damit sagen wollte und was das auf die BetrachterInnen für eine Auswirkung habe. Ganz zentral war also auch an diesem Tag die Frage, wie weit die Freiheit der Kunst gehen darf.
Aber kann man wirklich ausschließlich durch „radikale“ Kunstwerke als Mitglied einer kriminellen Organisation verurteilt werden? Zu Hausdurchsuchung und Untersuchungshaft hat es offenbar gereicht. Man darf auch nicht vergessen, dass die besagte “SOKO gegen den Tierschutz” Herrn Moser aufgrund eines seiner Kunstfilme anlässlich des Hofer-Gedenkjahres 2009 wegen Verächtlichmachung staatlicher Symbole (im Film wurde eine der Tiroler Landesfahne ähnliche Fahne verbrannt) angezeigt. Das Verfahren wurde aber bereits eingestellt, es hatte dennoch zu Einvernahmen bei der Sicherheitsdirektion in Innsbruck und zur Sperrung des Videos auf youTube geführt; Mittlerweile wieder online!
Um ca. elf Uhr beginnt meine Einvernahme:
Der Strafantrag führt gegen mich neun Anklagepunktean. Alle sind an sich legale Handlungen die nur durch polizeiliche Verfälschungen der „SOKO gegen den Tierschutz“ als Unterstützungshandlungen einer kriminellen Organisation gewertet werden konnten.
Ich habe mir nichts zu Schulden kommen lassen, habe mich auch nicht besonders auf die teilweise absurden Vorwürfe vorbereitet und nehme nun endlich im Vernehmungsstuhl ruhigen Gewissens Platz.
Richterin Mag. Sonja Arleth fragt, ob auch ich vor meiner Befragung eine „zusammenhängende Darstellung zum Sachverhalt“ abgeben möchte. Ich bejahe.
Das Kreuz mit dem Kreuz
Doch bevor ich versuche, meine umfangreiche Verteidigungsschrift (‘Gegenäußerung zum Strafantrag’) so kurz und knapp wie möglich zusammenzufassen möchte ich noch einen Punkt ansprechen der mir persönlich wichtig ist und mir nicht unwesentlich zu sein scheint:
Ich beantrage die Entfernung des Kreuzes welches prominent auf einem Kasten hinter der Richterin thront. Im ersten Augenblick scheint die Richterin nicht zu glauben, dass mein Antrag ernst gemeint ist. Zur Begründung führe ich aus, dass in einem laizistischen Land in einem öffentlichen Gebäude in dem – hoffentlich – ein säkularer Politprozess geführt werden soll, religiöse Symbole nichts verloren haben. Dies gelte insbesondere auch im gegenständlichen Verfahren gegen TierrechtsaktivistInnen zumal die christliche Kirche quasi per Definition, den Menschen wider allen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen als gottesebenbildlich und beseelt definiert hat, und damit gleichzeitig die nicht-menschlichen Tiere aus der „moral-community“ auszuschließen. Deshalb ist das christliche Kreuz für mich ein Symbol des Kreuzzugs gegen die Tiere. Um also wenigstens eine antispeziesistische Optik zu bewahren, ersuche ich, das Kreuz zu entfernen.
Vielleicht etwas perplex, schob die Richterin Mag. Arleth die Entscheidung über den Antrag hinaus, um ihn juristisch „zu prüfen“. Das Kreuz bleibt vorerst also noch stehen.
Rezipieren, Aktivieren, Recherchieren
Ich beginne meine zusammenhängende Darstellung zum Sachverhalt mit meiner persönlichen Biografie, meinem Werdegang vom unreflektierten Tierfleischkonsumenten zum politischen
Tierrechtsaktivisten: Während die „SOKO gegen den Tierschutz“ in drei-einhalb Jahren über 200.000 Aktenseiten zusammengesammelt hat, die jetzt gegen mich ver(sch)wendet werden, darf ich offenbar nicht einmal 20 Seiten meiner Gegenäußerung referieren!
Ich versuche trotzdem auf eklatante Probleme bei der tierschutzgemäßen (nicht tierschutzgerechten!) Ausbeutung nicht-menschlicher Tiere hinzuweisen, muss mich aber kurz fassen um nicht abgebrochen zu werden. Doch selbst an der Durchsetzung des ohnehin schwachen Bundestierschutzgesetzes mangelt es: Die zuständige (Ex-)Bundesministerin Andrea Kdolsky gab zu, dass von 1400 amtswegig bekanntgewordenen(!) Übertretungen des TSchG im Jahr 2005/06 nur 9,6% sanktioniert wurden. (Das ist also so, wie wenn man 9 Verbrechen begehen kann und erst das 10te wird bestraft!).
Doch die Richterin ist nicht an konkreten Fakten interessiert, sie will mehr über meine Einstellung, Gedanken und Gesinnung erfahren.
Ich erkläre, dass der Zweck meines Tierrechtsengagements exakt die Herstellung öffentlicher Gegeninformation zur wirkmächtigen Propaganda der Tierindustrie ist. Leider war der Dank von 10 Jahren Frieren am Infotisch, Demonstrationen, Recherchen, Tierschutzunterricht, ehrenamtlicher Mithilfe in Tierschutzvereinen, Jagdsabotagen, Schlachthausblockaden und Tiertransportkontrollen eine beispiellose Polizeiaktion gegen die gesamte Tierrechtsbewegung in Österreich: Jahrelange Ermittlungen bis hin zu Peilsendern, Personenobservation und großen Lauschangriffen, 27 Hausdurchsuchungen (davon vier(!) allein bei mir), 40 beschuldigte MitstreiterInnen, Gefängnis für mich und andere neun TierrechtsaktivistInnen. Und jetzt – ein Gerichtsverfahren, das mit Haftstrafen von mindestens sechs Monaten bis fünf Jahren droht.
Nachdem ich deutlich gemacht habe, dass mir nicht nur keine strafbaren Handlungen vorgeworfen werden, sondern ich auch niemals derartige illegale A.L.F.-Aktivitäten im Namen des Tierschutzes gesetzt habe, erkläre ich mein Verständnis für die A.L.F.: Um Tierleid zu verhindern, sei die Zerstörung eines Vorhängeschlosses um EUR 30,– jedenfalls verhältnismäßig. Zu Brandanschlägen bestehe an sich nur ein relativer Unterschied, allerdings seien diese äußerst unpopulär und daher möglicherweise kontraproduktiv.
Ich erkläre der Richterin, dass es sich bei der A.LF. keinesfalls um eine Organisation handeln kann, bestenfalls um eine Gesinnungsgemeinschaft, denn als A.L.F. darf sich bezeichnen, wer:
- gequälte Kreaturen
befreit, - tierquälerische
Institutionen sabotiert, oder - Tierleid und Tierausbeutung
hinter verschlossenen Türen öffentlich dokumentiert.
Jedenfalls darf in keinem Fall menschliches oder nicht-menschliches Leben gefährdet werden.
Selbst die Verfassungsschutzberichte orten als TäterInnen tierschutzmotivierter Straftaten „konspirative Kleinstgruppen“.
Da die Polizei keine konkreten Täter zu den vorliegenden Straftaten finden konnte haben sich die Kleiderbauer-Geschäftsführer lt. www.peterpilz.at mit den Spitzen der Wiener Polizei und des LVT darauf geeinigt den §278a gegen die unliebsamen Tierschützer anzuwenden. Diese – dem Nationalratsabgeordneten zugespielten Akten – erkläre ich hiermit zum Bestandteil des Hauptverfahrensaktes. (Hier die vier Gründungssitzungsprotokolle der “SOKO gegen den Tierschutz”: SOKO Gründungssitzung Protokoll 1v4 – 20070404, SOKO Gründungssitzung Protokoll 2v4 – 20070405, SOKO Gründungssitzung Protokoll 3v4 – 20070410 und SOKO Gründungssitzung Protokoll 4v4 – 20071218)
Mir wird nicht einmal konkret gesagt, welche tatsächlichen Straftaten ich durch meine allesamt legalen Handlungen eigentlich unterstützt haben soll. Ein zentraler Vorwurf ist die Verwendung und Aufforderung zu Datenschutzmaßnahmen, wie z.B. Computer- und eMail-Verschlüsselung. Datenschutzmaßnahmen, wie sie von allen Bürgerrechtsorganisationen empfohlen werden, ja sogar vom österreichischen Bundeskanzleramt im „Handbuch Informationssicherheit“, dem deutschen „Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnologie“ oder in der EU-Datenschutzrichtlinie zur elektronischen Kommunikation 32002L0058.
Darüber hinaus gibt es gute Gründe seine Daten zu schützen bzw. seine Identität zu verschleiern, zumal weder die Behörden VOR der Durchführung medienwirksamer Aktionen des zivilen Ungehorsams davon erfahren sollen oder der „politische Gegner“ (die Tierindustrie) mittlerweile schon mit Privatdetektiven TierrechtsaktivistInnen verfolgen lässt. Für beide Fälle habe ich etliche Beweise vorgelegt.
Eine vollständige umfassende Version meiner Gegenäußerung inklusiver der kommentierten Vorwürfe aus dem Strafantrag befindet sich hier:
Verteidigungsschrift EV – v2_1.pdf.
Ich spreche die 4500 schweren Sachbeschädigungen an, die jedes Jahr im Bundesgebiet anfallen, von denen nur ein Bruchteil (aber jedenfalls mehr als die uns vorgeworfenen 23 „Fakten“) aufgeklärt werden. Bei diesen 4500 Straftaten hat niemand an kriminelle Organisation gedacht, obwohl der Gesamtschaden zweifellos weit über den uns angelasteten Schaden liegt. Obwohl es laut den Berichten von www.peterpilz.at (1, 2, 3, 4, siehe oben)
“keinen Zusammenhang zwischen den DemonstrantInnen und den Straftaten” gibt, wird eine SOKO eingerichtet, es wird überwacht, observiert, belauscht, verfolgt, gepeilt und endlich auch an 23 Adressen hausdurchsucht und über 10 AktivistInnen die U-Haft verhängt.
Ich verleihe meiner besonderen Empörung darüber Ausdruck, dass im gegenständlichen Verfahren völlig legale, sozial adequate und vor allem NGO-typische Verhaltensweisen kriminalisiert wurden, ohne dass auch nur ein einziger Nachweis krimineller Planungs- bzw.
Unterstützungshandlungen erfolgt ist.
Darüber hinaus vermisse ich das für §278a StGB notwendige Tatbestandsmerkmal der „Wissentlichkeit“: Man müsse nicht absichtlich aber immerhin wissentlich eine kriminelle Organisation unterstützen; d.h. Man muss wissen, dass die an sich legale Handlung kriminelle Aktivitäten fördern wird. Dies ist aber strikt zu trennen von dem nicht-tatbestandlichen Eventualvorsatz, dem „billigenden Inkaufnehmen“ einer eventuell kriminalitätsfördernden Wirkung der inkriminierten Handlungen.
Aber die Mindestvoraussetzung des §278a StGB des Eventualvorsatzes ist jedenfalls nicht erfüllt, denn keineR der Angeklagten hat die inkriminierten legalen Handlungen mit dem Wissen gesetzt, damit kriminelle Aktivitäten zu fördern.
Nachdem mich die Richterin schon zunehmend öfter unterbricht, sehe ich mich gezwungen meine zusammenhängende Darstellung des Sachverhalts zu beenden. Um trotzdem meine vollständige Sicht der Dinge aktenkundig zu machen, beantrage ich die Aufnahme meiner umfassenden Gegendarstellung zum Gerichtsakt: Abgelehnt!
Danach beginnt meine Befragung:
[Für eine ausführliche Stellungnahme zu den konkreten Vorwürfen gegen mich verweise ich an dieser Stelle noch einmal dringend auf meine Gegenäußerung/Verteidigungsschrift: Verteidigungsschrift EV – v2_1.pdf. Dort finden sich alle juristisch relevanten Argumente]
Ich bestätige die Basisgruppe Tierrechte (kurz: BAT) gegründet zu haben und versuche gleichzeitig das naive Schubladendenken der Richterin VGT vs BAT aufzubrechen: Wenngleich die beiden Gruppierungen durch ideologische und mittlerweile persönliche Differenzen schon längst nicht mehr kooperieren, gibt es auch AktivistInnen wie mich, die sich keinen bestimmten Gruppierungen zuordnen lassen wollen: Ich unterstütze nach wie vor die Aktivitäten verschiedenster Initiativen, wie z.B. der Vier Pfoten International (VPI), des Verein gegen Tierfabriken (VGT), der Basisgruppe Tierrechte (BAT) aber auch Greenpeace, der Grünen und anderen zivilgesellschaftliche Protestformen.
Als nächstes wird mir tatsächlich vorgehalten, dass ich Aliasnamen benutze, und zwar habe ich im email- und Namensfeld zweier meiner GMX-eMailadressen nicht meinen richtigen Namen eingegeben sondern – aus Spaß – beliebige Nicknames, wie z.B. ‘Alf Huntsmansdead’ oder animals_strikeback(.ät.)gmx.at. Nicht einmal, dass ich bei Registrierung meinen richtigen Namen und Postadresse eingegeben habe, scheint die Richterin ebensowenig zu beeindrucken, wie die Tatsache, dass ich alle meine emails mit meinem (echtem) Namen unterzeichnet habe.
Obwohl es mir bekannt war, hätte ich es niemals für möglich gehalten, dass mir in einem angeblich rechtsstaatlichen Strafverfahren Gesinnungsemails vorgehalten werden: Tatsächlich aber macht es wieder BEEP und am Schirm erscheint eine „Fadinger“-Email in der ich mich als „linksradikal“ bezeichne. Ob das stimmt, fragt mich die Richterin Sonja Arleth empört. Ich: “Gut dass ich nicht rechtsradikal bin. Ja, das heißt dass ich den Kapitalismus Scheiße finde!”
Passend zu diesem Argumentationsniveau, welches man auch als „Stimmungsmache a la redscare“ bezeichnen könnte, kommt der nächste Vorhalt: Wieder Fadinger, wieder Gesinnungsjustiz: Ich hätte für einen Vortrag ‘linke RednerInnen’ gesucht. „Und? Gut so, dass
ich keine Rechten eingeladen habe“, scherze ich. Nächstes Fadingermail: Ich hätte in einer Fadingerdiskussion vom VGT „radikalere Forderungen“ eingefordert. Die Richterin denkt natürlich an Bombenwerfen und Politmorde oder so etwas… . Aus dem Kontext und für Insider vollkommen klar, dass es sich dabei um Veganismus- anstatt Vegetarismus-, Stopp-der-Tierausbeutung- statt Freilandei-Forderungen gehandelt hat.
So geht es weiter, ob ich wüßte was die Earth Liberation Front (ELF) sei und ob ich ihre Methoden gutheiße, nachdem ich in einer weiteren Fadingerdiskussion einmal deren Position dargestellt hätte.
Der Staatsanwalt Handler stellt seine Standardfrage, welche der Mitangeklagten ich denn im vrefahrensrelevanten Zeitraum gekannt hätte: Ich vergesse eine Mitangeklagte die einmal in einem Veganladen beschäftigt war zu erwähnen, dessen Adresse in meinem Adressbuch notiert war. Just hält mir der Staatsanwalt das vor, als ob ich soeben meinen regen Austausch mit Osama bin Laden verschwiegen hätte. Das Adressbuch war nicht verschlüsselt, ein Fehler, wie man jetzt sieht; – persönliche Bekanntschaften müssen als Netzwerk einer kriminellen Organisation herhalten.
Der Hauptanklagepunkt als „EDV-Experte der A.L.F.“ ist ja die Bereitstellung von EDV-Dienstleistungen insbesondere Datenverschlüsselungsmaßnahmen.
Als erstes wird mir dazu der Emailverkehr mit dem 13-Beschuldigten Kassier des VGT – Harald Balluch – vorgehalten, wo er mich fragt, ob ich mich mit einer BackUp-Lösung, Spamfiltern und Updates und Kabelanstecken im VGT-Büro kümmern kann. Kein Wort von
Verschlüsselung; guter Einstieg, Frau Rat!
Freilich habe ich geholfen wo ich kann, aufgrund meines etwas überdurchschnittlichen technischen Grundverständnisses und meiner Sorge um Bürgerrechte und Datenschutz eben auch auch bei Datenverschlüsselungsmaßnahmen. Ich erkläre, dass die von mir geförderten Datenschutzmaßnahmen auf zwei motivierenden Säulen beruhen: Einerseits grundsätzlichen datenschutzrechtlichen Bedenken aufgrund wachsender Entwicklungen in Richtung eines drohenden Überwachungsstaates (Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz 2008, Vorratsdatenspeicherung, Behördentrojaner, etc…), nicht zuletzt wird aus diesem Grund Verschlüsselung auch explizit von offiziellen Behörden und praktisch allen Datenschutz- und Bürgerrechtsgruppen empfohlen, was ich mit etlichen Sachbeweisen untermale. Zweitens gibt
es speziell für aktionistisch orientierte NGOs einen weiteren guten Grund sensiblen Datenverkehr VOR DEN BEHÖRDEN geheim zu halten: Ich führe dazu anhand weiterer Sachbeweise illustrativ vor, wie oft nachweisliche die Behörde geplante Aktionen des zivilen Ungehorsams (wie z.B. Jagdsabotagen, medienwirksame Konfrontationen, …) durch Email- und Handyüberwachung verhindert hat. Nicht zuletzt müssen auch Recherchen über tierausbeutenden Praktiken und Betriebe streng konspirativ geplant und durchgeführt werden, zumal andernfalls nicht mehr lange recherchiert werden könnte. Nicht nur in Ungarn kam es bereits zu Verfolgungen und gewalttätigen Zwischenfällen gegen friedliche Rechercheteams.
Aus denselben Gründen habe ich auch einen Infoabend für interessierte AktivistInnen mitgestaltet, wo über Datenschutzmaßnahmen referiert wurde. In einem Handout dazu habe ich geschrieben, warum es gute Gründe gibt, seine Computer zu verschlüsseln: Wenn zum Beispiel ein von uns völlig legal bedemonstriertes Objekt zu einem anderen Zeitpunkt von völlig anderen anbekannten Personen abgefackelt wird, könnte es sein, dass sich die Polizei für die legal protestierenden AktivistInnen zu interessieren beginnt. Damit jedoch niemand unnötigerweise eine Hausdurchsuchung und im schlimmsten Fall U-Haft grundlos über sich ergehen lassen muss, mache es Sinn, sich auf Demos eben zu vermummen, Handys abzuschalten und allfällige Demofotos nur verschlüsselt aufzubewahren. Faktisch also ein Beispiel, wie es leider Realität geworden ist.
Ähnlich wird mir die Anschaffung von Wertkartenhandys vorgeworfen – gemeint ist eine kriminelle Motivation zur Abschirmung vor Strafverfolgungsmaßnahmen. Abgesehen von der polizeibekannten Tatsache, dass diese Wertkartenhandys noch nie eingesetzt wurden, geht aus etlichen Fadingermails und VGT-Vorstandsbeschlüssen eindeutig hervor, dass diese Geräte genau nur für Recherchen und Aktionen des zivilen Ungehorsams, wie bspw. Jagdsabotagen. Selbiges gilt für die von mir angeschafften Funkgeräte für den VGT.
Nachdem ich der Richterin endlich verständlich machen konnte, dass die von den Beschuldigten verwendeten Verschlüsselungsmaßnahmen keinesfalls zur strafrechtlichen Abschirmung verwandt worden sind, geht sie zum nächsten Vorwurf über: Ich hätte gemeinsam mit einem Mitbeschuldigten Mitarbeiter der Veganen Gesellschaft Österreich (www.vegan.at) „Hochstände recherchiert“. Dies geht aus einem Tagebucheintrag des
Mitbeschuldigten hervor, wo er schreibt: „Elmar radfahren, Hochstände recherchieren“. Ich kann mich zwar nicht genau an diese Radtour erinnern, aber es ist völlig normal und kommt immer vor, wenn tierrechtsmotivierte Menschen durch die Landschaft reisen, dass sie Tierausbeutungsstätten näher unter die Lupe nehmen. Das trifft auf Hochstände genauso zu wie auf Schweinefabriken oder Tötungsstationen. Ich verweise auf das (N.Ö.) Jagdgesetz, wonach Hochstände nicht nur eine gewisse Höhe haben müssen, sondern auch strenge Richtlinien für die Fütterung von Wildtieren in der Nähe von Hochständen festgelegt werden. Leider kommt es oft zu Übertretungen der Jagdgesetze oder Übertretungen des Artenschutzgesetzes z.B. durch das „Anludern“ (jägerlatein für: ‘Anlocken’ von Wild durch Auslegen von arten- oder jagdgeschützten Wildtieren.
Ein pikanter Vorwurf ist auch mein Scherzen über A.L.F.-Brandanschläge. Schon mehrmals hat die Richterin hahnebüchene Vorhalte an Angeklagte gerichtet, die sie in die Nähe der Animal Liberation Front rücken hätten sollen. Jedes mal kam es zu Gelächter im Publikum, was von der Richterin wütend untersagt wurde. Im Rahmen einer Email-Kontroverse im Fadingerforum habe ich polemisch einer anderen Diskussionsteilnehmerin den – freilich ironischen – Tipp gegeben, Brandsätze zu bauen, anstatt sich um Genehmigungen zu kümmern. Siehe auch Analyse des Dialogs durch einen Soziokriminologen hier (Stellungnahme arson_around – ANON.pdf). Tatsächlich werden uns laufend solche offensichtlich nicht ernst gemeinten Scherze, wie sie nicht nur in der Internetkultur sondern auch in jedem sozialen Submileau typisch sind, vorgeworfen.
Im Strafantrag wird mir vorgeworfen über die Überwachung diverser Kleiderbauer-Filialen berichtet zu haben. Freilich – so erkläre ich – handelt es sich lediglich um eine zufällige Beobachtung, die ich – ebenso typisch für die Internetkultur – anderen eventuell interessierten TierrechtsaktivistInnen mitgeteilt habe. Kein Wunder, über ein voll besetztes Auto mit laufendem Motor mitten in der Nacht in der Meidlinger FußgängerInnenzone, würde
sich wohl jedeR wundern!
Weiters werden mir von der Richterin zwei Fadinger-Emails vorgehalten, in denen ich zu Aktionstagen/Aktionswochen gegen den (damaligen) Pelzverkauf bei Peek&Cloppenburg bzw. gegen die Jagd aufrufe. Wie die vor mir einvernommenen Angeklagten muss auch ich der Richterin erklären, wie außerparlamentarische Protestkultur funktioniert: Aktionstage sind eine notwendige und völlig normale und vor allem legale Methode, Kritik zu artikulieren. Sei es, dass man PolitikerInnen Protest-Emails schreibt, Demos oder andere kreative Medienaktionen plant oder auch nur versucht, direkt mit Unternehmen Kontakt aufzunehmen um seinen Unmut kund zu tun. Obwohl es freilich Sachbeschädigungen oder andere Straftaten mit Tierschutzmotivation gab, kam es – bezeichnenderweise – an den von mir ausgerufenen Aktionstagen zu keiner einzigen Straftat, sondern ausnahmslos nur zu Demonstrationen oder anderen Formen zivilen Ungehorsams.
Der letzte richterliche Vorhalt gegen meine Person war, dass ich an einem internationalen Treffen der Tierrechtsbewegung, dem Animal Rights Gathering 2007, in den Niederlanden teilgenommen hätte. Selbstverständlich habe ich an diesem Treffen teilgenommen. Wie jede andere Community gibt es auch in der Tierrechtsbewegung internatinale Konferenzen und Zusammenkünfte um sich gegenseitig auszutauschen.
Daran ist nichts besonderes und schon gar nichts kriminell. Zum Beweis lege ich das vollständige Tagungsprogramm des Gatherings vor, doch wie die meisten entlastenden Indizien wird auch dieser Sachbeweis von der Richterin wieder abgelehnt und nicht zum Akt
genommen. So sieht also ein faires Verfahren aus; Haha!
Nach der Richterin stellt der Staatsanwalt seine Fragen an mich:
Auf seine Frage wie weit für mich „ziviler Ungehorsam“ gehe, zähle ich paradigmatisch ein paar dieser legalen Aktionsformen auf:
angemeldete home demos, Blockaden bzw. Go-Ins oder Jagdsabotagen.
Als nächstes hält mir Staatsanwalt Wolfgang Handler eines meiner 400 Fadingermails vor: Darin leite ich die Stellenausschreibung für eine TierpflegerInnenstelle im Pharmakonzern Novartis weiter. Wozu ich das getan habe, will er wissen. Nun ja, sachbeschädigungsfreies
Eindringen in Tierversuchsfirmen zu Recherche- und Dokumentationszwecken ist ungleich schwieriger als in normale Nutztierbetriebe. Daher lassen sich manche TieraktivistInnen vom
Tierversuchslabor anstellen, um auf diesem Weg – „undercover“ – Zustände, Tiermissbrauch und Gesetzesübertretungen in der Pharmaindustrie zu dokumentieren.
Schließlich werde ich gefragt ob ich die Passwörter von bei mir verschlüsselten Daten nennen möchte. Nach drei Jahren Herumschnüffelei der Behörden bis in meine intimsten Lebensdetails möchte ich wenigstens ein bisschen Rest Privatsphäre behalten und beantworte diese Frage mit einem deutlichen “Nein”.
Durch die Verteidigung wurden Tierschutzrecherchen thematisiert.
Obwohl es zwar nur anderen Mitangeklagten vorgeworfen wird, habe auch ich KFZ-Kennzeichen fotografiert, Privatfahrzeuge verfolgt und Ergebnisse aus Firmenbuchauszügen genutzt; z.B. zur Dokumentation illegalen Hundehandels über die österreichisch-ungarische Grenze.
Der Vier-Pfoten-Film über dieser Recherche führte zu einem Verbot des Hundeverkaufs in sog. Zoohandlungen. Die Vorführung des Films wurde abgelehnt.
Die Frage DDr. Martin Balluch’s ob ich 2002 in den Konflikt mit und die Vorstandsabwahl Dr. Franz Plank’s involviert gewesen war bejahte ich: Ich kann mich noch genau erinnern, wie Dr. Plank nach aufgedeckten Ungereimtheiten in der Buchhaltung damals – trotz eindringlicher Bitten – seine alleinige Spendenkontozeichnungsberechtigung NICHT durch eine doppelte Mehrfachunterschrift substituieren wollte. Ich war eine der letzten Personen, die ihn vor seiner Abwahl noch verzweifelt darum ersucht hatten.
Der drittbeschuldigte Jürgen Faulmann bestätigte, dass auch er im Rahmen von Recherchen Privatpersonen observiert, bzw. Autokennzeichen von GesetzesübertreterInnen abfotografiert hatte.
Auf seine Frage für welche Organisationen ich recherchiert hätte, führte ich aus, dass viele Recherchen extern oder vereinsübergreifend durchgeführt werden. Meiner Wahrnehmung nach, wurde das meiste Material von Vier Pfoten International verwendet, gefolgt von PeTA und dem VGT.
Damit war meine Einvernahme beendet und ich wurde vom Sechstbeschuldigten (dem ersten der Basisgruppe Tierrechte zugeordneten Angeklagten, obwohl ich der Gründer der BAT war)
abgelöst. Dieser verlas eine zusammenhängende Darstellung zum Sachverhalt, die sich hier (Statement-des-Sechstbeschuldigten-im-§278a-Prozess.pdf) findet.