tierrechtsprozess
Stimmungsbilder aus dem laufenden Prozess gegen die Tierrechtsbewegung in Österreich
Tage 47 bis 52: SOKO; fast-Befangenheitsantrag; Kleiderbauer; Trachtenmaus; Screenshots; Stalking und noch mehr Jägerlatein
Categories: der Prozess

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Tag 47 – 16.09.2010:
Fortsetzung des Zeugen & SOKO-Mitglieds: Abt.Insp. Herbert LANDAUF

Am heutigen 47. Prozesstag wurde der SOKO-Ermittler Inspektor Herbert Landauf zum zweiten Mal einvernommen und seine Einvernahme konnte wiederum nicht beendet werden. Herbert Landauf war bereits am 15. April 2010 im Zeugenstand. Die Einvernahmen der SOKO-BeamtInnen sind die spannendsten Prozesstage, geht es dabei doch darum, die harten Fakten der Anschuldigungen heraus zu arbeiten. Staatsanwalt Wolfgang Handler und Richterin Sonja Arleth sehen das offenbar ähnlich, aber in gewissem Sinn mit umgekehrtem Vorzeichen: Sie versuchen engagiert und – leider – erfolgreich die Fragen der Verteidigung um jeden Preis zu verhindern; auch unter Inkaufnahme eines schweren Nichtigkeistfehlers. Auffällig, dass immer bei Befragungen von SOKO-BeamtInnen das Pärchen der Anklage – Sonja und Wolfgang – eine offensive Verurteilungsstrategie aufzubauen versuchen.

Heute wurde mehrfach stundenlang nur darüber diskutiert, ob Fragen zur kriminellen Organisation zulässig seien oder nicht. Richterin Arleth und Staatsanwalt Handler argumentierten, dass die SOKO-Mitglieder über die kriminelle Organisation überhaupt nichts sagen sollten, weil das Teil der Beweiswürdigung wäre, die der Richterin obliege. Die Verteidigung stand auf dem Standpunkt, dass es keinen Hinweis auf eine kriminelle Organisation gibt und dass deshalb die Frage, welche Ermittlungsergebnisse auf eine solche angebliche Organisation hinweisen würden, zentral sei. So wurde z. B. SOKO-Mitglied Herbert Landauf gefragt, was die Rolle des Fünftangeklagten DI Elmar Völkl in der angeblichen kriminellen Organisation gewesen sein solle. Aus dem Abschlussbericht würden sich dazu praktisch keine Anhaltspunkte ergeben. Richterin und Staatsanwalt meinten, diese Frage sei nicht zulässig, weil die Beweiswürdigung der Richterin obliegen würde. Die Richterin Mag. Sonja Arleth sagte, sie habe noch nie erlebt, dass AnwältInnen solche Fragen stellen würden, sie sagte wörtlich: „In diesem Verfahren werden die Beweismittel ja zerpflückt“. Die Verteidigung konterte, dass sie noch nie erlebt habe, dass solche Fragen zur Begründung eines Verdachts jemals untersagt worden seien.

Als sich am Ende eines solchen Konflikts die Richterin Sonja Arleth zur Aussage hinreißen ließ, dass sie vermute, dass einer der Angeklagten sie am Gang als „Faschistin“ bezeichnet habe, beantragte DI Elmar Völkl eine Pause um sich mit seinem Anwalt wegen eines Befangenheitsantrags gegen die Richterin zu beraten. Die Pause wurde zur Mittagspause und obwohl (oder vielleicht weil?) danach keine Rede mehr von einem Befangenheitsantrag war, konnte die Verteidigung ihre Fragen wesentlich ungehinderter stellen.
SOKO-Mitglied Abt.Insp. Herbert Landauf konnte an diesem Tag kein einziges Indiz nennen, aus dem auf die Existenz einer kriminellen Organisation geschlossen werden könnte. Am meisten schien ihm der Umstand verdächtig, dass manche Daten einiger der Angeklagten verschlüsselt waren. Auffällig war sein verunsichertes und zögerliches Auftreten, ähnlich wie bei den anderen SOKO-Mitgliedern mit Ausnahme des operativen Leiters Josef Böck, der der sich betont herablassend und pseudo-cool verhalten hatte. Auch Herbert Landauf begann nach einigen Fragen immer wieder mit der polizeilichen Lieblingsfloskel „ich verweise auf den Akt“ zu antworten, wie das Inspektor Josef Böck ja auf’s Extreme perfektionniert hatte.
Offenbar will oder kann keines der SOKO-Mitglieder konkrete belastende Fakten nennen.

Nicht einmal die Verteidigung konnte alle vorbereiteten Fragen an den Zeugen Landauf fertig stellen. In Anbetracht der hunderten Fragen die die Angeklagten an die Abschlußberichte erstellenden SOKO-BeamtInnen noch haben, ist es fraglich ob Herbert Landauf beim nächsten Mal fertig werden kann.

Insbesondere für den heutigen Tag empfehle ich wieder die lesenswerte 1:1 Protokollierung der Hauptverhandlung auf tierschutzprozess.at:
http://tierschutzprozess.at/tierschutzprozess-47-tag/

Tag 48 – 22.09.2010:
Langeweile mit Kleiderbauer: Ehefrauen und Generalsekretärinnen

Der heutige Prozesstag war wieder typisch für dieses gesamte Verfahren: Vernommen wurden zwei Personen: Daniela Graf-Kunauer, die Ehefrau des einen Geschäftsführers von Kleiderbauer Werner Graf, und Elisabeth Breutner, die Assistentin des anderen Geschäftsführers Peter Graf. Das Auto Frau Graf-Kunauer’s wurde von unbekannten TäterInnen beschädigt. Frau Breutner gab Auskunft über Telefonate und Emails von Tierrechts- und Tierschutzorganisationen, die ihre Firma erhalten hatte, und die Kleider Bauer zu einer tierfreundlicheren – pelzfreien – Politik bewegen sollten.
Aber nicht einmal Staatsanwalt Wolfgang Handler behauptet, dass die Angeklagten mit der Beschädigung Graf-Kunauer’s PKW etwas zu tun hätten. Die vorgehaltenen emails und Telefonate an die Sekretärin Breutner wirkten auf den unbedarften Beobachter ausnehmend harmlos und normal, und betraf nur ein oder zwei Angeklagte. Insbesondere dass ein Firmendialog in Form solcher Telefonate und Emails für NGOs völlig normal und notwendig sei, wurde in den Stellungnahmen der Angeklagten nach der Befragung betont.

In meiner Stellungnahme habe ich darauf aufmerksam gemacht, dass ein Geschäftsführer der Firma Kleiderbauer in seiner Zeugeneinvernahme (während der man der Wahrheitspflicht unterliegt) die Unwahrheit gesagt hätte: Damals verneinte er die Frage eines Angeklagten, ob ein gewisser – im Publikum anwesende – Herr Franz Biermayer der „Prokurist“ der Firma Kleiderbauer sei oder jemals gewesen war oder überhaupt ein Geschäftsverhältnis bestand. Heute stellte sich durch die Befragung Frau Breutner’s allerdings heraus, dass es nicht nur ein Geschäftsverhältnis gab, sondern Herr Franz Biermayer sogar die emailadresse franz.biermayer@kleiderbauer.at besitzt. Darüberhinaus wurde als Sachbeweis die Internetseite http://www.equity.co.at/company.html angeführt, wo der besagte Mann im Zeitraum 2003-2008 als „CFO der Einzelhandelsgruppe Kleider Bauer / Hämmerle“ angeführt ist. Diese Tatsache wirft auch nicht gerade das beste Licht auf die Geschäftsführung der Firma Kleiderbauer, wenn es um die Beurteilung des Wahrheitsgehaltes ihrer Aussagen zu den durch die Buttersäureanschläge entstandenen Schadenshöhen geht. Diese scheinen sich ja mit jedem Verhandlungstag stetig um signifikante Beträge zu reduzieren. Vielleicht bleiben am Schluss des Verfahrens überhaupt keine – für §278a aber notwendige – schwere Sachbeschädigungen übrig.

Ansonsten sicher wieder einer der langweiligeren Tage dieses „skurrilsten Prozesses“.

Tag 49 – 23.09.2010:
Trachtenmaus und Holmes Place

Ein zentrales Thema dieses Prozesses sind Straftaten, für die es keinen Hinweis auf die TäterInnen gibt. Sie werden groß in diesem Prozess breit getreten, ohne dass, wie die Richterin nicht müde wird zu betonen, sie den Angeklagten angelastet würden. Den Zusammenhang sieht der Staatsanwalt darin, dass diese Straftaten von einer kriminellen Organisation begangen worden sein sollen, die laut Staatsanwalt wiederum von den Angeklagten unterstützt worden wäre.

Die erste Zeugin des heutigen Prozesstages war Carina Portschy, die Besitzerin des Pelzgeschäfts „Trachtenmaus“ in Wien Liesing. In den Jahren 2004 – 2006 habe es bei ihr einige Sachbeschädigungen gegeben, darunter allerdings mehrmals lediglich „Kratzer“ an der Tür, einmal hat sie offenbar vergessen, die Tür zu ihrem Geschäft abzusperren, wofür sie ebenfalls die Polizei rief und von einem versuchten Einbruchsdiebstahl sprach, einmal sei zu Silvester ein Feuerwerkskörper auf der angrenzenden Thujenhecke gelandet und einmal sei auf dem Gehsteig in der Nähe ihres Geschäfts eine Matratze angezündet worden. Bei so vielen Pseudoanschlägen erklärte sogar die Richterin, dass sie sich nur für jene drei Vorfälle interessiere, für die es angebliche „Bekennerschreiben“ gäbe; Zu denen zählt Richterin Sonja Arleth aber auch reine Medienberichte ohne eigentlicher Bekennung durch die TäterInnen. Dabei handelte es sich einmal um eingeschlagene Scheiben, einmal um geätzte Scheiben und einmal um eine Stinkbombe in Form von Buttersäure. Bei letzerem Vorfall gab die Zeugin zunächst einen Schaden von € 100.000,– an. Bei genauerer Befragung durch die Richterin zeigte sich aber, dass diese Geldsumme kein Schaden sondern der Gesamtwert ihrer damaligen Pelzkollektion war. Zuletzt stellte sich heraus, dass der gesamte Geruch irgendwann verraucht war und alle Pelze verkauft worden seien. Der Sachschaden hat sich also im wahrsten Sinne des Wortes in Luft aufgelöst. Die Zeugin wollte als Privatbeteiligte am Prozess teilnehmen, aber angesichts dieser Angaben versuchte die Richterin ihr das wieder auszureden.

Die Kürschnerin Carina Portschy versuchte ihr Möglichstes, um die Schwere der Verbrechen und eine Schuld der Angeklagten zu unterstreichen. So forderte sie, sie möge in einem Nebenraum mittels Videokamera kontradiktorisch vernommen werden, weil sie vor den Angeklagten – die sie, wie sie zugab, noch nie gesehen hatte – Angst habe. Dann sagte sie gleich am Anfang, man habe ihr drei Mal die Scheiben eingeschlagen. Später zeigte sich, dass das nur ein Mal geschehen war. Und die Zeugin gab unumwunden zu, dass es nie Demonstrationen gegen ihr Geschäft gegeben habe und dass es keinerlei Zusammenhang zwischen ihren Sachschäden und den Angeklagten gebe. Sie sei auch nie von TierschützerInnen kontaktiert worden, mit Ausnahme einer Zuschrift der Vier Pfoten. Vermutlich deshalb sagte sie anfangs, sie habe erst später erfahren, dass die Vier Pfoten für die Sachschäden bei ihr verantwortlich seien.

Der einzige Zusammenhang zwischen den Angeklagten und diesen Sachschäden ist, dass sie gegen Pelz aktiv sind und die Sachschäden – derer sie nicht einmal verdächtigt werden – an einem Pelzgeschäft aufgetreten sind gegen das es nicht einmal eine einzige Demonstration gegeben hatte. Das reicht in einem § 278a-Verfahren aber offenbar trotzdem aus, um angeklagt und vor Gericht gezerrt zu werden.

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Hier die Stellungnahme des Fünftangeklagten:

DI Elmar Völkl sagte, dass die Aussagen der Besitzerin der Trachtenmaus keinen Zusammenhang zu ihm, dem VGT oder der BAT hervorgebracht habe. Die VIER-PFOTEN seien als einzige Tierschutzorganisation von der Zeugin explizit genannt worden. Die Zeugin habe offenbar die VIER-PFOTEN als einzige gegen sie aktive Anti-Pelz Organisation wahrgenommen.

Die Aussagen der Zeugin zum Buttersäurevorfall würden wieder einmal deutlich machen, dass bei Buttersäureanschlägen ein rasches Lüften dazu führe, dass die Ware wieder verkaufbar werde.

Die Zeugin habe keinen Umsatzentgang nachweisen können. Die Richterin erklärte, dass auch sie keinen Umsatzentgang habe nachvollziehen können. Ein etwaiger Umsatzrückgang wegen dem – durch die Angeklagten mitverursachten ‘Negativimage von Pelz’ werde hoffentlich durch dieses Verfahren nicht kriminalisiert, sagte DI Elmar Völkl. „Sicher nicht“, antwortete die Richterin Sonja Arleth.

DI Elmar Völkl erklärte dann noch, dass seine Frage bzgl. einer möglichen Schutzgelderpressung durch die VIER-PFOTEN kein Scherz gewesen sei, sondern sich auf die Vorwürfe der SOKO gegen den VGT bezogen hätten; Schließlich wurden Honorarnoten für Eierkontrollen – die vom REWE-Konzern an den VGT überwiesen wurden – in den polizeilichen Berichten als „Schutzgeld“ geführt. Die Richterin meinte, sie habe das nirgends gelesen.

Tag 50 – 24.09.2010:
Stalking? Wer stalked hier wen vor Kleiderbauer?

Der 50. Verhandlungstag sollte letztendlich wieder für den gesamten Verlauf des Prozesses und für die Anklage nach § 278a typisch werden:
Über den gesamten Tag hinweg wurden nur zwei ZeugInnen einvernommen, die einen Vorfall zu Protokoll gaben, der an Lächerlichkeit nicht zu überbieten war. Und dennoch ist er im Strafantrag als Handlung einer kriminellen Organisation inkriminiert.

Die Zeugin Bogdanova war im Dezember 2006 aus der Kleider Bauer Filiale in der Wiener Mariahilferstraße getreten und hatte u.a. einen Mann, der Flugblätter gegen Pelz verteilte, sowie die Zwölftangeklagte Monika Springer, die mit einer Kamera vor Ort war, fotografiert. Springer hatte zurück fotografiert. Dann scheiden sich die Geister. Die Angeklagte Monika Springer gab an, was sie auch schon damals in einem (aktenkundigen) Gedächtnisprotokoll im Fadingerforum unmittelbar nach dem Vorfall festgehalten hatte: Bogdanova habe versucht ihr die Kamera wegzureißen. Die Zeugin Bogdanova sagte heute jedoch aus, sie habe das nicht getan, sondern sich durch das Fotografieren von Springer belästigt gefühlt. Springer kontaktierte jedenfalls während des Vorfalls erfolgreich die Polizei und blieb bei der Zeugin für die nächsten 45 Minuten bis zur Ankunft der BeamtInnen, um sie nicht entkommen zu lassen. Die Zeugin gab an, ebenfalls die Polizei gerufen zu haben, aber nur zu einem Tonband durchgekommen zu sein. Anschließend nahmen die BeamtInnen die Daten der beiden Frauen auf und damit war der Fall erledigt. Nur die ‘SOKO gegen den Tierschutz’ grub diesen Vorfall fast drei Jahre später wieder aus und vernahm die Zeugin sowie den Punschstandbetreiber Karl Schantl von damals. Dieser sagte vor Gericht aber wörtlich: „es ist doch eh nichts geschehen!“.

Der Staatsanwalt nahm diesen Vorfall als einen zentralen Punkt in die Anklage gegen Springer auf. Springer habe damit eine angebliche kriminelle Organisation unterstützt, weil sie dadurch der Geschäftsführung von Kleider Bauer habe zeigen wollen, „dass die Aktionen der Organisation alle Ebenen des Konzerns treffen“.

Interessant war auch, dass die ‘SOKO gegen den Tierschutz‘ die Zeugin Bogdanova offenbar dazu zu drängen versucht hatte, einen völlig zusammenhanglosen Reifenschaden zu einer Straftat mutmaßlicher TierrechtsaktivistInnen aufzubauschen. Sie selbst stelle diesen Zusammenhang jedenfalls bis heute nicht her, gab die Zeugin Bogdanova an.

Ansonsten zeichnete sich dieser Prozesstag wieder durch laufende Konflikte zwischen der Verteidigung und der Richterin aus. Dabei wurde im juristischen Fachjargon gegenseitig eine Reihe von Vorwürfen gemacht. Nur die dadurch aufgeheizte Stimmung kann die Entgleisung der Richterin erklären, die bei der Befragung des Zeugen Schantl durch DDr. Martin Balluch deutlich zu hören war: DDr. Balluch hatte die beiden Kontrahentinnen, wie in den Einvernahmeprotokollen, als ‘Frau 1’ und ‘Frau 2’ bezeichnet, worauf die Richterin Sonja Arleth die Namen der Frauen nannte und wörtlich in abfälligem Tonfall sagte: „Wenn der Herr Balluch nicht die Namen nennt, weil des kann er sich offenbar ned merken“. Die Verteidigung schwieg zu dieser Beleidigung. DDr. Balluch setzte ruhig seine Befragung fort.

Tag 51 – 28.09.2010:
Des Jäger’s Erbrechen: Dr. Peter Lebersorger, Gerhard Kerbl;
des Jäger’s Schreck: Josef Zeillner, Manfred Taglieber; und
aller Jäger’s Latein

Dr. Peter Lebersorger

Typischerweise wurden auch heute wieder relativ harmlose Straftaten unbekannter TäterInnen thematisiert, ohne einen Bezug zu den Angeklagten. Andererseits kamen wieder reihenweise Vorwürfe bezüglich legaler Aktivitäten der Angeklagten zur Sprache. Z.B. soll laut Aussage des ersten Zeugen Dr. Peter Lebersorger – seines Zeichens Geschäftsführer des nö. Landesjagdverbandes – DDr. Martin Balluch als Jäger verkleidet auf einer öffentlichen Jägertagung aufgetreten sein. Dass so etwas an einem Strafgericht überhaupt untersucht wird, lässt sich nur dadurch erklären, dass die Anklage davon ausgeht, wer sich als Jäger verkleidet auf Jägertagungen herumtreibt, muss als Mitglied einer kriminellen Organisation gesehen werden, die Straftaten gegen Jagdeigentum verübt.

Neben solchen – für dieses Verfahren offenbar relevanten – „Vorfällen“, zeigte der heutige Prozesstag auch einiges über die Mentalität der Jägerschaft. Der Geschäftsführer des nö. Landesjagdverbandes, Dr. Peter Lebersorger, gab zu, er habe DDr. Balluch des Hochstandschneidens bezichtigt und ihn in einer Radiosendung einen Verbrecher genannt. Er wolle aber nicht kommentieren, ob er heute noch dieser Ansicht sei. Er könne keinen Beleg für die Richtigkeit dieser Aussagen anführen. Jedenfalls wolle die Jägerschaft nicht mit Tierschutzvereinen diskutieren. Man stehe aber im Gespräch mit Artenschutz- und Umweltschutzvereinen. Dann zeigte sich auch, dass gewisse Jagdkreise sogar versuchen wollten, den VGT verbieten zu lassen, weil die Abschaffung der Jagd VGT-Vereinsziel sei. Die Jägerschaft sei der Ansicht, dass der VGT dadurch außerhalb des Verfassungsbogens stehen würde und deshalb verboten werden müsse.

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Wie so oft stammten die interessantesten Eindrücke des Tages von den Stellungnahmen der Angeklagten:

DDr. Balluch legte detailliert dar, warum die Aussagen der letzten Tage keinerlei Schuld der Angeklagten bestätigt hätten, sondern, im Gegenteil, die Absurdität der Anklage und des gesamten Prozesses.

Harald Balluch kritisierte die Richterin Sonja Arleth, weil sie Aussagen der ZeugInnen verlese, bevor die Verteidigung die Möglichkeit habe, Widersprüche aufzuzeigen, was der StPO widerspräche. Und dann bewies Balluch eindrucksvoll, wieso das Urteil des Obersten Gerichtshofs (OGH) zur Rechtmäßigkeit der Untersuchungshaft keinesfalls in diesem Verfahren irgendeine Relevanz habe: Der OGH würde nämlich nie von jener Doppelstrategie sprechen, die die Grundlage der Anklage ist. Vielmehr sei der OGH davon ausgegangen, die StraftäterInnen für Brandstiftungen und Sachbeschädigungen selbst vor sich zu haben. Doch diese Straftaten seien heute ja nicht einmal mehr angeklagt. Der OGH habe also nur gesagt, wenn eine Gruppe von Menschen als Organisation Sachbeschädigungen und Brandstiftungen für Tierschutzziele begehe, dann würden sie eine kriminelle Organisation bilden. Im Tierschutzprozess verfolgt die Anklage aber den Vorwurf, dass die Angeklagten eine ihnen unbekannte kriminelle Organisation durch ihre Aussagen und legalen Taten ideell unterstützt hätten, eben durch die sogenannte Doppelstrategie.

DI Elmar Völkl sagte, dass er alle bisherigen Stellungnahmen explizit zu seiner Verantwortung erkläre.

Dann beantragte er eine längere Mittagspause. Die 30-40 PolizeischülerInnen im Gerichtssaal seien jeweils vor ihm unten in der Kantine und dann könne er unmöglich innerhalb von 30 Minuten sein Menschenrecht auf Nahrung vollständig ausüben. Die Richterin sagte dazu schroff, dass sie diesen Antrag ablehne. Er müsse ja nicht zur Kantine gehen, er könne sich ja auch eine Jause von zu Hause mitnehmen. DI Elmar Völkl sagte, es entstünde der Eindruck, dass das Gericht die Verkürzung der Mittagspause bei strittigen Verhandlungsthemen als Sanktion gegen die Verteidigung nutze.
Die Richterin Sonja Arleth habe schon öfters den Angeklagten ihr Fragerecht genommen, mit der Begründung nur „offene Fragen“ zu stellen. Dies sei aber nirgends so geregelt; Elmar Völkl forderte das Gericht auf mittels der Strafprozessordnung belegen, dass nur sogenannte „offene Fragen“ zulässig seien. Es seien nur Fragen zulässig, antwortete die Richterin, die verständlich seien, keine Wiederholungen enthielten und nicht irrelevant seien. Suggestivfragen seien als solche zu bezeichnen.

DI Elmar Völkl erklärte dann, dass auch eine Richterin Pflichten habe:
Laut § 52 der Geschäftsordnung der Gerichte müsse sie zu den Angeklagten und den VerteidigerInnen freundlich und konstruktiv sein.
Laut § 252 (1) 2 der Strafprozessordnung dürfe sie keine Zeugenaussagen vollständig verlesen, wie das hier laufend geschähe. Sie dürfe nur bei deutlichen Widersprüchen zu einer früheren Aussage diesen Teil den ZeugInnen vorhalten.
Dazu sagte die Richterin, sie müsse dem Angeklagten nicht die Bestimmungen der Strafprozessordnung erläutern. DI Elmar Völkl sagte dazu, dass seine jetzige Aussage als Rüge der Richterin im Protokoll festgehalten werden solle.

Dann meinte DI Elmar Völkl, dass das Wort „Sau“ von TierrechtsaktivistInnen niemals als Schimpfwort verwendet würde, also könne die gerufene Beschimpfung „Drecksau“ an eine Pelzträgerin auf der Mariahilferstraße unmöglich von TierrechtlerInnen stammen.

Die heutige Aussage des jagdlichen Geschäftsführers Dr. Peter Lebersorger, dass der Buttersäureanschalg auf das Büro des nö. Landesjagdverbandes eine „Retourkutsche“ für mangelnde Medienpräsenz einer Tierschutzdemonstration sei, halte er für lächerlich und nicht nachvollziehbar.

Zu den umgeschnittenen Hochständen bemerkte DI Elmar Völkl, dass die Zerstörung nicht nach der Abbauanleitung der Jagdzeitschrift „Weidwerk“ erfolgt sei. (Bei den Hausdurchsuchungen wurden mehrere Ausgaben der Zeitschrift Weidwerk gefunden.)

DI Elmar Völkl zeigte sich über die jägerische Doppelmoral verwundert: Im Umschneiden eines Hochstandes würden sie aufgrund der verrostenden Eisennägel ein Umweltproblem sehen, aber die tonnenweise Verteilung von giftigem Bleischrot in der Landschaft sei keines.

Zum Vorfall vor Kleider Bauer meinte DI Elmar Völkl, dass die Dekorateurin Bogdanova – hätte sie wirklich Angst gehabt – wohl am ehesten in ihr Geschäft zurück gegangen wäre, was ihr jederzeit als einfachste Lösung möglich war.

Tag 52 – 29.09.2010:
Kleiderbauer Sekretöse 2: Sheriban Akyapu
Beweisanträge

Der heutige Verhandlungstag war eigentlich für Beweisanträge der Verteidigung vorgesehen. Eine Zeugin der letzten Tage ist aber aus Zeitmangel nicht mehr vernommen worden und so wurde Frau SheribanAkyapu heute eingeschoben. Sie war die Sekretärin eines der Geschäftsführers von Kleider Bauer. Sie konnte sich mehr oder weniger an nichts erinnern, betonte aber, dass sie sich vor den TierschützerInnen nicht gefürchtet habe.

Der Rest des Tages bestand aus zahlreichen Beweisanträgen, insbesondere von DDr. Balluch. Die Richterin Sonja Arleth verhielt sich dabei sehr destruktiv und war offenbar verärgert, dass die Angeklagten ihre Rechte ausnutzen um ihre Unschuld zu beweisen. Entgegen der üblichen Vorgangsweise wurden die Dokumente auf die sich DDr. Balluch bei seinen Beweisanträgen bezog, nicht an die Wand projiziert. Selbst die Emails aus dem Akt, auf die er sich beziehen wollte, ließ die Richterin nicht vorlegen. Stattdessen sagte sie, er solle alle mit Datum nennen und sie werde dann die Emails anschauen um festzustellen, ob sie zugelassen werden. In einem anderen Fall wollte DDr. Balluch zu einem Vorhalt Stellung nehmen, die die Richterin ihm vor Monaten überraschend vorgelegt hatte. Die Richterin meinte jetzt, sie könne sich nicht erinnern, und verhinderte somit, das damals von ihr vorgelegte Dokument den Angeklagten zur Stellungnahme vorzulegen.

Problematisch dabei ist, dass etwaige Berufungsgerichte nur auf das Protokoll Bezug nehmen können. Vor Gericht, so betont die Richterin immer, herrsche das Mündlichkeitsprinzip. Nur was mündlich vorgebracht werde, komme auch in das Protokoll und könne dadurch für die Urteilsbegründung und eine Berufung relevant sein. Wenn die Richterin aber keine Vorlagen zulässt und diese nicht in den Akt aufnimmt, wenn sie sich weigert, die von ihr vorgelegten Vorhaltungen noch einmal ansprechen zu lassen, dann ist es der Verteidigung nicht möglich, ihre Argumente in das Verfahren einzubringen.

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Hier wieder eine Zusammenfassung meiner Stellungnahme zum heutigen Verhandlungstag:

DI Elmar Völkl monierte, dass die Mittagspause oft zur Strafe zu spät und zu kurz angelegt werde. Kaum aber würden die Angeklagten Beweisanträge stellen, werde – wie heute – absichtlich eine viel zu lange Mittagspause eingelegt, um diese Anträge zu verhindern oder sie zeitlich zu begrenzen. Die Richterin Sonja Arleth sagte dazu, sie verbitte sich diese Vorwürfe.

Elmar Völkl sagte, es sei fragwürdig, dass die Akteneinsicht verhindert werde. Insbesondere wurde heute eine Angeklagter zu einem Kalender befragt, in den er seit 21. Mai 2008, also seit mehr als 2 ½ Jahren, noch immer keine Einsicht nehmen konnte. Die Richterin meinte, die Angeklagten sollten damit aufhören, Dreck auf die Richterin und den Staatsanwalt zu schleudern. Sie verwehre sich gegen solche Vorwürfe. Es sei ihm ein Bedürfnis, diese Fakten ins Protokoll zu bekommen, meinte DI Völkl. Das stehe ihm aber nicht zu, warf die Richterin ein.

Elmar Völkl fragte, warum die Richterin DDr. Balluch gefragt habe, ob seine Beweisanträge, also die Ausübung seiner Rechte, mit den AnwältInnen abgesprochen seien. Damit würden suggeriert, die Anträge der Angeklagten seien ohnehin nicht Ernst zu nehmen. Das sei lediglich sein subjektiver Eindruck, sagte die Richterin Sonja Arleth. Er solle jetzt entweder einen Antrag stellen oder ihm werde das Wort entzogen.

Elmar Völkl las dann eine Liste von 30 ZeugInnen vor, die zum Beweis dafür einvernommen werden sollten, dass er keine strafbaren Handlungen durch Weiterleiten eines Aufrufs für einen Aktionstag gegen die Jagd unterstützen wollte.

Weiterer 25 ZeugInnen rief DI Elmar Völkl auf, die beweisen sollen, dass er nicht EDV-Experte einer kriminellen Organisation sei.

Weitere 30 ZeugInnen rief DI Elmar Völkl zum Beweis dafür auf, dass (s)eine Beteiligung am Fadinger-Forum weder kriminelle Motivationen noch Auswirkungen habe.

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