tierrechtsprozess
Stimmungsbilder aus dem laufenden Prozess gegen die Tierrechtsbewegung in Österreich
Tage 40 bis 46: Kleiderbauer, Nerzbefreiung, Verschlüsselung, Tierversuche und Handymasten
Categories: der Prozess

Tag 40 – 29.07.2010:

Werner Graf: Einvernahme des zweiten Kleiderbauer-Chefs

Am heutigen Tag wurde Werner Graf, der zweite Geschäftsführer von Kleiderbauer, einvernommen. Der erste der beiden Geschäftsführer ist nach 1 ½ Vernehmungstagen noch immer nicht fertig geworden und auch der zweite wird nach diesem Tag noch einmal kommen müssen. Die Firma Kleiderbauer spielt eben eine zentrale Rolle in diesem Prozess.

Der Tag verlief ohne besondere Überraschungen. Die Richterin Mag. Sonja Arleth ließ weiterhin sehr wenige Fragen der Verteidigung zu, insbesondere zur finanziellen Entwicklungen der Firma. Doch gerade zu diesen Themen hat der Zeuge einige Dinge gesagt, die den Ausgang des Verfahrens beeinflussen könnten. Auf die direkte Frage des Staatsanwalts Mag. Wolfgang Handler, ob die Firma Kleiderbauer, wenn die Kampagne weitergegangen wäre, in wirtschaftliche Turbulenzen hätte kommen können, sagte der Geschäftsführer ganz klar und deutlich: „Nein“. Damit ist aber die Anklage wegen § 106 schwere Nötigung durch die Kampagne sehr fragwürdig geworden, weil die schwere Nötigung eine Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz voraussetzt. Und kriminelle Organisationen gem. §278a StGB müssen schwere Straftaten also schwere Nötigungen begehen, und nicht nur normale Nötigungen nach § 105 StGB. Unabhängige BeobachterInnen des Prozesses werteten diese Aussage als einen großen Rückschlag für die Anklage.

Dann gab es noch zwei weitere bemerkenswerte Aussagen des Zeugen:
Die Verteidigung hatte bereits bei der ersten Befragung des einen Geschäftsführers kritisch hinterfragt, warum eine Sachbeschädigung mit Buttersäure so wahnsinnig viel größeren Schaden verursacht haben soll, als alle anderen derartigen Sachbeschädigungen mit Buttersäure zusammen. Es hatte auch ein Verfahren der Versicherung gegen die Firma Kleiderbauer in dieser Frage gegeben, die den genannten Schaden nicht bezahlen wollte. Die Geschäftsführung von Kleiderbauer hatte zunächst etwa € 480.000,– Schaden bei der Polizei bekannt gegeben und dann die Versicherung für einen um etwa € 100.000,– geringeren Schaden geklagt. Der erste Geschäftsführer Peter Graf hatte bei seiner letzten Einvernahme erklärt, man habe sich mit der Versicherung auf eine Zahlung von etwa € 257.000,– geeinigt. Doch der heutige Zeuge, Werner Graf, seines Zeichens Geschäftsführer Nummer zwei, gab an, dass diese Summe nicht nur diesen einen Schaden, sondern alle noch ausstehenden Schäden und andere – nicht verfahrensrelevante – Streitfälle mit der Versicherung abdecken sollte. Fünf Schadensfälle, die auch mit dieser Vergleichszahlung ausgeglichen wurden, hätten aber nichts mit Straftaten von mutmaßlichen TierschützerInnen zu tun.
Das wirft natürlich ein ganz anderes Licht auf die bisherigen Annahmen zur tatsächlichen Schadenshöhe des Buttersäureanschlags Kleiderbauer Graz Murgasse.

Und es gab eine weitere bemerkenswerte Situation bei der heutigen Befragung:
Der zweite Geschäftsführer Werner Graf erklärte, die Firma Kleiderbauer habe einen Sachschaden, bei dem „Pelz = Mord“ in eine Glastür geätzt worden war, als Einbruchsdiebstahl der Versicherung aber als Vandalismus der Polizei gemeldet. Der Geschäftsführer gab auch zu, dass bei Einbruchsdiebstahl ein viel niedrigerer Selbstbehalt im Versicherungsfall von etwa € 1.800, während bei Vandalismus ein viel höherer Selbstbehalt im Versicherungsfall von etwa € 12.700 veranschlagt werde. Der Staatsanwalt Mag. Wolfgang Handler zeigte keinerlei Regung diese Aussagen der Zeugen Graf etwa als Versicherungsbetrug strafrechtlich zu verfolgen. Schon vorher hatte der Besitzer des Pelzhaus Gnädig, Michael Gnädig, ähnliches zugegeben und der einzige Tierschützerzeuge der Anklage, Dr. Franz-Joseph Plank, hatte seine Teilnahme an einer Nerzbefreiung zugegeben, die bisher einem der Beschuldigten vorgeworfen wurde. Und trotzdem wurden beide nicht von der Staatsanwaltschaft belangt.

Die Fragen der Verteidigung konnten heute nicht mehr vollständig gestellt werden, daher wird auch der Zeuge Werner Graf noch ein zweites mal geladen.

Tag 41 – 01.09.2010:

TIERBEFREIUNG oder TIERQUÄLEREI? Zweiter Akt:
Univ.Prof. Dr. Klaus Hackländer, Vorstand des Instituts für Wildbiologie und Jagdwirtschaft an der BOKU Wien

Rechtspraktikantin zur Gesprächsüberwachung während der Untersuchungshaft

Im Zentrum des heutigen Tages stand die Präsentation eines Gutachtens über das Leid von Nerzen bei der Befreiung aus einer Pelzfarm im Jahr 1997. Zwar war bisher niemand der Beschuldigten wegen Tierquälerei in Bezug auf die Nerzbefreiung angeklagt, aber die Richterin Sonja Arleth wollte dennoch einen Sachverständigen dazu hören, um dem Staatsanwalt Wolfgang Handler die Möglichkeit der Ausweitung der Anklage um Tierquälerei zu bieten. Nach der heutigen Präsentation wird das wahrscheinlich geschehen.

Dem Sachverständigen, Dr. Klaus Hackländer vom Institut für Wildbiologie und Jagdwirtschaft an der Universität für Bodenkultur in Wien, war im Vorfeld von der Verteidigung Befangenheit vorgeworfen worden. Er habe dem betroffenen Angeklagten, Jürgen Faulmann, sogar ein aggressives Schreiduell geliefert. Der entsprechende Befangenheitsantrag war aber sowohl von der Richterin als auch vom Oberlandesgericht (OLG) Wien als Berufungsinstanz abgelehnt worden. Beim OLG entschied seltsamer Weise derselbe Richtersenat wie in der Vorverhandlung, was normalerweise nicht zulässig ist. In seiner Entscheidung ging das OLG auf den Vorhalt, dass es dieses Schreiduelle gegeben habe, gar nicht ein.

Der Sachverständige, Klaus Hackländer, sah es als gegeben an, dass die amerikanischen Minks bei der Befreiung langanhaltend gelitten hätten. Allerdings gab es eine Reihe von Unstimmigkeiten in dieser Schlussfolgerung, die in der Befragung sehr gut herausgearbeitet wurden. Dr. Klaus Hackländer zitierte für seine wissenschaftlichen Quellen nur eine einzige wissenschaftliche Publikation über freigelassene Nerze, die aber teilweise ganz konträre Ergebnisse geliefert hatte, als die Angaben in seinem Gutachten. So meinte Dr. Hackländer z.B., dass die Farmnerze einen domestizierten Phänotypus zeigen würden, der ihnen die Anpassung an das Leben in der Wildnis erschwere, während die genannte Publikation, auf die er sich berief, davon sprach, dass auch noch so viele Generationen in Gefangenschaft diese Anpassungsfähigkeit bisher nicht erschwert hätten. Weiter mutmaßte Dr. Klaus Hackländer auf Basis seiner Erfahrungen mit Kaninchen, dass 80-90 % der befreiten Nerze gestorben sein müssten, obwohl die von ihm zitierte einzige Studie zu diesem Thema von nur 50% Todesrate sprach. Der Gutachter, Dr. Klaus Hackländer, sagte von sich aus, dass die Todesrate selbst bei in der Freiheit geborenen Tieren in der Altersklasse zur Zeit der Befreiung 1997 etwa 50% sei. Wenn er also die von ihm selbst zitierte Studie ernst genommen hätte, wäre er zu dem Ergebnis gekommen, dass die Todesrate der befreiten Nerze nicht signifikant über der Todesrate gleichaltriger freilebender Nerze gelegen ist. Und zuletzt stellte sich in der Befragung durch die Angeklagten heraus, dass 1/3 der Todesursachen für die Nerze in der wissenschaftlichen Studie auf Menschen zurückzuführen war. Dazu sagte der Sachverständige, Menschen müsse man eben auch als Beutegreifer sehen.

Der Sachverständige, Dr. Klaus Hackländer, ging auch nicht darauf ein, ob das vorsichtige Aussetzen der Nerze am nächsten Tag an einem ganz anderen Ort, wie es offenbar bei dieser Befreiung geschehen ist, etwas an der Todesrate der Nerze geändert habe. Dann sprach er von der Unmöglichkeit, Leid wissenschaftlich zu fassen und meinte, man könne nur Stress messen. Stress ist aber bei diesem einzigen wissenschaftlichen Projekt zur Nerzbefreiung nicht untersucht worden. Dr. Klaus Hackländer erklärte, dass bewiesen sei, dass zumindest einige der Minks die damalige Befreiung im Waldviertel überlebt haben mussten, weil es bis heute in der Region eine Nerzpopulation gibt. Dann sagte er aber, dass selbst jene Nerze, die überlebt und sich fortgepflanzt haben, es schlechter gehabt hätten, als jene Nerze, die zu zweit in den 30 cm x 90 cm großen nackten Drahtgitterkäfigen zurückgeblieben waren. Letztere hätten eine bessere Lebensqualität in ihren Käfigen genossen als die freilebenden Artgenossen! Es sei nur eine menschliche Wertvorstellung, dass die Nerze nicht in solchen Käfigen leben sollten, was zum Pelzfarmverbot geführt habe. Für Nerze, die im Käfig geboren wurden, sei der Stress und damit das Leid im reizarmen Käfig geringer als im Leben in der Freiheit, so Universitätsprofessor Klaus Hackländer.

Danach sollte ein Kellner als Augenzeuge einer Sachbeschädigung beim Kleiderbauer Meidlinger Hauptstraße erscheinen. Dieser hatte seinen ersten Ladungstermin bereits ignoriert und erschien auch heute nicht. Trotz der Verpflichtung gerichtlichen Ladungen Folge zu leisten verzichteten die Richterin und der Staatsanwalt freiwillig auf den Zeugen. Die Verteidigung schloss sich an.

Danach wurde jene Rechtspraktikantin in den ZeugInnenstand gerufen, die während eines von ihr überwachten Gesprächs des damals in U-Haft befindlichen Drittbeschuldigten Jürgen Faulmann mit einer Besucherin einen Amtsvermekr verfasst hatte. Aus diesem ergab sich, dass Jürgen Faulmann der Besucherin mitgeteilt haben soll, dass sich auf dem Dachboden seines (im übrigen hausdurchsuchten) Hauses ein Computer mit belastendem Material befunden haben soll. Nach Rückfrage der Verteidigung ergab sich aber sehr schnell, dass dies keine wortgetreue Protokollierung, sondern nur ein Mißverständnis gewesen war, denn der besagte Computer wurde bereits am ersten Tag der U-Haft im Rahmen der Hausdurchsuchungen beschlagnahmt. Darauf wurde durch die auswertenden BeamtInnen nichts verfahrensrelevantes gefunden.

Tag 42 – 02.09.2010:

Fortsetzung der Befragung des gerichtlich beeideten IT-Sachverständigen Dr. Christian Lürzer zu EDV- und Verschlüsselungs-Fragen

EDV-Experte der Polizei“: Inspektor Friedrich Breitsching

Wie die meisten anderen Angeklagten sitze auch ich, als mutmaßlicher „EDV-Experte der kriminellen Organisation A.L.F. (Animal Liberation Front)“, die allermeiste Zeit sinnlos im Verhandlungssaal herum. Denn: Die allermeisten Verhandlungsgegenstände haben nichts mit den Angeklagten zu tun oder es handelt sich um legale Aktivitäten wie Demonstrationen etc, die gerade kriminalisiert werden.
Immerhin standen heute meine – durchwegs legalen – Aktivitäten im Fokus der – haha – „Wahrheitsfindung“ der Richterin Sonja Arleth: Denn meine freundschaftlichen und ehrenamtlichen Hilfestellungen bei Computerproblemen – vom Kabelanstecken im VGT-Büro bis hin zu Verschlüsselungsfragen – wurden herangezogen um das Tatbestandsmerkmal „Arbeitsteiligkeit“ gemäß §278a StGB (Kriminelle Organisation) zu erfüllen.
Freilich liegt es in der Natur der Sache, dass Verschlüsselungsmaßnahmen neben vielfältigen legalen Motiven auch für tatsächlich kriminelle und strafrechtlich relevante Zwecke verwendet werden kann. Das kann weder von den einschlägigen Software-EntwicklerInnen, dem Handel noch den SystemadminstratorInnen je ausgeschlossen werden.
Mir wird in diesem skurrilen Prozess jedoch eine rechtlich fragwürdige und nahezu unmögliche Aufgabe gestellt:
Entgegen dem Rechtsgrundsatz der Unschuldsvermutung §8 StPO, wonach einer angeklagten Person ihre Schuld nachgewiesen werden und sie nicht ihre Unschuld beweisen muss, muss ich mich augenscheinlich „freibeweisen“: Die Richterin Sonja Arleth schert sich nicht um meine – mit Sachbeweisen bereits wohlbegründete – Verantwortung, dass Datenschutz und -verschlüsselung sozial adäquat sind: Aus Bürgerrechts- und Datenschutzgründen werden die meisten Verschlüsselungsmaßnahmen von Privatpersonen und Institionen gesetzt. Bei NGOs und investigativ arbeitenden JournalistInnen kommt noch ein weiterer Grund hinzu: Der Schutz von Informanten. Im Fall der gegenständlich inkriminierten TierrechtsaktivistInnen mache ich darüber hinaus noch einen zusätzlichen Grund geltend: Der Schutz vor Verhinderung medienwirksamer Aktionen zivilen Ungehorsams. Wie aus den jahrelang überwachten und dem Gericht offen vorliegenden Fadingermails hervorgeht, wurde von mir mehrmals zur Verschlüsselung aufgefordert. Jedes mal ist aus dem Kontext des Emailverkehrs der Grund erkennbar. Freilich wurden von der Polizei (CI Bettina Bogner, AI Herbert Landauf, Insp. Josef Böck) und vom Staatsanwalt (Wolfgang Handler) lediglich meine Aufforderungen zur Verschlüsselung in den Abschlussberichten und dem Strafantrag erwähnt – ohne den dazugehörigen Kontext.

Aufgrund dieser rechtlichen Schieflage, muss ich mich freuen, wenn ein IT-Sachverständiger (Dr. Christian Lürzer) zur Befragung zu seinem Gutachten zum Thema Verschlüsselung geladen wird. Dieser kann den mich inkriminierenden Vorwurf „Verschlüsselung“ wieder objektivieren. Ebenso muss ich mich freuen wenn der mit der Datenauswertung beauftragte Inspektor Friedrich Breitsching der SOKO gegen den Tierschutz geladen wird. Ihn kann ich fragen, welche Hinweise auf eine kriminelle Intention der Verschlüsselungen er in den beschlagnehmten Datenmengen (mehrere Terabyte) gefunden hat.

Am heutigen Prozesstag waren die Computer der Angeklagten und ihre Verschlüsselungen das Hauptthema. Ein Sachverständiger, Dr. Christian Lürzer, und ein forensischer Computerexperte der SOKO gegen den Tierschutz, Insp. Friedrich Breitsching, beantworteten die Fragen der Richterin und der Verteidigung. Dabei fiel wieder sehr deutlich auf, dass die Verschlüsselung von Computern ganz grundsätzlich als sehr verdächtig eingestuft wurde. Der Sachverständige meinte jedoch, Computerverschlüsselung gebe es immerhin bei etwa jedem fünften Wirtschaftsbetrieb und seltener im Privatbereich. Der SOKO-Computerexperte gab allerdings an, dass er noch nie in seiner Arbeit so viele verschlüsselte Computer zur Analyse bekommen hätte.

Die Polizei konnte die GPG– und TrueCrypt-verschlüsselungen nicht knacken. Allerdings wurde die EFS-Verschlüsselung (MS Windows) geknackt. Und es gelang der Polizei im elektronischen Mistkübel nicht vollständig gelöschte Dateien in nicht verschlüsselter Form zu finden, die eigentlich verschlüsselt waren. Offenbar hatten die UserInnen die unverschlüsselten Versionen einfach gelöscht, ohne sie sicher zu entfernen. Allerdings stellte sich dabei heraus, dass die verschlüsselten Emails und Files keine für das Verfahren relevanten Daten enthalten hatten. Lediglich ein Brief des Erstangeklagten DDr. Martin Balluch an seinen Vater handelte von wilden Tierschutzdemonstrationen im Jahr 1995 in England, in deren Verlauf es auch zu Sachbeschädigungen gekommen sein soll. Ein englischer Demonstrant hätte einen Gartenschlauch in das leerstehende Haus eines Vivisektors gehängt und es volllaufen lassen.

Der SOKO-Computerexperte Friedrich Breitsching präsentierte auch Daten von einem 2GB USB-Stick „Samsung“ der bei der Hausdurchsuchung des Sechstangeklagten (Basisgruppe Tierrechte) gefunden wurde. Demnach sei es wahrscheinlich, dass der Sechstangeklagte auf diesem Stick mittels dem Browser „TorPark“ ein BekennerInnenschreiben „komponiert“ und verschickt habe. Allerdings fand sich das BekennerInnenschreiben im letztendlich veröffentlichten Wortlaut nicht auf dem Stick. Ob der Sechstangeklagte während der fraglichen Sitzung der Benutzer des USB-Sticks gewesen war, konnte ebenso wenig festgestellt werden. Auch ging aus den wiederhergestellten Daten nicht eindeutig hervor, welche Website zum Versenden benutzt und welcher Textinhalt tatsächlich versandt wurde. Schließlich sei von der beliebig einstellbaren Systemzeit des damals benutzten Computers nicht mit Sicherheit festzustellen, ob die Manipulationen des BekennerInnenschreibens vor oder nach der Veröffentlichung des BekennerInnenschreibens durchgeführt wurden.

Ansonsten hatte der SOKO-Computerexperte Insp. Breitsching noch eine englischsprachige, internationale Email-Liste entdeckt, auf der sich neben drei Angeklagten noch 140 weitere Personen aus der ganzen Welt befunden haben sollen.

Alle Details des Frage- und Antwortspiels am 42. Verhandlungstag finden sich (wie sonst auch) auf:
http://tierschutzprozess.at/tierschutzprozess-42-tag/

Hier noch meine Stellungnahme zum Sachverständigen Dr. Christian Lürzer und dem polizeilichen EDV-Experten Insp. Friedrich Breitsching, eingeleitet von einer Anspielung auf die Anspielung der Richterin Arleth, dass der Erstangeklagte Martin Balluch vielleicht jene Person war, die einen Gartenschlauch in das Haus eines Vivisektors gehängt hätte und ob Martin Balluch – wie Joschka Fischer – vielleicht Minister werden möchte:

Mir wird zwar nicht vorgeworfen einen Gartenschlauch in ein Gartenhaus gehängt zu haben oder überhaupt sonstige Sachbeschädigungen versucht zu haben, trotzdem möchte auch ich gerne Minister werden; nämlich Datenschutzminister. Stellungnahme zum IT-Sachverständigen Dr. Christian Lürzer: Die bei den Angeklagten vorgefundenen Programme sind lt. Gutachten und Aussagen des SV frei erhältlich, leicht zu installieren und anzuwenden. Diese Datenschutzprogramme wie sie auch von Unternehmen, Behörden und Organisationen wie – um nur ein Beispiel zu nennen – „amnesty international“ – verwendet. Und im Tierschutz aus genau denselben Gründen wie bei „amnesty international“, nämlich aus Datenschutzgründen. Ich verweise in diesem Zusammenhang auch auf meinen Beweisantrag eines youTube-Videos in dem der Generalsekretär von amnesty inerantional Dr. Heinz Patzelt erklärt, dass seine ganze Organisation mit einem verschlüsselten eMail-System arbeitet. Auch meine Verantwortung, dass Datenschutzmaßnahmen schlicht und einfach aus gesteigertem Datenschutzbewußtsein eingesetzt werden, wird nicht nur bspw. vom standardmäßig integrierten Firefox-Modus „private mode“, von serienmäßiger, ja sogar verpflichtender, BIT-Locker Hardwareverschlüsselung bei den neuesten Laptopmodellen oder der Aussage des Sachverständigen, dass Datenschutzbewußtsein stetig im Steigen begriffen ist gestützt, sondern auch durch den mit der Datenauswertung betrauten SOKO- und Polizeibeamten Insp. Friedrich Breitsching, dem Verschlüsselung nur bei Kinderpornographie und „im politischen Bereich“ bekannt ist. Das liegt schlicht und einfach wieder daran, dass gerade „im politischen Bereich“ – freilich im Gegensatz zur Kinderpornographie – eben eine gestiegerte Sensibilität für Datenschutzbelange vorhanden ist und daher entsprechende Datenschutzmaßnahmen als erstes und deutlichsten zum Vorschein kommen. Im Übrigen vermute ich, dass Inspektor Breitsching deshalb keine Verschlüsselung bei „Wirtschaftskriminellen“ gefunden hat, weil Wirtschaftskriminelle keine (ergebnislose) Diskussion über die Anschaffung eines € 180,– Programm führen, sondern sich offensichtlich auf eine derart „besondere Weise“ abschirmen, die zwar teuer und aufwändig, aber eben nicht mehr nachzuweisen ist.“

Tag 43 – 03.09.2010:

Fortsetzung der Befragung des „EDV-Experten der Polizei“: Inspektor Friedrich Breitsching

Heute wurde der SOKO-Computerexperte Inspektor Friedrich Breitsching, dessen Einvernahme am Vortag begonnen hatte, durchgeführt und abgeschlossen. Dabei ergaben sich keine aufregend neuen Erkenntnisse. Der Zeuge hatte festgestellt, dass auf einer öffentlichen Email-Liste, auf der sich auch einige der Angeklagten befunden hatten, anonym digitale Broschüren weitergeleitet worden waren, die den Bau von Brandsätzen, das Knacken von Schlössern oder überhaupt alle technischen Möglichkeiten der Rache an Personen aus persönlichen Gründen thematisierten. Wie sich herausstellte handelte es sich bei dieser Email-Liste um eine öffentlich Liste, wo jede beliebige Person ohne Akkreditierung oder Prüfung beliebige Emails veröffentlichen kann. Insbesondere auf solchen Listen kann man sich also weder die Inhalte, noch die Personen aussuchen von denen man Emails erhält.

Insp. Breitsching hatte vor allem die Computer von DDr. Martin Balluch analysiert. Dabei habe er gefunden, dass DDr. Martin Balluch auch Internetseiten angesteuert hätte, die als „radikal“ gelten würden. Insp. Breitsching hatte aber auch festgestellt, dass die Texte, die der linguistische Sachverständige DDr. Martin Balluch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zugeordnet hatte, nirgendwo auf DDr. Balluchs Computer gefunden wurden. Auf dem Computer von Dr. Plank, die sich im VGT-Büro befunden hatten, seien diese Texte aber sehr wohl gewesen. Bei einem davon, dem Pelzflugblatt, war das Datum der letzten Änderung 1994, beim anderen, dem Brief an den Landesrat, war das Datum der letzten Änderung Mai 1997. Beide Daten stammen aus einer Zeit, in der DDr. Balluch noch nicht in Österreich war und mit Dr. Plank noch keinen Kontakt hatte. Es sei daher ausgeschlossen, dass DDr. Balluch diese Texte geschrieben habe.

Das war zwar nicht neu, bestätigte aber dennoch die bisherigen Ergebnisse. Neu war aber, dass Insp. Breitsching auf DDr. Martin Balluchs Computer eine Datei mit 16 Leserbriefen gefunden hatte. Diese seien alle mit Copy und Paste sukzessive von der Online Plattform der Tageszeitung die Presse herunterkopiert worden. Das ergebe sich daraus, dass sie nicht im File geschrieben worden seien, dass sie verschiedene Fonts und Schriftarten enthielten und dass es temporäre Browserdateien gebe, die belegen würden, dass DDr. Balluch mehrmals diese Webseite angesteuert hatte. Aber auch diese Leserbriefe hatte aber der linguistische Sachverständige ebenfalls mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit DDr. Balluch zugeordnet. Also findet sich hier eine weitere eindeutige Widerlegung dieses Gutachtens Dr. Schweigers.

Ein weiteres Ergebnis, das von der Verteidigung positiv aufgenommen wurde, betraf die Frage der Kommunikation zwischen denjenigen Angeklagten, die von der Staatsanwaltschaft der BaT und dem VGT zugeordnet werden. Es stellte sich heraus, dass zwischen den beiden Gruppen praktisch keine Email-Kommunikation geherrscht hatte. Am 2. September 2010 wurde zu Telefonkontakten der beiden Gruppen ein Bericht der SOKO fertig, der im Gerichtssaal verteilt wurde und wahrscheinlich in den nächsten Wochen im Prozess thematisiert wird. Die Anzahl der Email- und Telefonkontakte zwischen VGT- und BAT-AktivistInnen 2006 bis 2008 sind an einer Hand abzählbar und betreffen nur insgesamt 3 Personen.

Der schriftliche Bericht des SOKO-Computerexperten war mit 23. Juni 2010 datiert, der neue Bericht über Telefonkontakte mit 2. September 2010, beide gezeichnet mit dem offiziellem Titel der SOKO gegen den Tierschutz, nämlich „SOKO Bekleidung“. Offenbar ist die SOKO noch immer aktiv und ermittelt weiter. Das steht im diametralen Widerspruch zu den Aussagen der SOKO-BeamtInnen, die bereits vernommen wurden, die zwar alle verschiedene Daten zur Auflösung der SOKO angegeben hatten, aber sich darüber einig waren, dass die SOKO bereits vor langer Zeit aufgelöst worden sei.

Hier wieder meine persönliche – in der Hauptverhandlung vorgetragene – Stellungnahme zum heutigen Verhandlungstag:

Zur Verschlüsselung: Verschlüsselung war entgegen den Behauptungen des Zeugen Insp. Friedrich Breitsching sicherlich kein neues Thema: Mir als angeblichen EDV-Experten einer kriminellen Organisation wird ja vorgeworfen bereits am 7.9.2003 um 09:37 Uhr ein Fadinger-Email verschickt zu haben in dem ich schon damals – vor 7 Jahren – eine Verschlüsselung der Fadingerliste gefordert habe. Warum ich diese Verschlüsselung gefordert habe, wird aus dem Kontext des Emails klar und deutlich; dies habe ich bereits bei meiner Angeklagteneinvernahme erläutert: Durch Polizeibespitzelung und polizeiliches Mitlesen von Fadinger-Emails wurde eine medienwirksame Demonstration bei einem Schweinebauern verhindert. Da NGOs aber auf solche spektakulären Aktionen angewiesen sind, habe ich in diesem Zusammenhang eine Verschlüsselung der Emailkommunikation gefordert. Offensichtlich ist es gelungen die “EFS-Verschlüsselung” des Windows-Rechners David Richter’s zu knacken. Das verwundert nicht, zumal bereits der IT-Sachverständige Dr. Christian Lürzer angab, dass EFS einfach durch admin-Rechte übergangen werden kann. Daher liegt es nahe, dass die einzige mir zugeordnete Verschlüsselung auf dem einzigen PC der mir zugeordnet wurde – mein EFS-verschlüsselter Arbeitsplatzrechner auf der TU-Wien – ebenso geknackt wurde. Dieser Schluss wird gestützt durch die aktenkundige Auflistung von mir zugeordneten Dateien aus dem eigentlich verschlüsselten Bereich. Jedenfalls gab es offensichtlich auch bei mir – wie bei DR – keine strafrechtsrelevanten Inhalte die einer Erwähnung wert befunden wurden. Zum USB-Stick SAMSUNG 2GB der bei der Hausdurchsuchung eines Angeklagten gefunden wurde: Der Zeuge Inspektor Friedrich Breitsching konnte keine schlüssige Kausalkette von den Fragmenten eines BekennerInnenschreiben zur Urheberschaft des Sechstangeklagten nachweisen: Die Zeitmarken der Dateifragmente beziehen sich auf eine Systemzeit eines unbekannten Computers, die naturgemäß frei einstellbar ist und daher nichts mit der wahren Zeit zu tun haben muss. Darüberhinaus gibt es beim vermutlich relevantesten Dateifragment “Fundstelle 4” – einer mutmaßlichen Sendebestätigung – überhaupt KEINE Zeitmarke. Auch die Vermutungen des Zeugen Inspektor Breitsching, dass die BekennerInnenschreibenfragmente überhaupt mit dem von ihm genannten Remailer “http://gilc.org/speech/anonymous/remailer.html” versandt wurden, halten keiner genauen Überprüfung stand: Weder die in den “Sessionstore“-Dateifragmenten angegebenen URLs, noch die dort gefundenen Formularfeldnamen lassen den Schluss auf das Versenden einer email mit “gilc.org” zu. Im Gegenteil: Für mich sieht es zwar so aus, als ob die unbekannte Person die den USB-Stick benutzt hat, tatsächlich eine email versandt hat, aber nicht das BekennerInnenschreiben und auch nicht mit “gilc.org“. Der Zeuge Inspektor Breitsching konnte auch nicht ausschließen, dass das gegenständliche BekennerInnenschreiben nicht auch VOR der Manipulation am USB-Stick publiziert war. So ist ein Download des bereits publizierten BekennerInnenschreibens nicht auszuschließen und leicht denkbar. Zu guter Letzt, bleibt naturgemäß überhaupt jener Nachweis offen, der die Benutzung des inkriminierten USB-Sticks zur inkriminierten Zeit durch Sechstangeklagten zu belegen vermag.“

Tag 44 – 06.09.2010:

Tierversuche: Novartis und das Krebsforschungsinstitut am AKH Wien

Heute ging es zunächst um die Pharmafirma Novartis. Die Pressesprecherin dieser Firma, Mag. Birgit Wandrak, wurde zeugenschaftlich einvernommen und erzählte von einer Demonstration und einer Schmiererei gegen Tierversuche. Beide Ereignisse waren nicht mit den Angeklagten in Zusammenhang zu bringen. Vielmehr handelte es sich offenbar um Personen aus Holland oder England, die diese Aktionen bei einem Besuch in Österreich durchgeführt hatten. In Österreich gab es weder eine Kampagne gegen Tierversuche, geschweige denn gegen die Firma Novartis.

Der zweite Zeuge des Tages war der Tierversuchexperimentator Prof. Dr. Wolfgang Huber, der am Institut für Krebsforschung am AKH Wien / Borschkegasse Tierversuche macht und auswertet. Deshalb sei im April 2003 sein Institut besetzt worden. An und für sich war diese Besetzung eine übliche Aktion des zivilen Ungehorsams, wenn nicht auch ein Vorfall mit Pfefferspray aufgetreten wäre. Offenbar war es im Labor zu einem Konflikt zwischen Laborangestellten und etwa vier TierrechtsaktivistInnen gekommen, im Laufe dessen ein Aktivist gewürgt wurde und eine unbekannte Person Pfefferspray eingesetzt hatte. Wer, konnte allerdings nicht geklärt werden. Der Zeuge war bei diesem Vorfall auch überhaupt nicht anwesend, konnte also nur vom Hörensagen berichten. Die Besetzung seines Büros ist durch den VGT durchgeführt worden. Die drei Besetzer waren bei dem oben genannten Konflikt nicht anwesend, sondern hatten sich im Büro eingeschlossen. Es handelte sich um den Erstangeklagten DDr. Martin Balluch, den Zweitangeklagten Mag. Felix Hnat und dem Drittangeklagten Jürgen Faulmann. Sie wurden nachher weder angeklagt noch überhaupt irgendwelcher Straftaten beschuldigt, insbesondere auch nicht des Hausfriedensbruchs. Prof. Wolfgang Huber selbst hatte auf Anraten der medizinischen Fakultät DDr. Martin Balluch und den Verein gegen Tierfabriken wegen übler Nachrede geklagt, aber alle Verfahren verloren. Das Gericht hatte damals festgestellt, dass alle Vorwürfe der Beklagten wahr seien und dass die Tierversuche des Prof. Dr. Wolfgang Huber als „offensichtlich sinnlos“ und als „Tierquälerei“ bezeichnet werden dürfen.

Tatsächlich hatte bisher Einzelrichterin Sonja Arleht genüsslich rechtskräftige Urteile den Angeklagten vorgehalten, wenn sie gegen die Angeklagten ausgegangen waren. Diesmal war es ein Genuss für die Angeklagten und die Verteidigung zu beobachten, wie Frau Arleth damit rang, diese Gerichtsurteile – die gegen „ihren“ Zeugen ausgegangen waren – zu relativieren versuchte. Der Angeklagte Jürgen Faulmann traf den Nagel auf den Kopf, als er die Richterin fragte, ob sie denn das rechtskräftige Urteil eines Gerichts nicht anerkenne. Wie oft hatte die Richterin genau diesen Satz den Angeklagten vorgehalten!

Auch der heutige Tag brachte keinen einzigen Hinweis zu Tage, dass die Angeklagten in irgendwelche Straftaten geschweige denn in eine kriminelle Organisation verwickelt sein könnten.

Hier wieder meine heute vorgetragenen Stellungnahmen zu den beiden ZeugInnen:

Zur Zeugin Mag. Wandrak: Die Zeugin Mag. Birgit Wandrak gab an, dass seit 1 1/2 Jahren (also ca. seit den Hausduchsuchungen und U-Haft gegen uns) die Zahl der Proteste gegen Tierversuche zurückgegangen sei. Das verwundert aber nicht, da – wie von der Zeugin selbst zugegeben – auch genau seit 2008 das Forschungsinstitut Brunner-Straße, an dem die hochgradig umstrittenen Primatenversuche durchgeführt wurden, geschlossen wurde. Seit 2008 gibt es überhaupt keine Tierversuche durch Novartis mehr in Österreich. Es ist naheliegend, dass deshalb die regionalen Proteste gegen Novartis Österreich zurückgegangen sind. Zum Zeugen Prof. Huber: Zur Richtigstellung: Es gibt keine “Tierrechtsethikkommission” wie von der Richterin unterstellt wurde; Es gibt – wie vom Zeugen Prof. Dr. Wolfgang Huber richtig angegeben – “Tierversuchskommissionen“: Auf die von ihm erwähnte universitätsinterne Tierversuchskommission möchte ich nicht näher eingehen, da es sich aus den Grundgesetzen des logischen Denkens ergibt, dass es keinen strukturellen Grund gibt, universitätsintern über die Anzahl von Publikationen hinausgehend auch nur in irgendeiner Weise auf tierschutzrelevante Belange Rücksicht zu nehmen. Gesetzlich relevant sind einzig die im Tierversuchsgesetz geregelten ministeriellen Tierversuchkommissionen. Dort ist in §5 TVG und §8 TVG eindeutig geregelt, dass Tierversuche immer zu genehmigen sind, wenn lediglich keine “methodischen Fehler” im experimentellen Ablauf zu erkennen sind und „ein berechtigtes Interesse an neuen wissenschaftliche Erkenntnissen zu erwarten” ist. Eine ethische Abwägung zwischen dem zu erwartenden Nutzen und dem tatsächlichen Leid der Tiere ist NICHT vorgesehen.

Tag 45 – 07.09.2010:

Wirtschaftliche Auswirkungen der Peek&Cloppenburg Antipelz-Kampagne

Zwei Novartis Run-In‘s

Der spannendste Vorfall des heutigen Prozesstages war die Vorlage eines brandneuen Berichts der SOKO gegen den Tierschutz zum Kontakt zwischen BAT und VGT. Der Strafantrag geht ja davon aus, dass diese beiden Gruppen eine gemeinsame große kriminelle Organisation bilden würden. Laut diesem Bericht hat es aber im gesamten Überwachungszeitraum insgesamt lediglich eine Handvoll Telefonkontakte zwischen Mitgliedern der beiden Gruppen, und zwar zwischen zwei des VGT und einem der BAT, gegeben, und die aufgrund ihrer überwachten Inhalte keiner kriminellen Verschwörung zuordenbar waren. Im Gegenteil, praktisch alle Gespräche handelten von Dingen (Hundesitting, Fahrradrechnungen, …), die mit diesem Verfahren nichts zu tun hatten, und deuteten auf keine nähere Beziehung zwischen den Gesprächspartnern hin. In einem angeführten Telefongespräch wurde sogar explizit artikuliert, dass sich die BAT vom VGT distanziere und mit ihm nichts zu tun habe.

Ansonsten war am heutigen Tag wieder einmal die Kampagne gegen P&C wegen deren früheren Pelzverkaufs Thema, obwohl diese Kampagne bereits vor Gründung der SOKO im Jahr 2006 erfolgreich abgeschlossen worden ist. An der Kampagne hatten sich zahlreiche Organisationen beteiligt und auch die Vier Pfoten hefteten sich den Pelzausstieg Peek&Cloppenburg’s auf ihre Fahnen. Einvernommen wurde dazu die Geschäftsführerin der P&C-Filiale in der Mariahilferstraße in Wien, Frau Regine Meyer-zu-Starten. Peek&Cloppenburg hatte während der gesamten damaligen Antipelz-Kampagne zwischen 2002 und 2006, die hauptsächlich in Deutschland aber auch in einigen anderen Ländern durchgeführt worden war, wirtschaftlich expandiert. Man könne also nicht sagen, betonte die Verteidigung, dass die Kampagne die Firma mit dem wirtschaftlichen Ruin bedroht habe, was aber für die Anwendung von § 278a StGB und für die vorgeworfene schwere Nötigung notwendig sei. Nach Ende der Kampagne sei P&C aber rascher expandiert, meinte die Geschäftsführerin dazu. Das sei darauf zurückzuführen, dass alle Personen, die bei P&C wegen deren Pelzverkaufs nicht mehr KundInnen waren, ihren Boykott widerriefen und tierfreundliche KundInnen erstmals bei P&C eimnkauften, konterte die Verteidigung.

Die zweite Zeugin – eine Novartis-Angestellte – berichtete von zwei Run-in‘s in ihrem Büro im Tochterunternehmen Novartis-Nutrition. Beim ersten Vorfall, bei dem sie einen Angeklagten zu erkennen glaubte, sei alles harmlos gewesen. Der zweite Vorfall sei aggressiver durchgeführt worden, allerdings gab es keinen Bezug zu den Angeklagten.

Der heutige Tag zeigte ein bisschen das Dilemma dieses Prozesses:
Es gibt legale Kampagnen, für die einige der Angeklagten unabhängig voneinander mitverantwortlich zeichnen.
Es gibt Aktionen des zivilen Ungehorsams ohne Straftaten, bei denen der eine oder die andere Angeklagte dabei gewesen sein könnten.
Und es gibt Straftaten – zumeist mit Bagatelldelikte wie Schmierereien oder Dauerläuten – die von unbekannten TäterInnen verübt worden sind und zu denen kein Hinweis auf Beteiligung durch die Angeklagten vorliegt.
Diese Konstellation zeigt sich fast täglich auf’s neue im Tierrechtsprozess in Wiener Neustadt.

Hier wieder meine Stellungnahme zu den heutigen beiden Zeuginnen:

Zur Zeugin Peek&Cloppenburg / MEYER zu STARTEN:

Die Zeugin, Geschäftsführerin von Peek&Cloppenburg Österreich, Regine Meyer-zu-Starten, gab an, dass es zwar an Demonstrationstagen zu Umsatzeinbußen gekommen sei, insgesamt – im Verlauf der Antipelz-Kampagne – JEDOCH NICHT. Man hätte detailliert stündlich den Umsatzverlust während der Demonstrationen automatisiert erfasst. Dazu ist zu sagen, dass es selbstverständlich im Rahmen von angemeldeten (nicht untersagten) Demonstrationen zu Umsatzeinbußen kommen kann. Diese Abwägung wird bei der Nichtuntersagung von Demonstrationen durch die Bundespolizeidirektion/Versammlungsbehörde bei jeder einzelnen Veranstaltung getroffen und ist im Fall der Nichtuntersagung auch jedenfalls verfassungskonform und somit rechtens.

Die Zeugin Meyer-zu-Starten vermeinte auch, dass bei den Demonstrationen “laut” ein Megaphon benutzt wurde.
Demonstrationen sind durchwegs laute Infornmationsveranstaltungen, bei denen routinemäßig Megaphon zum Einsatz kommen.

Im Gegensatz zu den Infotischen vor P&C etc… ist die mir bekannte lauteste Demonstration jene gegen den Jägerball Wien, bei der wirklich laut mit Megaphonen skandiert wird. Dort wird permanent eine polizeiliche Lärmmessung durchgeführt um stets unter den zulässigen Grenzwerten zu bleiben. Dies ist offenbar bei den Infotischen nicht notwendig. Daher ist davon auszugehen, dass sich erst recht auch diese Demonstrationen im zulässigen Rahmen bewegen.

Von der Zeugin Meyer-zu-Starten wurde auch eine mutmaßliche Intensivierung der Demonstrationen/Infotische zu umsatzstärkeren Zeiten festgestellt. Das liegt aber jedenfalls nicht an einer Orientierung der demonstrierenden TierschüterInnen am Umsatz sondern vielmehr am Charakter eines Infotisches, wo es immer darum geht möglichst viele Leute möglichst effizient zu informieren. Daher werden Infotische vermehrt abgehalten, wenn sich mehr PassantInnen auf der Mariahilfer-Strasse bewegen.

Auch die von der Zeugin Meyer-zu-Starten augenscheinlich selbst durchgeführte Umsatzanalyse ist mehr als fraglich:
Es reicht nämlich
nicht aus, den Umsatz des bspw. 1. Adventsamstags mit dem Umsatz des 1. Adventsamstags im Vorjahr zu vergleichen. Auch nicht, wenn im Vorjahr nicht demonstriert wurde oder – um überhaupt einen solchen demonstrationsfreien 1. Adventsamstag zu finden – möglicherweise auf einen fünf oder sechs Jahre zurückliegenden 1. Adventsamstag zurückgegriffen wird. Selbst bei einem zeitnahem Vergleich spielen andere Parameter wie Wochentag, Uhrzeit, wirtschaftliche Lage, Jahreszeit, Aktionsangebote benachbarter Konkurrenzgeschäfte, Werbeaktionen oder Fehlgriffe in der Sortimentszusammensetzung aber insbesondere auch DAS WETTER eine zu große Rolle Rolle, um einen allfälligen Umsatzverlust mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit festzustellen.
Die Grundsätze logischen Denkens und die Erfahrung ergeben, dass die Varianz des Umsatzes zwischen einem bitterkalten Wintertag mit Schneesturm und einem trockenen, warmen Sonnentag 100% überschreiten kann.

Zur Zeugin Karin Pribassnik / Novartis-Nutrition:

Die Zeugin Karin Pribassnik verneinte die richterliche Frage ob die Firma Novartis oder Novartis Nutrition jemals explizit auf ihrer Homepage angegeben habe Tierversuche durchzuführen. Das ist nicht verwunderlich. Keine Firma die Tierversuche durchführt schreibt diese Tatsache explizit mit Stolz auf ihre Homepage. Das ist ja auch genau jene Tatsache die vor der Öffentlichkeit mit gutem Grund geheim gehalten werden soll.

Zur richterlichen Frage, wer will, dass Peek&Cloppenburg pelzfrei wird:
Ich möchte nicht nur, dass P&C keinen Pelz mehr verkauft, sondern auf der ganzen Welt kein einziges zum “Pelztier” ontologisiertes LEbewesenb mehr eingesperrt, gefoltert und ermordet wird.“

Tag 46 – 13.09.2010:

Fortgesetzte Befragung Revierinspektor Helmut Riepl – SOKO Sachbearbeiter Funkzellenauswertung

Am heutigen Prozesstag stand der zweite Teil der Einvernahme eines Experten der SOKO gegen den Tierschutz zur Funkzellenauswertung am Programm. Derselbe Beamte war bereits am 6. Mai 2010 im Zeugenstand. Seine Aussagen waren einerseits entlastend für die meisten Angeklagten, weil die Funkzellenauswertung ergab, dass sie nicht an den Tatorten waren, auch wenn die SOKO diese Ergebnisse nicht in den Akt übermittelt hatte. Aber andererseits gab es ein mäßig belastendes Ergebnis dieser Analyse, weil einer der Angeklagten mehr als 2 Monate vor der Beschädigung eines Autos der Pressesprecherin von Kleiderbauer, Marjan Firouz, in der Funkzelle dieses Tatorts mehrmals telefoniert hatte. Wenn man allerdings bedenkt, dass diese Funkzelle etwa einen Radius von 500m um den Handymast hat und im vierten Wiener Gemeindebezirk, nahe dem Südbahnhof liegt, wo Straßen- S- und U-Bahn vorbeifahren und mehrere Radwege durchgehen, ist das Ganze nicht mehr so aufregend.

Vollends desavouiert wurde dieses Indiz aber durch eine genaue Analyse der Rufdatenrückerfassungsdaten:
Den Daten zufolge hätte der besagte Angeklagte zunächst in der Funkzelle im vierten Bezirk telefoniert, dann zwei Minuten später in Guntramsdorf, seinem Wohnort, drei Mal hintereinander das selbe Mobiltelefon benutzt, um nur wenige Sekunden später wieder im vierten Bezirk zu telefonieren! Da das physikalisch unmöglich ist, müssen diese Telefonauswertungen mehr als kritisch gesehen werden!

Besonders bedenklich daran ist aber, dass die Polizei diesen Umstand sehr genau gekannt hat, aber dem Gericht offenbar verheimlichen wollte. So wurde die Information über den Aufenthalt bei den drei Telefonaten in Guntramsdorf auf Nachfrage des Gerichts Ende Mai 2010 – also mehrere Jahre nach ihrer Erstellung – zwar in den Akt gegeben, aber nur durch Angabe der Längen- und Breitengrade statt des Namens Guntramsdorf. Mit anderen Worten, in diesem neuesten Teil des Aktes, den die Verteidigung bisher noch gar nicht einsehen konnte, steht, dass der Angeklagte zunächst in 1040 Wien ist und dann zwei Minuten später an einem gewissen Längen- und Breitengrad östlich und nördlich von Greenwich. Daraus war natürlich nicht zu erkennen, dass er in diesen zwei Minuten 30 km quer durch eine Großstadt zurückgelegt haben müsste. So versuchte die SOKO gegen den Tierschutz diesen offensichtlichen Fehler in ihren Daten zu verschleiern, damit um jeden Preis eine belastende Indizienkette aufgebaut werden sollte.

Damit dürfte auch dieses ohnehin von vornherein schon harmlose Indiz nun vollends nicht mehr belastend ausgelegt werden können.

Der heutige Prozesstag begann erst um 9:34 Uhr, weil einige Angeklagte und Verteidiger in einen Stau geraten waren. Im Gerichtssaal waren -wie immer – etwa 40 PolizeischülerInnen der Sicherheitsakademie SiAk Traiskirchen und 15 sonstige BeobachterInnen. Bei Prozessbeginn waren alle Angeklagten anwesend. Zunächst fasste die Richterin Sonja Arleth die Aussagen der letzten Prozesstage für die Achtangeklagte zusammen, die krank gewesen war. Dabei sagte die Richterin u.a., dass der Pelzausstieg für Peek&Cloppenburg einen Umsatzrückgang von € 1 Million bedeutet habe, obwohl das überhaupt nicht der zeugenschaftlichen Aussage der Geschäftsführerin entsprach! Die Zeugin Regine Meyer-zu-Starten hatte aber lediglich angegeben, dass sie pelzverbrämte Kleidungsstücke in diesem Wert im Sortiment hatte, aber diese Kleidungsstücke wurden natürlich durch andere ersetzt und P&C machte insgesamt einen kräftigen Umsatzgewinn, der sich nach dem Pelzausstieg noch verstärkt hatte. Dass die Richterin Sonja Arleth diese Aussage so missverstehen konnte, weist darauf hin, dass sie befangen ist. Bisher hat sie jedenfalls noch keine Zeugenaussage in einer für die Angeklagten entlastenden Weise missverstanden.

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