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Warum ist es eigentlich kein Skandal …
wenn ein Staatsanwalt lügt?
wenn das Innenministerium lügt?
wenn die Polizei lügt, Fakten verfälscht, eine Untersuchungsrichterin falsch informiert, entlastendes Beweismaterial zurückhält und das Recht der Beschuldigten auf Akteneinsicht verletzt?
Alles Obige ist auf Basis der vorliegenden Dokumente belegt – sonst könnte man es auch nicht veröffentlichen. Kurz zur Erinnerung einige Beispiele:
1. Lüge: Der Staatsanwalt lügt
Am 10. April 2008 schrieb Staatsanwalt Mag. Wolfgang Handler in einer Anordnung zur Peilsenderüberwachung des Autos von DDr. Balluch wörtlich: „Offensichtlich fahren die Täter, darunter DDr. Martin Balluch, mögliche Anschlagsziele ab, um Erkenntnisse über die gegenständlichen Objekte zu gewinnen“. Dieser Eintrag findet sich im Akt unter der Ordnungsnummer 267 auf Seite 3. Die Polizei hat bis heute die Ergebnisse dieser 4 monatigen Peilsenderobservation nicht vorgelegt. Auf Befragung im Prozess haben die führenden Mitglieder der SOKO aber einhellig gesagt, dass die Peilsenderdaten von DDr. Balluchs Auto kein verdächtiges Verhalten von DDr. Balluch gezeigt haben.
2. Lüge: Das Innenministerium lügt
In einer Presseaussendung des Innenministeriums vom 4. 9. 2008 steht wörtlich: „Folgende Ermittlungsergebnisse müssen der verdächtigen Tätergruppe zugeordnet werden: 9 Brandstiftungen [… und zahlreiche Sachbeschädigungen]“. Insgesamt führt das Ministerium in dieser Liste von Straftaten, die den Beschuldigten zugeordnet werden „müssen“, 62 Straftaten an. Bei der Befragung vor Gericht gab die Leitung der Sonderkommission einhellig an, dass in keiner Phase der Ermittlungen diese Straftaten den Beschuldigten zugeordnet wurden, und schon gar nicht zugeordnet werden mussten. Diese Straftaten sind auch nicht angeklagt.
3. Lüge: Die Sonderkommission lügt
Weder im vorliegenden Akt noch in der Einvernahme hat die Sonderkommission zugegeben, dass ein Polizeispitzel bei den als „Rekrutierung“ von Mitgliedern einer kriminellen Organisation oder als Verbreitung von einer entsprechenden Ideologie inkriminierten Veranstaltungen dabei war. Mittlerweile ist aber durch intern übermittelte Observationsprotokolle belegbar, dass ein Polizeispitzel 16 Monate lang im Verein Gegen Tierfabriken eingeschleust war und diese Veranstaltungen besucht hatte.
4. Lüge: Die Sonderkommission verfälscht Fakten
Laut erstem Polizeibericht vom 14. November 2007 zum Brand einer Jagdhütte bei Zurndorf im Burgenland, wurde dieser Brand von einem Polizisten am 11. November 2007 um 19 Uhr entdeckt und entsprechend wird „Vorfallszeit: 11. 11. 2007 11.00 Uhr – 11. 11. 2007 19.00 Uhr“ angegeben (siehe Ordnungsnummer 227). Als die Sonderkommission die Ermittlung übernahm, wusste sie durch die Telefonüberwachung, dass DDr. Balluch am 13. 11. 2007 (also 2 Tage später) um 11 Uhr im selben Jagdgebiet war. In ihrem Bericht vom 8. März 2008 (also 4 Monate später) zu dem Vorfall (Ordnungsnummer 244) steht dann plötzlich „Tatzeit 11. 11. 2007 19.09 Uhr – 13. 11. 2007 13.40 Uhr“. Dadurch war DDr. Balluch jetzt innerhalb der Tatzeit am Tatort und damit verdächtig.
5. Lüge(n): Die Sonderkommission informierte die Untersuchungsrichterin falsch
Laut Protokoll vom 5. Juni 2008 (Ordnungsnummer 1a, Seite 256) sprach der operative Leiter der Sonderkommission mit der zuständigen Untersuchungsrichterin vor der ersten Haftverhandlung persönlich. Er führte dabei 11 Verdachtsmomente gegen die Beschuldigten an, die für deren Untersuchungshaft sprechen sollten. Alle 11 angeführten Punkte sind falsch. Z.B. behauptete er, bei „fast allen“ der 10 Untersuchungshäftlinge seien „Tarnanzüge, Sturmmützen und Einwegspritzen, wie sie für Buttersäureanschläge verwendet werden“, sichergestellt worden. Faktum ist, laut Listen der beschlagnahmten Gegenstände, dass bei keinem einzigen der U-Häftlinge Tarnanzüge, Sturmmützen und Einwegspritzen gefunden worden sind. Nur einer der 10 hatte einen Tarnanzug (military look) und Sturmmützen zu Hause, und 5 andere, die als TierpflegerInnen arbeiteten, hatten Einwegspritzen. 4 der 10 hatten weder noch.
6. Lüge: Die Sonderkommission hielt entlastendes Beweismaterial zurück
Am 4. Jänner 2010 erstellte die Sonderkommission einen Abschlussbericht zu einer Brandstiftung gegen eine leere Hühnermasthalle aus dem Jahr 2000 (findet sich unter Aktenzahl 1546 zur Ordnungsnummer 1638 im Akt). In diesem Bericht werden jene Indizien aufgelistet, die nach Meinung der Sonderkommission DDr. Balluch als tatverdächtig darstellen. Nicht erwähnt wird in diesem Bericht, dass DDr. Balluch ein handfestes Alibi für diesen Tatzeitpunkt hatte. Das Alibi war der Sonderkommission aber seit langem bekannt, sie hatte nicht nur das Schitourenbuch von DDr. Balluch beschlagnahmt, aus dem das Alibi abzulesen war, es gab auch eine Aussage von DDr. Balluch und einen Beweisantrag seines Anwalts mit Vorlage von Beweisen und Zeugenaussagen. Die Sonderkommission hatte aber diese Beweisaufnahme verweigert und die Darlegung der entlastenden Fakten in ihrem Bericht unterlassen.
7. Lüge: Die Sonderkommission verletzte das Recht auf Akteneinsicht der Beschuldigten
Von Bekanntwerden der Ermittlungen an haben die Beschuldigten Anträge auf Akteneinsicht bei der Sonderkommission gestellt, doch dem wurde nie entsprochen. Am 24. Februar 2009 und am 14. Oktober 2010 verurteilten RichterInnen des Landesgerichts Wr. Neustadt die Sonderkommission, das Recht auf Akteneinsicht der Beschuldigten verletzt zu haben. Dennoch haben die Beschuldigten bis heute keine Akteneinsicht bei der Kriminalpolizei.
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Was hier angeführt wurde sind nur einige wenige Beispiele, die Spitze des Eisbergs. Aus den Akten ließen sich mit einigem Aufwand zahlreiche solche Stellen finden. Unabhängige BeobachterInnen wundern sich, wieso diese Fakten, die doch, nach den wiederholten Presseaussendungen und öffentlichen Auftritten der Beschuldigten, der Bevölkerung oder zumindest den Medien bekannt sein müssen, nicht zu einem Aufschrei führen. Warum ist das eigentlich kein Skandal, wenn ein Staatsanwalt lügt …?