tierrechtsprozess
Stimmungsbilder aus dem laufenden Prozess gegen die Tierrechtsbewegung in Österreich
Tage 79 bis 87: Prozessende in Sicht!; Polizeispitzel „VP481“; Tierbefreiung=Tierquälerei3.1; Linguist; EntlastungszeugInnen; SCHLUSSPLÄDOYERS
Categories: der Prozess

Tag 79 – Do., 17.03.2011:
AI Franz RAAB – „Führer“ der Vertrauensperson VP481 Esther HOFBAUER
Verlesung Abschlussberichte

Abteilungsinspektor Franz RAAB zeichnete sich seitens der Polizei für die „Führung“ der (zivilen) Vertrauensperson „VP481“ (Esther HOFBAUER) verantwortlich.
Eine „Vertrauensperson“ ist eine verdeckt ermittelnde Person, die Informationen an die Polizei weitergibt.
Im Gegensatz zu einer verdeckten Ermittlerin (wie z.B „Danielle DURAND“) ist eine polizeiliche Vertrauensperson keine Beamtin, sondern eine Zivilperson, die für ihre Spitzeldienste bezahlt wird.

Franz RAAB gab, an die VP481, Esther HOFBAUER, schon seit 13 Jahren zu kennen. Ob diese Bekanntschaft nun allerdings privat oder dienstlich war, wollte er unter dem Vorwand seiner Amtsverschwiegenheit nicht preisgeben.

Aufgrund eines mitgeschnittenen Privatgespräches zwischen Martin BALLUCH und Esther HOFBAUER liegt allerdings der Verdacht nahe, dass Esther HOFBAUER schon länger intensiv als polizeiliche Vertrauensperson genutzt wurde.
Immerhin saß sie bereits mehrere Monate wegen Alkohol am Steuer in Verwaltungshaft und konnte daher für ihre polizeilichen Spitzeldienste massive Vergünstigungen erwarten.
Fragen dazu wurden aber von der Richterin abgeblockt.

Jedenfalls war Esther HOFBAUER von März bis September unter den damaligen Beschuldigten (und nunmehr Angeklagten) aktiv: Sie hatte nicht nur an Demonstrationen und einschlägigen Veranstaltungen teilgenommen, ihr wurde auch Zugang zum VGT-Computernetzwerk gewährt. Als „Vertrauensbeweis“ wurde HOFBAUER auch von ihrem Führer Franz RAAB beauftragt, ihm eine email von einem VGT-Computer zu senden.

Esther HOFBAUER hatte ihrem Führer Franz RAAB allerdings nichts berichten können, was dieser als strafrechtlich relevant eingestuft hätte.

Wie die verdeckte Ermittlerin „Danielle DURAND“, sollte auch VP481, Esther HOFBAUER, als ultimative Entlastungszeugin von der SOKO vertuscht werden.
Nur hartnäckigen Anträgen der Verteidigung – und einer seit „Danielle DURAND“ skeptischen Richterin – war es zu verdanken, dass die entlastenden Wahrnehmungen von VP481 Eingang in unser Strafverfahren fanden.

Ebenso wie bei der verdeckten Ermittlerin „Danielle DURAND“ blieben auch bei der Vertrauensperson VP481, Esther HOFBAUER, sämtliche weiter Umstände ihres Einsatzes im Dunkeln, z.B. der rechtliche Rahmen in dem ihr Einsatz erfolgte oder ob es neben ihr noch weitere Vertrauenspersonen im Tierschutz-/Tierrechtsmilieu gab.

Wie alle anderen PolizeizeugInnen leidet auch RAAB an pathologischem Gedächtnisschwund: Die Antwort „Ich kann mich nicht daran erinnern“ wird auch von ihm recht bald als einfachste Ausfluchtmöglichkeit erkannt.

Auffällig, aber auch nicht gerade überraschend, ist der behördliche Umgang mit Aufträgen, Amtsvermerken, Dokumenten und Dienstgesprächen: Es gibt keine schriftlichen Aufzeichnungen. Aufträge der SOKO-Leitung und die Emails an und von Esther HOFBAUER habe ihr Führungsoffizier Franz RAAB „nicht aufgehoben“.

Aufgrund der nunmehr verlängerten Verhandlungszeiten bis 21:00 Uhr konnten die Verlesungen der Abschlussberichte des Sechst- und Siebentangeklagten, Christof M. und Kevin K., abgeschlossen werden.

Tag 80 – Fr., 18.03.2011:
Polizeiliche Vertrauensperson VP481 – Esther HOFBAUER

Am Tag nach dem ihrem Führungsoffizier Franz RAAB wurde die Vertrauensperson VP481 höchstpersönlich in den Tierrechtsprozess nach Wiener Neustadt geladen.

Um dem Blitzlichtgewitter zu entgehen betrat sie vermummt den Verhandlungssaal, erst im ZeugInnenstand entfernte sie den Schal von ihrem Gesicht.

Im Wesentlichsten bestätigte Esther HOFBAUER den Bericht über ihren Einsatz als polizeiliche Vertrauensperson.
Ihre weiteren Aussagen waren im wesentlichen Vermutungen und Mutmaßungen, somit verfahrensirrelevant.

Weder dem Bericht noch ihren heutigen Aussagen waren irgendwelche Hinweise auf einzelne Tatbestandsmerkmale einer kriminellen Organisation iSd §278a StGB, geschweige denn konkreter Straftaten wie z.B. Sachbeschädigungen, zu entnehmen.

Am Abend dieses ebenfalls bis 21:00 Uhr verlängerten Verhandlungstag wurde mein Abschlussbericht verlesen.
Mein Antrag, die Verlesung polizeilicher Interpretationen, Mutmaßungen und Beweiswürdigungen zu verhindern, wurde von der Richterin pauschal abgewiesen: „Jetzt wird verlesen.“.

Danach folgte die Verlesung der Abschlussberichte des Dreizehntangeklagten Harald BALLUCH und des Elftangeklagten David RICHTER.

Um 19:45 beendete die Richterin die Verlesung für heute. Die ORF-Boulevardsendung „Dancing Stars“ würde ja um 20:15 Uhr beginnen, führte die Richterin begründend an. Ich erwiderte, das sei wohl eher ein Grund länger zu verhandeln, ja sogar der Staatsanwalt schloss sich meiner Sichtweise an.

Tag 81 – Mo., 21.03.2011:
Obstltn. Stefan PFANDLER – Leiter SEO (SonderEinheit Observation);
zum Thema Großer Lauschangriff beim Sechstangeklagten Christof M. (BAT)

Neben monatelanger persönlicher rund-um-die-Uhr-Observation dutzender Beschuldigter und dem Einsatz mehrerer Peilsender an den Autos zweier Beschuldigter kam es im Vorfahren auch zu einem (bekannten) „Großen Lauschangriff“ innerhalb der Privatwohnung des nunmehr Sechstangeklagten Christof M.

Überhaupt existiert für die ersten beiden Wochen der akustischen Abhörung der Wohnung keine richterliche Anordnung, die geheime Ermittlungsmaßnahme war also definitiv rechtswidrig.
Darauf angesprochen reagierten Richterin Sonja ARLETH, StA Wolfang HANDLER und Obstltn Stefan PFANDLER erwartungsgemäß ignorant: Offensichtlich gibt es weder ein Beweisverwertungsverbot in Österreich, noch wird diese rechtswidrige Maßnahme irgendwelche Konsequenzen für die RechtsbrecherInnen der SOKO haben.

Die Ladung Stefan PFANDLER’s erfolgte u.a. auch deshalb, weil die SOKO bisher in der Hauptverhandlung angegeben hatte, dass es deshalb keine belastenden Ergebisse dieser massiven Ermittlungsmaßnahme gegeben habe, weil technische Probleme eine vollständige Überwachung verhindert hatten.

Bezeichnenderweise war in den ersten Berichten zu dem diesem großen Lauschangriff keine Rede von technischen Problemen.
Es wird wohl kaum so gewesen sein, dass eine Handvoll SEO-Beamte und eine immer anwesende Person aus der SOKO-Leitung wochenlang rund um die Uhr nur „Rauschen“ abhören, ohne dieses technischen Probleme auch nur in einem Aktenvermerk festzuhalten bzw. Maßnahmen zur Behebung einzuleiten.

Technisch wurde die „Wanze“ folgendermaßen umgesetzt:

Im Wohnschlafzimmer der Einzimmerwohnung des Sechstangeklagten wurden zwei Mikrophone versteckt verbaut. Deren Signale wurden zuerst „drahtlos“ an eine „Empfangsanlage“ in außerhalb der Wohnung übermittelt und von dort „verschlüsselt und drahtgebunden“ in das „Dienstgebäude der SEO“ übertragen.
Zur Identifizierung der sprechenden Personen wurde der Hauseingang des Sechstangeklagten per versteckter Videokamera ebenso in Echtzeit überwacht.

Augenscheinlich benötigt eine derartige „Polizeiwanze“ in der überwachten Wohnung also nur Strom. Der genaue Anbringungsort wurde vom Zeugen PFANDLER unter Berufung auf seine Amtsverschwiegenheit erwartungsgemäß nicht bekannt gegeben. Logisch erscheinen aber nur Stellen an denen permanent Spannung anliegt, z.B. im Inneren von Steckdosen.

Freilich musste zur Installation – und zur Wartung – mehrmals unbemerkt in die Wohnung des Sechstangeklagten eingebrochen werden. Tatsächlich war ihm während der laufenden Überwachung nichts Verdächtiges aufgefallen.

Wie bei praktisch allen Ermittlungstätigkeiten entschied auch beim großen Lauschangriff die Polizei in rechtswidriger Weise über die „Relevanz“ von Ermittlungsergebnissen. Sprach der überwachte Angeklagte etwa über den Besuch einer Privatparty an einem Tag, wurde das von der mitlauschenden SOKO nicht verschriftet, da „irrelevant“; Dass derartig scheinbar „irrelevant“ Privates aber entlastend sein könnte – wenn z.B. genau zur selben Tatzeit ein Anschlag der angeklagten kriminellen Organiation stattgefunden hat – wurde von der SOKO geflissentlich ignoriert. Wenn der Beschuldigte allerdings – ohne näheren Hinweis auf den Grund – zur Tatzeit eines Anschlages tatsächlich das eine oder andere mal nicht zu Hausa war, war dies der SOKO sehr wohl fettgedruckte Aktenvermerke mit Rufzeichen wert…

Ebenso wurden belauschte „Gespräche über Tierschutz“ nicht näher verschriftet, da angeblich „irrelevant“. In Wahrheit können gerade diese Gespräche aber keinesfalls „irrelevant“ sein, weil sie Aufschluss über das Vorhandensein (oder besser nicht-Vorhandensein) einer kriminellen Organisation geben, also hochgrad entlastend wären.

Im Übrigen hätten sämtliche originären Ermittlungsergebnisse (nicht nur die Original-Audioaufnahmen des großen Lauschangriffs, sondern auch sämtliche Observationsberichte und Peilsenderdaten) mit Ende der Ermittlungsverfahren von der SOKO im Original an das Gericht zu übergeben
Den Angeklagten hätte eine Möglichkeit zum Anhören und Einsehen gewährt werden müssen.
Beides ist bis heute nicht geschehen.

Abschließend gaben die Angeklagten ihre Stellungnahmen zum Zeugen, Obstltn Stefan PFANDLER, ab und danach verlas die Richterin Sonja ARLETH die Abschlussberichte der Achtangeklagten Sabine K. und der Zwölftangeklagten Monika SPRINGER.

Tag 82 – Mi., 23.03.2011:
Verlesungen

Dieser ebenfalls bis 21:00 Uhr verlängerte Verhandlungstag war ausschließlich Verlesungen von Aktenstücken gewidmet. Unter anderem wurde der knapp 1000 Seiten umfassende Abschlussbericht des Drittangeklagten Jürgen FAULMANN verlesen; Darin findet sich neben Ermittlungsergebnissen zu FAULMANN auch eine umfassende (und reichlich konstruierte) Beschreibung der angeklagten kriminellen Organsisation an sich: Genauer gesagt findet sich hier die Doppelstrategie des Staatsanwaltes Wolfgang HANDLER, nämlich die Vermengung der durchwegs legalen Vereinsaktivitäten der 13 Angeklagten mit unzähligen illegalen Aktivitäten unbekannter TäterInnen, sodass der Eindruck einer kriminellen Doppelstrategie entsteht. In Wahrheit gibt es aber nur eine Doppelstrategie, nämlich die des Staatsanwaltes.

Nicht uninterressant war auch die Verlesung eines Dokuments der ZAMG (Zentralanstalt für Metereologie und Geophysik) Wien, Hohe Warte. Diese Urkunde war die Antwort auf die richterliche Anfrage, um welche Uhrzeit am Tag der Schweinebefreiung im Stall ARTNER die Sonne untergegangen war. Immerhin wird diese Tierbefreiung ja als Tierquälerei dem Drittangeklagten Jürgen FAULMANN vorgeworfen, dieser jedoch behauptet seit jeher nur untertags bei dem notorisch bekannten Betrieb vorbegeradelt zu sein. Das dem BekennerInnenfoto beigelegte Foto mit befreiten Schweinen ist aber eindeutig im Dunkeln aufgenommen worden. Laut ZAMG war es zu der Uhrzeit zu der FAULMANN gemäß Telefonüberwachung am Tatort war jedoch „taghell“ (was die Richterin auch lächelnd mehrmals wiederholte), „taghell“.
Jürgen FAULMANN konnte somit nicht der Täter gewesen sein.

Am Ende des Verhandlungstages konnte immerhin der Erstangeklagte, Martin BALLUCH, seine Stellungnahme zu den bisher verlesenen Abschlussberichten abgeben.

Tag 83 – Do., 24.03.2011:
Stellungnahmen, Verlesungen

An diesem halben Verhandlungstag konnten weitere Angeklagte ihre teils ebenfalls umfangreichen Stellungnahmen zu den verlesenen Aktenstücken (insbesondere Abschlussberichte), ZeugInnen und Sachverständigen abgeben.

Der Drittangeklagte wurde kurzerhand aus der Verhandlung ausgeschlossen, nachdem sich die Richterin einbildete, er, Jürgen FAULMANN, sei für ein Polizeisirenengeräusch im Verhandlungssaal verantwortlich, weil sie an einem anderen Verhandlungstag auf seinem Tisch ein Spielzeugpolizeifahrzeug gesehen hätte. FAULMANN war sichtlich empört über diese Unterstellung, sodass er auf die Angeklagtenbank sprang, seine leeren Taschen ausstülpte und die Hände hoch hielt. Das wiederum wurde von der Richterin als erneute Missachtung der Würde das Gerichts gewertet, sodass FAULMANN etwas später des Verhandlugnssaals verwiesen wurde, bloß als er in einer (Fach)zeitschrift einen Artikel las (der später von der Verteidigung auch tatsächlich als Sachbeweis eingebracht wurde).

Ich selbst nutzte diese Chance um die – seit meiner Erstbefragung noch nicht eingebrachten – ausständigen Beweisanträge vorzubringen. Z.B. Aktionslisten aus dem Internet, aus denen hervorging, dass just in dem Zeitraum in dem mir im Strafantrag vorgeworfen wird zu „Aktionstagen“ aufgerufen zu haben, keine Sachbeschädigungen oder andere strafbaren Handlungen gegen die in meinen „Aktionsaufrufen“ genannten Ziele stattgefunden haben. Weiters versuchte ich auch weitere Dokumente zu meinem Anklagepunkt „Datenverschlüsselung“ einzubringen, doch die Richterin sagte mehrmals „Das brauche ich nicht“, „Lesen Sie’s vor“, „Das glaube ich Ihnen“, … .

Zuletzt konnte noch der Sechstangeklagte seine Stellungnahme abgeben. Er benannte einleitend noch einmal des Ziel der Ermittlungen der SOKO und des Verfahrens insgesamt: die Kriminalisierung von politischem Aktivismus per se, die Kriminalisierung von Meinungen und damit auch das Ende von Meinungsfreiheit. Wieder ging es um Falschinformationen und Unterstellungen im Akt sowie um die Darstellung von völlig legalen Handlungen in einer Form, die einen kriminellen Kontext suggerieren sollte. Der Sechstangeklagte verwies besonders auf die noch immer bestehenden Lücken im Akt und forderte die „Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustands“, also die Gewährung von Akteneinsicht bzw. Beischaffung der Unterlagen. Unter anderem finden sich Hinweise darauf, dass die SOKO Kontakte zu deutschen Behörden sowie zu Europol Extremismus aufnahm – Unterlagen dazu fehlen allerdings. Es ist alles andere als eine gewagte Vermutung, dass die Kontakte nichts ergaben und ihre Ergebnisse daher als entlastend zu werten wären. Dass sich auch in Bezug auf den Sechstangeklagten schlicht Erfundenes im Akt fand – so sollte er etwa 2007 gemeinsam mit einem weiteren Angeklagten ein Spendenkonto der OGPI eröffnet haben, das in Wirklichkeit bereits ein Jahr zuvor bestand – überraschte niemanden. Ebensowenig wie die Versuche zivilen Ungehorsam – etwa eine Ankettaktion (bei der es Verwaltungsstrafen gegeben hatte, die längst bezahlt wurden) zur kriminellen Handlung zu stilisieren. Die dazu vorgelegten Dokumente erfreuten die Richterin nicht: „Sie beschießen das Gericht mit lauter Dokumenten…“ Warum die nicht bereits früher vorgelegt worden seien wollte sie wissen – jene Richterin wohlgemerkt, die sich bislang noch bei beinahe jedem Antrag der Verteidigung die „Entscheidung vorbehalten“ hatte. Von versöhnlicher Stimmung ist nichts mehr zu merken, statt dessen fährt sie den Beschuldigten, dessen Stellungnahme etwas länger dauert als ursprünglich gedacht an: „Wir haben bis 13.00 Uhr Zeit, bis dahin werden Sie das ja wohl schaffen“. Exemplarisch deutlich wurde die Arbeitsweise der SOKO noch einmal im Hinblick auf den Vorwurf schwerer Sachbeschädigungen. Dem Sechstangeklagten, der monatelang – teils rechtswidrig – überwacht worden war, werden im Abschlussbericht Sachbeschädigungen aus dem einzigen Grund vorgeworfen, dass er in den betreffenden Nächten nicht zuhause war – dass er auch in anderen Nächten nicht zu Hause war, wird freilich verschwiegen. Der Zusammenfassung am Ende der Stellungnahme ist wenig hinzuzufügen: Monatelanges abhören, observieren und verfolgen ergab keinen Hinweis auf eine Straftat, dennoch kam es zum laufenden Verfahren – wie sehr müssen sich die Aktivist_innen hier noch freibeweisen?

Aus Gründen der „Justizverwaltung“ musste die heutige Verhandlung um 13:00 Uhr geschlossen werden.

[Anmerkung:

In Wahrheit wurde die Einsetzung der neuen alten LG-Präsidentin Ingeborg KRISTEN gefeiert. Bei so einem Anlass muss natürlich auch die Strafgerichtsbarkeit zurücktreten, keine Frage.]

Tag 84 – Mo., 28.03.2011:
ZeugInnen zu Einzeldelikten des Zweitangeklagten Felix HNAT:
Sachbeschädigung AFP-Akademie: Katharina P., Markus A. und Susanne C.;
Widerstand gegen die Staatsgewalt: Andreas KOLENC, Patrick GLÜCK

Nach den ersten beiden Entlastungszeugen aus der TATblatt-Redaktion kamen heute die nächsten EntlastungszeugInnen der Verteidigung zu Wort. Ebenso wie die TATblatt-Redakteure waren auch die heutigen ZeugInnen nur zu konkret angeklagten Einzeldelikten, nicht aber zum Hauptvorwurf §278a StGB geladen.

Einerseits sagten heute eine Katharina P., ein Markus A. und eine Susanne C. aus, was Felix HNAT vor und während des ihm angelasteten Steinwurfs in ein Fenster der rechtsradikalen „AFP-Akademie“ Gumpoldskirchen getan hatte:
Die erste Zeugin beschrieb, wie sie mit HNAT auf dem Weg zur Anti-AFP-Demonstration von Nazis angegriffen wurden, und sich HNAT in der Hitze der Auseinandersetzung mit Steinen „bewaffnet“ hatte. Sie gab auch an, dass HNAT diese Steine nach Ankunft bei der AntiFa-Demo wieder abgelegt hatte, wo sie vermutlich von den mutmaßlichen TäterInnen nächtens für ihre Zwecke „wiederverwertet“ wurden.
Der zweite Zeuge, Markus A., berief sich auf einen Kalendereintrag in seinem Taschenkalender aus dem hervorging, dass er sich am Abend nach der Anti-AFP-Demonstration mit HNAT im vegetarischen Lokal „Rupps“ gemeinsam betrunken habe. Er könne sich noch daran erinnern, weil dies das einzige mal gewesen sei, wo er in der Wohnung von HNAT’s damaliger Lebensgefährtin, Susanne C., übernachtet habe.
Susanne C. konnte sich nicht mehr konkret an diesen Tag erinnern, gab aber an, während der Beziehung mit HNAT ausnahmslos jede Nacht gemeinsam verbracht zu haben. HNAT könne also nächtens niemals ohne ihrem Wissen eine Fensterscheibe eingeschlagen haben.

Andreas KOLENC und Patrick GLÜCK waren noch ausständige Zeugen der Anklage. Sie sollten die Behauptung der Anklage untermauern, dass HNAT nach einer Störung einer Kleiderbauer-Pelzmodeschau zwei Polizisten geschlagen hätte. Die Rechnung des Staatsanwaltes ging allerdings nicht auf: Nicht nur, dass die beiden Bediensteten einer Privatsicherheitsfirma keinerlei gewalttätigen Ausbrüche HNAT’s beobachten konnten, gaben sie auch frank und frei zu, dass sie den offenbar lediglich davonlaufenden HNAT verfolgt und in beispielloser Überschreitung ihrer Kompetenzen (und rechtswidrigerweise) mit Körpergewalt zu Boden gerungen hatten. Gewalt von HNAT konnten sie zu keinem Zeitpunkt beobachten.

Am späten Abend dieses verlängerten Verhandlungstages folgten weitere Stellungnahmen der Angeklagten zu den verlesenen Abschlussberichten.

Tag 85 – Di., 29.03.2011:
ZeugInnen zum Einzeldelikt Nötigung Kleiderbauer durch Angeklagte der BAT:
AI LASCHOBER
CI Wilfried GRUBER;
Linguistischer Sach(un)verständiger Wolfgang SCHWEIGER

Sämtlichen Angeklagten der BAT (Basisgruppe Tierrechte) wird im Strafantrag eine gemeinsame (versuchte) Nötigung vorgeworfen:
Bei einer angemeldeten Demonstration vor der Kleiderbauer-Zentrale in Perchtoldsdorf habe die Pressesprecherin Kleiderbauers, Marjan FIROUZ, versucht mit ihrem Auto durch die angemeldete Kundgebung zu fahren. Dabei sei sie aber auf die DemonstrantInnen gestoßen, die angeblich auf ihr Auto geklopft hätten. Das Fahrzeug wurde daraufhin polizeilich gründlichst untersucht, es wurden allerdings keinerlei Beschädigungen festgestellt.

Der Witz ist jedoch, dass lt. Strafantrag nun nicht etwa die (wie sonst nur Opfer von Sexualdelikten) „kontradiktorisch“ einvernommene Marjan FIROUZ Opfer einer Nötigung sein soll (etwa genötigt vor der Demo anzuhalten), nein. Absurderweise sei die Anhaltung und das Beklopfen des Autos der FIROUZ der Versuch gewesen die Firma Kleiderbauer zu nötigen auf den Handel mit Echtpelz zu verzichten. Das überrascht umso mehr, als dass die als Zeugen bereits befragten Kleiderbauer-Geschäftsführer Peter und Werner GRAF keinerlei Angaben gemacht hatten, sich durch diesen Vorfall auch nur im geringsten genötigt gefühlt zu haben. Alle hatten vielmehr den Eindruck, dass – wenn überhaupt – nur Marjan FIROUZ Nötigungsopfer sein hätte können.

Jedenfalls hatte die Verteidigung zum Beweis dass es währen der Demo zu keinerlei strafbaren Handlungen (also auch keiner Nötigung) gekommen sei, die patroullierenden PolizeibeamtInnen geladen:

AI LASCHOBER und CI GRUBER gaben übereinstimmend an, dutzende Male die Demo unangekündigt aber deutlich als Polizei erkennbar kontrolliert zu haben. Es sei immer alles friedlich abgelaufen, es gab lediglich geringe Meinungsverschiedenheiten über die Lautstärke des eingesetzten Megafons. Erst kurz nach dem Ende der Demonstration ging ein Anruf Kleiderbauers bei der Polizeidienststelle ein, wonach Marjan FIROUZ beim Verlassen der Firmenzentrale von DemonstrantInnen „BELÄSTIGT“ worden sein soll. Sie persönlich hätte diese Angabe in einem späteren Telefongespräch mit Beamten auch bestätigt. Kein Wort von einer strafrechtlich relevanten Nötigung. Zur Erinnerung: Die SOKO hat aus dieser „Belästigung“ ein „Einschlagen mit den Fäusten“ gemacht.

Der Rest dieses ebenfalls bis 21:00 verlängerten Verhandlungstages wurde zum sechsten Mal mit dem linguistischen Sach(un)verständigen Wolfgang SCHWEIGER und seinem ‘Schlechtachten‘ verbracht:

Wie schon an den letzten Verhandlungstagen versuchte SCHWEIGER sein mittlerweile 50.000,– EUR teures Werk der Richterin auf nachvollziehbare Art und Weise zu erklären. Allerdings auch diesmal wieder ohne Erfolg.

Im Wesentlichen referierte er diesmal die Hälfte aller in den Konkordanztabellen von ihm ermittelten Zahlenwerte.
In diesen Konkordanztabellen finden sich etliche linguistisch relevante Parameter verschiedener Texte, z.B. Wortzahl, Teilsätze/Gesamtzahl, Satz- und Wortgrammatik, u.v.a. von Texten unbekannter AutorInnen einerseits und authentischen Vergleichstexten des Erstangeklagten Martin BALLUCH andererseits.

Bezeichnenderweise hat sich SCHWEIGER die wissenschaftlich zwingend erforderliche Analyse eines Vergleichstexts eines bekannten Drittautors zum Beweis der Abgrenzungsfähigkeit seiner Methode erspart. So konnte er auch heute nicht schlüssig erklären, warum nur Martin BALLUCH der Autor der zuzuordnenden Texte sein könne und nicht etwa irgendeine andere unbekannte Person.

SCHWEIGER’s Methode bestand darin (zufällig) übereinstimmende Parameter als Hinweis auf Martin BALLUCH zu werten, abweichende Paramter aber mit Verweis auf unterschiedliches Genre, Textlänge, Stimmung des Autors, etc… zu entwerten.
Stimmigerweise blieb SCHWEIGER auch jene Kriterien schuldig, nach denen er Zahlenwerte als „übereinstimmend“ oder „nicht übereinstimmend“ wertete.
Kein Wunder, verwehrte er sich bisher schon dagegen, wissenschaftlichen Ansprüchen zu genügen, gab er heute sogar an, auch keine statistischen Methoden gelten zu lassen. Begriffe wie Signifikanz oder Standardabweichung seien für ihn jedenfalls ohne jeden Wert.

Am Abend dieses Verhandlungstages wurden wieder Anträge auf Enthebung und Befangenheit des Gutachters gestellt. Die Richterin behielt sich die Entscheidung wie gewohnt vor.

Tag 86 – Do., 31.03.2011:
ZeugInnen zum Einzeldelikt ‘Tierbefreiung=Tierquälerei’ des Drittangeklagten Jürgen FAULMANN:
Johanna STADLER-WOLFFERSGRÜN, Markus ARTNER;
Sachverständiger Dr. Josef TROXLER

Zusammenfassung folgt in den nächsten Tagen…

Tag 87 – Fr., 01.04.2011:
SCHLUSS DES BEWEISVERFAHRENS –
ABSCHLUSSPLÄDOYERS

Abschlussplädoyer des Staatsanwalts

Mag. Wolfgang HANDLER

Abschlussplädoyers der RechtsanwältInnen:

Mag. Stefan TRAXLER

Dr. Jürgen Stephan MERTENS

Mag. Josef Phillip BISCHOF

Dr.in Alexia STUEFER

DDr. Michael DOHR

Dr. Harald KARL

Abschlussplädoyers der (anwesenden) Angeklagten:

Erstangeklagter Martin BALLUCH

Viretangeklagter Chris MOSER

Fünftangeklagter Elmar VÖLKL

Siebentangeklagter Kevin K.

Achtangeklagte Sabine K.

Neuntangeklagter Jan K.

Zehntangeklagter Leonardo H.

Dreizehntangeklagter Harald BALLUCH

Inhaltlichte Zusammenfassung folgt in den nächsten Tagen…

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