*) mit einer Krone aus Katzengold (Pyrit)
Tag 32 – 14.06.2010:
Beamter Marktamt Wien zu einem Zahnpasta Hoax
Lobbyist der Tierversuchsindustrie Prof. Dr. Udo Losert
Kronzeuge* Dr. Franz-Joseph Plank
*) mit einer Krone aus Katzengold (Pyrit)
Zu aller Überraschung trug Richterin Mag. Sonja Arleth gleich eingangs vor, dass sie das Gutachten des Dipl. Ing. Konrad Tschida zur Schweinebefreiung im Betrieb Artner für nicht verwertbar hielt und daher einen neuen Gutachter – Univ.Prof. Josef Troxler von der VetMed – mit der Erstellung eines neuen Gutachtens beauftragen werde.
Die erwartete Möglichkeit die ausständigen Stellungnahmen zu den vorangegangenen ZeugInnen abzugeben wurde von der Richterin jäh enttäuscht: Die Richterin erklärte, dass sie erst nach vier(!) weiteren Verhandlungstagen voller ZeugInnen Stellungnahmen zulassen werde. Dies ist nicht nur in der StPO so nicht vorgesehen, sondern führt den Sinn der Stellungnahmen auch ad absurdum, wenn sie nicht zeitnah und kontextbezogen geäußert werden können. Die heftigen Proteste der Verteidigung wurden jedoch ignoriert.
Als die Richterin das T-Shirt eines Angeklagten mit der Aufschrift „§278a – Ich bin betroffen!“ wahrnahm, sagte sie spontan: „So ein T-Shirt möchte ich auch!“.
Der Fünftbeschuldigte, Elmar Völkl, hatte vor einigen Tagen auch den Antrag gestellt, endlich weitere Hauptverhandlungsprotokolle nachzureichen, denn eine Verteidigung sei ohne Bezugnahme auf Einvernahmemitschriften und ZeugInnenaussagen nicht möglich. Bis jetzt – nach mehr als 30 Verhandlungstagen – lägen der Verteidigung immer noch nur die HV-Protokolle der ersten fünf Verhandlungstage vor! Die Richterin lehnte heute DI Völkl’s Antrag ab: „Die StPO sehe lediglich vor, dass die Protokolle vor der Urteilsverkündung geschrieben werden müssen“.
Danach wurde jener Beamte vom Marktamt Wien als Zeuge befragt, an den eine mit Superkleber verklebte Tube Zahnpasta des Pharma- und Tierversuchskonzerns Glaxo-Smith-Kline gesandt wurde. In einem wirren Schreiben wurden die Geschäftspraktiken von gsk kritisiert. Ein direkter Bezug zu Tierschutz war nicht gegeben. Da es sich um einen Hoax handelte wurde nur diese eine Tube kontaminiert, in den Handel wurden keine verklebten Zahnpastatuben eingeführt. Eine chemische Analyse der kontaminierten Tube kam zum Ergebnis, dass die Zahnpaste nicht nur nicht mehr benutzbar war, sondern – falls trotzdem konsumiert – nicht gesundheitsschädlich sein könne.
Der Beamte hatte zu all dem nicht viel hinzuzufügen und wurde rasch entlassen.
Danach wurde Prof. Dr. Udo Losert geladen, mittlerweile in Pension, war er bekannt als Propagandist der österreichischen Tierversuchslobby. Er fehlte auf kaum einer Ethikdiskussionsrunde um dort seine Lanze für Tierversuche zu brechen. Er war auch jahrelanger Leiter dreier universitärer Tierversucheinrichtungen in Österreich: Der Versuchstierzucht in Himberg, des Krebsforschungsinstituts in der Borschkegasse Wien und einer weiteren Institution der Universität Wien.
Sein Privatwohnsitz wurde von zwei Homedemos und einem Farbbeutelanschlag heimgesucht. Auf einer der (angemeldeten) Homedemos, konnte er unter dem Dutzend DemonstrantInnen zwei Personen identifizieren,d arunter die Demonstrationsanmelderin, die Achtbeschuldigte. Die Demo bestand lt. seinen Aussagen in einem einstündigen Geschrei gegen Tierversuche. Die andere Homedemo sei von dem erstangeklagten DDr. Martin Balluch angemeldet worden, der Veranstaltungsleiter (der im Prozess verteidigende Rechtsanwalt Dr. Bernd Haberditzl) habe vor Ort sehr darauf geachtet, dass alles korrekt ablaufe, lobte Losert die TierrechtsdemonstrantInnen.
Der ausgebildete Tierarzt und praktizierende Vivisektor habe durch die Aktionen keine Angst bekommen. Lediglich zur Beruhigung seiner Familie habe er eine Alarmanlage installieren lassen.
Besonders leid getan habe ihm, – so der Zeuge Dr. Losert – dass es zu keiner Gesprächbasis mit dem Tierschutz gekommen sei. Diese Aussage verwundert, zumal sich Losert in seiner Funktion ja wiederholt öffentlichen Diskussionen stellte, an denen natürlich auch Vertreter des Tierschutzes teilgenommen hatten. Der VGT sei beispielsweise an Schulen gegangen um Kinder für Tierschutz zu sensiilisieren, das hätte er auch gerne gemacht.
Er könne bestätigen, dass – wie vom VGT berichtet – einmal Versuchsratten im Krebsforschungsinstitut aufgrund der schlechten Haltungsbedingungen die Schwänze abgestorben seien.
Prof. Dr. Losert gab auch an, dass die Demonstrationen gegen ihn sicherlich nichts mit einer „SHAC“-Kampagne zu tun hätten, wie es der Staatsanwalt Mag. Wolfgang Handler allerdings in seinem Strafantrag angeführt hatte. Seine Institute hätten auch nichts mit dem englischen Labor Huntingdon Life Sciences (HLS) zu tun.
„Einiges bei Tierversuchen ist falsch gelaufen“, sagte der Zeuge, viele vergangen Tierversuche müssten aus heutiger Sicht als unnötig bezeichnet werden.
DDr. Martin Balluch beantragte auch die Ausforschung der beiden Redakteure der ORF „Am Schauplatz“ – Sendung „Tiere klagen an“ (3 Teile, ab hier: http://www.youtube.com/watch?v=XCi8msJfnc0), wofür Balluch mit Losert ein Streitgespräch geführt hätte, welches dann aber nicht gesendet wurde. Die Redakteure sollten entgegen den Aussagen des Zeugen das konstruktive Gesprächsklime bestätigen.
Danach wurde der „Kronzeuge“ der Anklage – Tierarzt Dr. Franz-Joseph Plank – als Zeuge in den Saal gerufen.
Franz-Joseph Plank gab als Berufsbezeichnung „Tierarzt und Tierschützer“ an und war damit der einzige Belastungszeuge aus der Tierschutzbewegung, der im hiesigen Verfahren gegen die angeklagten TierrechtsaktivistInnen aussagen sollte.
Die Richterin befragte ihn sogleich zur Geschichte des Verein gegen Tierfabriken (VGT) – den er 1992 gegründet hatte und als dessen Obmann er 2002 abgewählt worden war – und, an was für Aktionen im damaligen VGT Plank teilgenommen hätte.
Ohne keinen Hehl daraus zu machen, gab er sogleich unumwunden an, selbst an Tierbefreiungen beteiligt gewesen zu sein. Die Richterin Sonja Arleth wirkte ungläubig, weil eine derartige Selbstbezichtigung hatte sie ja nicht einmal von den mutmaßlich viel radikaleren Angeklagten zu hören bekommen: „Auch in der Pelzfarm Pfeiffer, Heidenreichstein?“, „Ja, auch dort“, gab Plank freundlich lächelnd zu. Das gefiel der Richterin nicht, sie wollte ihm eine Brücke bauen: „Offene Befreiungen mit Medien oder in ‘Nacht- und Nebelaktionen’?“, „Wir sind einfach hingegangen, haben die Käfige aufgemacht und die Tiere rausgelassen“, musst Plank die Hoffnung der Richterin enttäuschen. Wenn das nun so war, musste die Richterin andersrum fragen: „Etwa gemeinsam mit dem Erstbeschuldigten DDr. Martin Balluch?“, setzte Mag. Arleht nun auf die andere Karte und wurde nicht enttäuscht: „Jaja, freilich“, war wieder die freundliche Antwort Dr. Plank’s.
Weiters führte Plank aus, dass er gerne für die – seiner [irrigen] Meinung nach verschlüsselte – Fadinger-Mailingliste nominiert geworden, aber es gab immer Vetos. Wer die Animal Liberation Front – A.L.F. – sei, wisse er nicht, aber dass sie für Sabotage, Zerstörungen, Sachbeschädigungen in der Nacht, Firmen in den Konkurs zwingen veranantwortlich wäre. Und Brandanschläge. Und Tierbefreiungen natürlich auch. DDr. Martin Balluch hätte abseits des VGT A.L.F.-Vorträge und Ausstellungen organisiert, z.B. am www.tierrechtskongress.at im Jahre 2002. Er sei auch öfters mit einschlägigen T-Shirts herumgelaufen.
Ob die A.L.F.-TäterInnen ihre Tatortinformationen aus vorhergehenden Recherchen bezogen, wisse er nicht, aber er selber hätte Recherchen durchgeführt, u.a. in jener Geflügelmasthalle, die später Opfer eines A.L.F.-Brandanschlags wurde.
Dann kommentierte der Zeuge Dr. Franz Plank seine schriftliche Niederschrift bei der „SOKO gegen den Tierschutz“, und war kaum zu bremsen als er auf den Erstangeklagten DDr. Martin Balluch zu sprechen kam: Dieser mache sich gerne vom Täter zum Opfer. So hieß es, dass er, Dr. Plank, Spendengelder missbräuchlich verwendet, die Mitgliederdatenbank entwendet und DDr. Martin Balluch anonym angezeigt hätte. Nichts davon sei aber wahr: In Wahrheit hätte DDr. Balluch den Plan gehabt den VGT zu übernehmen und ihn, Dr. Plank, zu putschen, was ihm schlussendlich auch gelungen sei.
Noch unglaubwürdiger muteten Dr. Plank’s Vermutungen an, was DDr. Martin Balluch in seiner Freizeit getrieben habe: Es ginge ihn nichts an und er wüßte es auch nicht, aber auf den damalige VGT Aktivismustreffen waren auch – wie Plank sie nannte – „Schwarzkapuzler“ anwesend, die sich verbal zurückgehalten und kaum aktiv eingebracht hätten, aber radikal und links gewesen wären. Diese „Schwarzkapuzler“ wären dann nächtens mit DDr. MArtin Balluch umhergezogen und hätten „Sachen gemacht die nicht auf dem Aktivismustreffen besprochen wurden“. Die Richterin fragte nach: „Welche Sachen?“. Der Zeuge Plank erwiderte in einem erstaunlich frechen Ton: „Muss ich Sie jetzt über den Strafantrag aufklären“, und versuchte damit den Erstangeklagten wieder ohne jeglichen Beweis der Durchführung von Straftaten zu bezichtigen.
Von Sachbeschädigungen habe Dr. Plank nur aus Zeitschriften wie dem Tatblatt oder dem Lauffeuer erfahren. Ersteres bezeichnete Plank als „sehr sehr links, linker als die SPÖ“, zweiteres hätte DDr. Martin Balluch immer „druckfrisch mit stolz geschwellter Brust“ bei den Aktivismustreffen verteilt, sodass man sich denke könne wer der Autor sei. Außerdem hätte nur er, Dr. Plank, von umgesägten Hochständen etwas gewußt und DDr. Balluch davon erzählt. Danach fand sich eine Notiz darüber in einer Ausgabe des Lauffeuer.
Am schwersten wog aber die Anschuldigung Plank’s gegen Balluch die Hühnermasthalle in Pummersdorf im Jahr 2000 angezündet zu haben:
Wie er von dieser Brandstiftung in einer leeren Hühnermasthalle in Pummersdorf erfahren habe, fragte die Richterin Mag. Sonja Arleth. Er sei an diesem Tag mit DDr. Martin Balluch auf Schitour gewesen. Beim Zurückfahren habe er ihn aber am Abend südlich von St. Pölten absetzen müssen, und das sei ihm seltsam erschienen. Er könne sich genau daran erinnern, weil das das einzige Mal gewesen sei, dass er ihn habe dort absetzen müssen. Ob er denn mit DDr. Balluch auf Schiurlaub gewesen sei, fragte die Richterin. Ja, sagte Dr. Plank. Er sei von 2. bis 4. Jänner 2000 bei DDr. Martin Balluch in dessen Haus in der Obersteiermark gewesen und am 4. Jänner gemeinsam mit ihm zurück gefahren. Er sei bereit, das unter Eid zu bezeugen.
Die Richterin meinte dann, DDr. Balluch habe aber ausgesagt, er sei in dieser Zeit mit seiner Familie bei seiner Mutter gewesen. Die Verwandten würden sich halt untereinander decken und lügen, rief Dr. Plank aus.
Bisher habe er in seinen polizeilichen Niederschriften nie etwas zu diesem Urlaub mit DDr. Balluch und dem Absetzen bei St. Pölten gesagt, fragte die Richterin. „Man hat mich auch nie danach gefragt“, sagte Dr. Franz-Joseph Plank. Die drei BeamtInnen hätten sehr wenig Ahnung von der ganzen Sache gehabt und er habe ihnen nichts aufdrängen und die Sache nicht noch mehr aufbauschen wollen. „Soll das also nicht relevant gewesen sein?“, fragte die Richterin den Zeugen. Der SOKO habe er bei seiner ersten Einvernahme am 8. Jänner 2001 gesagt, er sei kein Kronzeuge, gab Dr. Plank an. Er gebe diese Belastung jetzt aber an. Er habe es bisher niemandem gesagt und er sage es in vollem Bewusstsein seines Gedächtnisses. Er sei auch in Salzburg auf einer VGT-Tiertransportblockade gewesen und dann seien die AktivistInnen nicht, wie sonst, mit ihm zurück gefahren, sondern wären dort geblieben und dann habe es in Linz einen Brandanschlag gegen den Zirkus Knie gegeben.
Weiters gab Plank auf Befragen der Richterin Arleht an, dass „Martin Balluch die A.L.F.-Ideologie propagiert habe“. Die Richterin fragte nach, in welcher konkreten Form und wie Balluch dies getan habe. So könne er das nicht sagen, sagte Plank, Balluch hätte dies nur im Verborgenen und zwischen den Zeilen artikuliert. Er hätte sich das mit zwei, drei anderen Personen im geschlossenen Kreis ausgemacht. Die Richterin könne ihn noch zehnmal dazu fragen, konkreteres könne er nicht angeben.
Welche radikalen Methoden DDr. Balluch denn nun genau propagiert hätte, wollte die Richterin vom Zeugen Plank wieder wissen: „Buttersäure, Sachschäden, Verätzungen, … Sie wissen das doch alles. Nehmen Sie sich das Lauffeuer als Gute-Nacht Lektüre, dann wissen Sie, was der Balluch schreibt ohne seinen Namen!“, entfuhr es dem Tierarzt.
Dann ging es nochmals um die Abwahl Plank’s bei der VGT-Generalversammlung 2002 und Plank’s Gefühle dabei. Dr. Plank betonte wieder, dass er das Opfer war, dass sich – wie immer – gegen unberechtigte Vorwürfe und Angriffe einzig des DDr. Martin Balluch wehren musste. Balluch hätte eine Hetzkampagne gegen ihn betrieben und im Umfeld seiner Abwahl wurden auch „seine“ Büroräumlichkeiten des VGT von VGT-Vorstandsmitgliedern „gestürmt“ und die Buchhaltung „gestohlen“ worden. Er sei nach der VGT-Generalversammlung 2002 als VGT-Obmann abgewählt und nach Prüfung der Buchhaltung vom VGT-Vorstand fristlos entlassen worden.
Tag 33 – 16.06.2010:
Tierversuche, abgebrannte Masthuhnhallen, gestürmte Legebatterien
Der erste Zeuge war der Geschäftsführer der österreichischen Zweigstelle des internationalen Pharamkonzerns SANKYO. Er gab auch sogleich an, dass sein Firma selber Tierversuche durchführe, allerdings nicht in Wien, wo es aber dafür zu Demonstrationen und Aktionen seitens der Tierschützer gekommen war. Nur furchtsame Menschen hätten sich bedroht gefühlt, denn es kam dabei zu keiner Gewalt.
Sankyo war ein Kunde des notorischen Tierversuchslabors Huntingdon Life Sciences, kurz HLS, und folglich auch ein Ziel der dazugehörigen Antitierversuchskampagne Stop Huntingdon Animal Cruelty, kurz SHAC. Darüber hinaus wurden die Aktionen gegen Sankyo in Österreich vom Staatsanwalt Mag. Handler auch als eine Kampagne der inkrimineirten kriminellen Organisation im Strafantrag angeführt. Abgesehen von einem Farbbeutelwurf auf die Firmenfassade, waren damit wieder angemeldete und polizeilich überwachte Demonstrationen Inhalt dieses skurrilen Strafprozesses. Der Zeuge konnte dies nur bestätigen, er hätte nur laute, aber jednefalls friedliche Demonstrationen und eMail- Telefonproteste beobachtet, deren Ziel eine Beendigung der Tierversuche bei Huntingdon Life Sciences (HLS) waren. Intern hätte man sich bemüht, die Proteste nach bester Möglichkeit zu ignorieren.
Danach wurden hintereinander zwei miteinander verwandte Hühnerbauern in den Verhandlungssaal gerufen, die beide mehrere Hühnermasthallen besaßen, von denen einige Opfer eines Brandanschlages im Jahr 2000 geworden seien.
Der erste Zeuge der beiden gab an, Besitzer von zwei 600m² großen Hühnermasthallen für je 10.000 Tiere zu sein. Eine der beiden sei kurz vor ihrer Inbetriebnahme durch einen Brandanschlag 2000 zerstört worden. Die Halle besäße eine Zwischendecke die man nur durch eine 1x1m kleine Tür von außerhalb der Halle betreten konnte. Dort hätte er einen der insgesamt 47(!) nicht gezündeten Brandsätze gefunden, die aus zusammengebundenen, mit Benzin- oder Diesel gefüllten, PET-Flaschen bestanden hätten.
Es hätte keine versuchte Kontaktaufnahme seitens der TierrechtlerInnen gegeben, einzig der Tierarzt und ehemalige VGT-Obmann Dr. Franz-Joseph Plank sei bereits 1993 in seinen Betrieb eingebrochen und wäre nachher mit Fotos aus seiner Masthalle in der Zeitschrift NEWS interviewt worden.
Dann stießen zwei einfach gestrickte Köpfe aufeinander: Die Richterin – ahnungslos von den Methoden in der Landwirtschaft – fragte den Masthallenbesitzer, ob es sich denn um eine Legebatterie handelt. Nein, entgegnetet der Masthallenbesitzer im ZeugInnenstand, um Bodenhaltung.
Zur Aufklärung:
Hühner werden im Wesentlichen aus zwei Gründen ausgebeutet: Einerseits wegen ihrer Menstruationsprodukte – den Hühnereiern, andererseits wegen ihres Körpers – dem Hühnerfleisch. Allerdings wachsen Hühner der Zuchtlinien Legehuhn zu langsam, als dass sie sich für die Mast rentierten, und umgekehrt, legen Hühner der Zuchtlinien Fleischmast zu wenige Eier, als dass sie sich für die Eierproduktion profitabel verwenden ließen. Daher gibt es Mastbetriebe zur Fleisch“produktion“ und Legebetriebe zur Eier“produktion“. In der Mast werden die zukünftigen „Masthähnchen“ so intensiv gefüttert („gemästet“), dass sie in nur ca. 35 Tagen – lang vor Erreichen der Pubertät – ihr Schlachtgewicht von ca. 1,5 kg erreichen. Die Hühnermast erfolgt hierzulande immer am Boden, einzig „gestopfte“ Gänse und Enten, oder in der Vormast auch Ferkel, werden in Batteriehaltung auf Drahtböden gehalten.
Legebatterien andererseits, dienen – wie der Name schon sagt – zur ausschließlichen Haltung von weiblichen Hühnern der Zuchtlinien Legehuhn. Nur in der Eierproduktion gibt es die verschiedenen Haltungsformen Legebatterie – Volierenhaltung / ausgestaltete Käfige – Bodenhaltung – Freilandhaltung – Biohaltung. Nicht mal die exzessiv auf Legeleistung gezüchtete Zuchtlinien legt „jeden Tag ein Ei“, maximal 280 Eier im Jahr sind im Schnitt möglich. Nach 6 Monaten jedoch endet auch das Leben eines sog. „Legehuhns“ vorzeitig: Als sog. „Suppenhuhn“ im Schlachthof. Mahlzeit!
Jedenfalls gibt es also keine Hühnermasthalle vom Typ Legebatterie.
Nachdem die Richterin sich die Schadenshöhe – ca. 1 Mio. ATS – angeben ließ, verlas die Richterin den Polizeibericht vom Brand: In allen fünf Hallen habe es Brandsätze gegeben, aber nur ein Brandsatz im Zwischenboden habe zu brennen begonnen. Es sei eine Leiter angelehnt gewesen.
Wer denn gewusst haben könne, dass die Hallen gerade ausgestallt waren und ob man zur Legung des Feuers einbrechen habe müssen, fragte der Staatsanwalt Mag. Handler den Hühnerbauern. Nur das Schlachthaus und die eigene Familie, antwortete der Zeuge, Nein, einbrechen hätte man nicht müssen,alle Hallen waren offen und unversperrt.
Der Cousin des erstgeladenen Hühnerbauern war der Besitzer weiterer Masthuhnhallen, zwei davon waren an an derselben Adresse wie die seines Cousins vom Brandanschlag betroffen gewesen.
Auf Befragen von DDr. Balluch sagte der Zeuge, dass es 5 Hallen gegeben habe, die alle Zwischendecken gehabt hätten und dass diese Zwischendecken nur über den Vorraum erreichbar gewesen seien, außer die Zwischendecke der Neubauhalle, die auch von außen zu betreten sei. Alle Türen seien beim Brandfall offen gewesen, da keine Hühner in den Hallen gewesen seien, wobei die Türen, wenn Hühner in den Hallen sind, normalerweise versperrt seien. Im Jahr 1993, wie Dr. Plank die Hallen betreten habe, seien die Türen versperrt gewesen. Die abgesperrten Türen seien aber nicht durch die Zwischendecke umgehbar gewesen, außer indem man den Boden der Zwischendecke auseinandergenommen hätte
Als letzter Zeuge für diesen Verhandlungstag nahm der Eigentümer der Firma „Wolf Nudeln“ im ZeugInnenstand Platz. Gegen ihn hatte es eine Kampagne des VGT gegeben. Dabei, so sagte der Zeuge, sei es nie auch nur zu einer einzigen Straftat gekommen. Allerdings habe er durch den Imageverlust einen Rückgang in den Einnahmen um etwa € 500.000 pro Jahr hinnehmen müssen. Bei der Befragung kam klar heraus, dass es sich also um eine normale NGO-Kampagne gehandelt habe, mit legitimen Mitteln wie das Verbreiten von Informationen an die Öffentlichkeit, ohne Straftaten und sogar ohne Demonstrationen gegen die Legebatterie selbst. Dennoch wurde diese Kampagne als Kampagne einer kriminellen Organisation inkriminiert. Ein Paradebeispiel davon, worum es bei diesem Prozess geht.
Er hätte dann auf Bodenhaltung umgestellt, diese Umstellung hätte aber „absolut nichts“ mit der Kampagne zu tun gehabt, gab der Firmeninhaber an.
Einmal kam es zu einem sog. „Go-In“ in seiner Legebatterie, wo ca. 30 Personen einfach das (offene) Firmengelände betreten hätten und sich die Legebatterie von außen angesehen hätte. Er wäre zwar sofort hingefahren und es hätte auch polizeilich Anhaltungen gegeben, aber offensichtlich sei nichts beschädigt oder entwednet worden. Mit einem der Angeklagten – David Richter – sei er auch in regem Kontakt gestanden.
In der Wohnung des fünftangeklagten DI Elmar Völkl wurden Wolf-Nudeln Packungen gefunden, die mit Aufklebern gequälter Legehühner und der Aufschrift „Achtung versteckte TierquälerEI“ versehen waren, gefunden worden. Wie er sich das erkläre, fragte Richterin Mag. Arleth den Legebatteriebesitzer. Er gab an von zwei Vorfällen in Supermärkten gehört zu haben, wo seine Produkte mit Aufklebern versehen worden seien. DI Völkl hingegen verwies in seiner Stellungnahme darauf, dass verschiedenste Tierqualprodukte oft bei Infotischen mit Aufklebern versehen werden um den PassantInnen damit die Erinnerung beim Einkauf zu erleichtern.
Tag 34 – 17.06.2010:
Tierversuche, abgebrannte Masthühnerhallen und gestürmte Legebatterien
Der heutige Prozesstag war der letzte vor einer längeren Pause, die dazu dienen soll, die fehlenden Protokolle der Sitzungen nachzuliefern. Die Richterin gab an, ihr würde die Zeit fehlen, um die Protokolle korrekturlesen zu können. Es würde sich um 110-150 maschingeschriebene Seiten pro Prozesstag handeln. Deshalb würden noch alle Protokolle aller Prozesstage außer der ersten fünf fehlen.
Die Richterin hatte schon vor langer Zeit angekündigt, dass der heutige Prozesstag von der Verteidigung und den Angeklagten genutzt werden könnte, um ihre Anträge, die sich seit geraumer Zeit stauen, vorzubringen. Allerdings blieb dann praktisch keine Zeit mehr dafür übrig:
Für alle überraschend begann die Richterin dem Angeklagten DDr. Martin Balluch in einer ergänzenden Einvernahme stundenlang alle möglichen und unmöglichen Fragen zu stellen, sie blieb dabei allerdings ausnehmend freundlich und verständnisvoll. So wurden DDr. Balluch z.B. etwa 20 Fotos von seinen Büchern gezeigt, die die SOKO bei seiner Hausdurchsuchung aufgenommen hatte, und er sollte darüber Auskunft geben, warum er diese Bücher lese. Auf der anderen Seite ging es um das Magazin Lauffeuer, das offenbar zwischen 1998 und 2001 in der Tierrechtsbewegung kursierte und das der Tierschützer-Zeuge der Anklage, Dr. Franz-Joseph Plank, der Richterin überreicht hatte, um damit DDr. Balluch in irgendeiner Form zu belasten.
Auch der Staatsanwalt schaltete sich in diese Befragung ein und zeigte DDr. Balluch eine Reihe von eMails bzw. Interneteinträgen, in denen es um die „Offensive gegen die Pelzindustrie“, kurz OGPI, ging. DDr. Balluch sollte damit offenbar nachgewiesen werden, dass er mit dieser Gruppe etwas zu tun habe.
Nach dieser Befragung von DDr. Balluch blieb noch etwas Zeit für die Angeklagten, ihre Stellungnahmen zu den Zeugenaussagen der letzten Tage zu beenden. Dann begann Anwalt Mag. Traxler noch die ersten seiner Anträge zu stellen und schon war der Prozesstag zu Ende.
Alle Details zur ergänzenden Einvernahme der Angeklagten, insbesondere des Erstangeklagten DDr. Martin Balluch, die detaillierten ausständigen Stellungnahmen der Angeklagten zu den vorangegangenen ZeugInnen und der erste Bruchteil der ursprünglich geplanten Anträge der Verteidigung sind hier nachzulesen:
http://tierschutzprozess.at/tierschutzprozess-34-tag/
Tag 35 – 19.07.2010:
Fortgesetzte Einvernahme des Kronzeugen* der Anklage: Tierarzt Dr. Franz-Joseph Plank
*) mit einer Krone aus Katzengold (Pyrit)
Für den heutigen Verhandlungstag war ausschließlich die Fortsetzung der bereits angefangenen Einvernahme des einzigen Belastungszeugen der Anklage aus dem Tierschutzbereich – dem Tierarzt Dr. Franz-Josphf Plank – anberaumt.
Heute sollte der Kronzeuge* entthront werden.
Am heutigen Tag war Dr. Plank, der einzige Zeuge der Anklage, der aus dem Tierschutzbereich kommt, zu seiner zweiten Einvernahme (nach dem 14. Juni) vor Gericht. Inspektor Blum der Kriminalpolizei St. Pölten hatte ihn als Polizeiinformanten der Tierschutzszene bezeichnet. Deshalb war Dr. Plank bereits am 8. Jänner 2008 von der „SOKO gegen den Tierschutz“ einvernommen worden. Er hatte damals allerdings keine niederschriftliche Einvernahme machen wollen, weil sonst bekannt würde, dass er der Polizei gegenüber für die Beschuldigten belastende Angaben gemacht hatte. Auch Kripo-Inspektor Blum gegenüber hatte er laut damaligem Polizeiakt vom Jahr 2002 angegeben, er wolle nicht, dass seine Informantentätigkeit bekannt würde und er möchte deshalb, dass seine entsprechenden Aussagen aus der Akteneinsicht der Beschuldigten ausgenommen werden.
Die heutige Zeugenbefragung von Dr. Plank entwickelte sich aber anders, als die meisten BesucherInnen erwartet haben werden.
Der Verteidigung gelang es nachzuweisen, dass Dr. Plank in seinen wesentlichen belastenden Aussagen die Unwahrheit gesagt haben muss. Das deshalb, weil Unterlagen der Buchhaltung des VGT vom Jahr 2000 zu entnehmen war, dass Dr. Plank an der von ihm angegebenen Zeit an einem anderen Ort gewesen sein muss, als er behauptet hatte.
Dasselbe galt auch für seine Anschuldigungen bzgl. einer Nerzbefreiung aus dem Jahr 1997. Auch dabei verwickelte er sich in Widersprüche zu den damaligen Ermittlungsfakten der Polizei und zu einem Film des ORF, der über diese Aktion ausgestrahlt wurde.
Die Richterin kam letztlich sogar zu dem Schluss, im Gericht zu erklären, dass sie Dr. Planks Angaben in dieser Sache für dieses Verfahren nicht für relevant erachte.
Auf der anderen Seite konnte die Verteidigung das linguistische Gutachten des Sachverständigen Dr. Schweiger mit – ungewollter – Hilfe von Dr. Plank widerlegen. Der Linguist hatte nämlich einen immerhin 2 Seiten langen Text „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ DDr. Balluch als Autor zugeordnet. Heute musste Dr. Plank aber zugeben, der Autor dieser Texte zu sein. Und das deswegen, weil die Verteidigung eine Reihe von Beweisen vorlegen konnte, die die Autorenschaft von Dr. Plank belegen. So fand sich die Hälfte des inkriminierten Textes in einer 12-seitigen Aussendung an die Mitglieder des VGT aus dem Sommer 1994, die Dr. Plank damals als Geschäftsführer des VGT mit seiner Unterschrift versehen an die Nationalbibliothek zur Archivierung geschickt hatte. Die zweite Hälfte des Textes war ein Brief von Dr. Plank an einen niederösterreichischen Landesrat am 13. Mai 1997. Offensichtlich kann das linguistische Gutachten von Dr. Schweiger, das dem Staat immerhin fast € 35.000 gekostet hatte, nicht richtig sein.
Damit wurden an diesem einen Verhandlungstag die zwei wichtigsten Hinweise auf Verwicklungen von DDr. Balluch in kriminelle Machenschaften, die die Staatsanwaltschaft vorgelegt hatte, widerlegt.
Die wortwörtliche Niederschrift dieses Verhandlungstag findet sich – wie für alle anderen Tage auch – auf
http://tierschutzprozess.at/tierschutzprozess-35-tag/.
Die Entthronung des vermeintlichen Kronzeugen; – lang, aber absolut lesenswert!
Tag 36 – 21.07.2010:
Demonstrationen und nur Demonstrationen
Am heutigen Tag wurden Vertreter der Versammlungsbehörde von den Bundespolizeidirektionen Wien und Graz einvernommen. Einer der für außenstehende BeobachterInnen schockierenden Aspekte dieses Prozesses ist, dass von der Polizei und der Staatsanwaltschaft angemeldete, legale Demonstrationen als die wichtigste Tätigkeit einer kriminellen Organisation aufgefasst werden. Auch die Richterin zeigt schon seit geraumer Zeit ein für die Umstände völlig übersteigertes Interesse an diesen Demonstrationen, fragt die ZeugInnen der Anklage, ob sie sich gestört gefühlt hätten, ob es Umsatzeinbußen gab oder ob man sich sogar bedroht gefühlt habe. Dabei kann die Wirkung legaler Demonstrationen doch in keinem Fall Thema eines gerichtlichen Strafverfahrens sein, so lange, wie gesagt, die DemonstrantInnen die Vorgaben der Behörde einhielten und keine Straftaten setzten. Doch da waren sich alle Seiten einig, dass es nie Straftaten im Rahmen dieser Demonstrationen gegeben hatte. DDr. Balluch hatte deswegen bereits im Vorfeld des heutigen Tages einen Antrag gestellt, dass legale Demonstrationen kein Verhandlungsthema sein dürften. Die Richterin hatte diesen Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass sie ja nicht wisse, ob die Demonstrationen legal gewesen seien und – das hat sie dann auch betont – die Staatsanwaltschaft habe ja auch die legalen Demonstrationen im Strafantrag als Aktivitäten einer kriminellen Organisation inkriminiert.
Nun, was hatten die Versammlungsbehörden der Bundespolizeidirektionen zu diesem Thema zu sagen?
Zuerst wurde der Vertreter aus Wien einvernommen, Dr. Müllebner.
Er schien bemüht zu sein, die DemonstrantInnen möglichst negativ darzustellen. Er habe Polizeiberichte, dass sie laut gewesen seien, PassantInnen gestört hätten und immer wieder im Eingangsbereich vor Geschäften gestanden seien. Triumphierend überreichte er der Richterin zwei Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs nach zwei Untersagungen solcher Demonstrationen in den letzten 6 Jahren seitdem er für die Versammlungsbehörde aktiv sei. Und in beiden Erkenntnissen werden die Demonstrationen sehr negativ dargestellt und die Untersagungen der Behörde aufrecht erhalten. Die Richterin nahm diese Höchstgerichtsurteile mit leuchtenden Augen an und unabhängige BeobachterInnen kommentierten, dass sie mit diesen Urteilen ihren Schuldspruch werde zu basteln versuchen.
Als Faktum wurde allerdings auch nach bei dieser Einvernahme vom Behördenvertreter zugegeben, dass allein der VGT in Wien in den letzten 6 Jahren mehr als 1000 Demonstrationen abgehalten habe, ohne dass es jemals dabei zu einer illegalen Handlung gekommen sei: „Nein, nie“, sagte der Leiter der Versammlungsbehörde wortwörtlich. Die angemeldeten Demonstrationen seien auch immer ordnungsgemäß – also wie angemeldet – abgehalten worden. Die Polizei habe die Bekleidungsgeschäfte aufgefordert, bei Vorfällen Anzeigen zu erstatten, aber es sei nie zu Anzeigen gekommen. Auch die untersagten Demonstrationen seien bis auf eine Ausnahme nicht abgehalten worden. Und diese Ausnahme, so führte DDr. Balluch später in seiner Stellungnahme aus, sei eine Aktion des zivilen Ungehorsams in der Tradition von Dr. Martin Luther King gewesen, um gegen die Behördenuntersagungen zu protestieren, jedenfalls nicht mehr als eine Verwaltungsübertretung.
Die Aussage des Vertreters der Grazer Versammlungsbehörde, Mag. Kelz, schien wesentlich harmloser. Dort gab es praktisch überhaupt keinerlei Vorfälle und der Zeuge attestierte den VertreterInnen der TierschützerInnen bei den Verhandlungen über den Ablauf von Demonstrationen eine große Kooperationsbereitschaft. Interessant ist ja, dass derartige Tierschutzdemonstrationen auch vor Kleidergeschäften gegen Pelz in ganz Österreich regelmäßig stattfinden, so auch in Wr. Neustadt, Linz und Salzburg zum Beispiel. Aber da aus diesen Städten niemand auf der Anklagebank sitzt, sind diese Demonstrationen für das Verfahren offenbar völlig irrelevant, auch wenn sie vom selben Verein, z.B. dem VGT, angemeldet worden sind.
Soll eine Innsbrucker Polizistin einvernommen werden?
Dann wollte die Richterin ein Vernehmungsprotokoll einer Vertreterin der Versammlungsbehörde an der Bundespolizeidirektion Innsbruck zu den dortigen Tierschutzdemonstrationen einvernehmlich vortragen, doch Anwalt Mag. Traxler wollte auf einer Vernehmung bestehen, bei der er Fragen stellen könne. Das deshalb, weil die Aussagen nicht richtig und übertrieben seien und sich das bei einer Befragung ergeben würde. Dann geschah aber etwas sehr Bedenkliches. Die Richterin begann einen sehr scharfen Ton anzuschlagen und schnitt Mag. Traxler völlig das Wort ab und ließ ihn an diesem Tag praktisch nicht mehr sprechen. Dieser fragwürdige Druck, vielleicht könnte man es auch „Nötigung“ nennen, zeigte dann auch Wirkung. Mag. Traxler zog seinen Antrag wieder zurück, ganz offensichtlich ausschließlich deswegen, weil die Richterin so reagiert hatte. Er bestand aber darauf, dass der Angeklagte Moser nach der Verlesung Stellung nehmen können solle. Die Richterin sagte das zwar zu, aber nachdem die Aussage verlesen war, ließ sie dann doch keine Stellungnahme mehr zu und verschob diese auf einen späteren Termin. Gerichtsunerfahrene BeobachterInnen waren über dieses Vorgehen der Richterin schwer schockiert. Es scheint völlig unfair und rechtsstaatswidrig, einen Angeklagten durch Psychodruck dazu zu bringen, dass er „freiwillig“ seine Verteidigungsrechte beschneidet. Ein weiterer erschütternder Aspekt dieses Verfahrens.
Übrigens hatte die Richterin Mag. Traxler auch vorgeworfen, wie er einer Polizistin zumuten könne, 600 km von Innsbruck nach Wien zu fahren, nur um von ihm befragt zu werden. Dass die Richterin selbst Herrn Chris Moser drei Mal pro Woche über ein ganzes Jahr oder mehr hinweg dasselbe zumutet, ist offenbar kein Problem. Angeklagten gegenüber scheint es bei der österreichischen Justiz überhaupt sehr wenig Mitgefühl und Respekt zu geben, wenn man zusehen muss, wie sie jedenfalls in diesem Verfahren behandelt und befragt werden.
Entgegen der Behauptung des Staatsanwaltes setzen sich die Angeklagten ja aus den verschiedensten Gruppen oder auch nicht-Gruppen zusammen, sind also in verschiedenen oder mehreren Gruppen oder als Einzelpersonen aktiv. Es gibt also nicht nur die Basisgruppe Tierrechte (BAT) und den Verein gegen Tierfabriken (VGT) sondern auch Angeklagte die für Vier Pfoten International (VPI), People for Ethical Treatment of Animals (PeTA) oder andere Tierschutz-, Tierrechts-, Umweltschutzgruppen oder soziale Initiativen aktiv sind.
Trotzdem haben sich im Groben zwei unterschiedliche Verteidigungsstrategien unter den Angeklagten ergeben:
Manche der Angeklagten verweigern grundsätzlich ihre Aussage, weil sie der Meinung sind, dass dieses Verfahren und dieser offensichtliche Schauprozess ohnehin schon lange nicht mehr auf der Suche nach Wahrheite – oder gar Gerechtigkeit – ist, sondern ein brutales Instrument der Repression gegen Aktivismus der – augenscheinlich – einigen mächtigen und einflußreichen Personen, Institutionen oder Parteien nicht ins Programm passt.
Eine Position die manche in Österreich sicher für unvorstellbar halten.
Ich glaube aber: SO IST ES TATSÄCHLICH! Gerade in der aktuellen Zeit wo wieder einmal offensichtlich auch andere Polit-Prozesse – je nach Bedarf – eingeleitet oder verschleppt werden, sollte kein Zweifel mehr an der ABHÄNGIGKEIT DER JUSTIZ bestehen. Interne Justizkreise bestätigen hinter vorgehaltener Hand auch schwere unmittelbare Einflussnahme in unserem Fall.
Andere Angeklagte sind jedoch der Meinung, dass wenigstens die Öffentlichkeit ein wirksames Korrektiv gegen voreingenommene, reaktionäre Rechtssprechung ist. Seien die rechtssprechenden Instanzen auch nur Marionetten, letztlich gibt es eine Grenze in rechtsgesprochenem UNRECHT, deren Überschreitung die Öffentlichkeit nicht mehr duldet. Der Tierschutzprozess ist dafür sicher ein Paradebeispiel. Die Richterin Mag. Sonja Arleth muss ein Urteil BEGRÜNDEN, dass formal alle be- und entlastenden Fakten der Hauptverhandlung zu berücksichtigen und zu würdigen hat. Schweigen in der Hauptverhandlung würde es der Richterin nur leichter machen den von hinten bis vorne erstunkenen und erlogenen Strafantrag einfach abzuschreiben. Deshalb versuchen manche der Angeklagten etwas zu tun, was eigentlich in einem Rechtsstaat nicht nötig sein sollte: sich frei zu beweisen. Nicht zuletzt um auch der Öffentlichkeit zu demonstrieren, dass es nachweislich keine kriminelle Organisation gemäß § 278a StGB in der Tierrechtsbewegung gibt!
Zur allgemeinen Überraschung hat sich heute jedoch einer der sonst schweigenden Angeklagten gezwungen gesehen neben den üblichen Stellungnahmen der anderen Angeklagten eine eigene Stellungnahme im Namen der sonst schweigenden Angeklagten abzugeben. Für sie – und wohl alle anderen auch – war es unerträglich, einen ganzen Tag in einem Strafrechtsprozess Berichte über verfassungsrechtlich geschützte Demonstrationen anhören zu müssen, bei denen nicht das geringste strafrechtlich relevante vorgefallen sei. Hier sein Statement im Wortlaut (von http://antirep2008.org/):
Heute ist es im Prozess, während der Befragung der beiden Zeugen der Wiener und Grazer Versammlungsbehörden, den ganzen Tag um Demos und Versammlungen gegangen – wieder einmal. Auch bei vielen anderen der bisherigen Zeug_innen waren Kundgebungen, vor allem vor Kleider Bauer und Hämmerle, ein zentrales Thema. Auffällig dabei ist, dass bei den verhandelten Demos nie etwas mit strafrechtlicher Relevanz passiert ist. Das haben die Zeugen heute auch bestätigt. Trotzdem werden die Demos hier, in einem Strafverfahren, besprochen. Auch der von der Richterin oft verwendete Begriff “illegale” Demos legt einen möglichen strafrechtlichen Tatbestand nahe. Aber die (grundsätzlich problematische) Bezeichnung “illegal” wird hier falsch verwendet, denn: Demos sind nicht illegal! Auch nicht-angemeldete Kundgebungen sind das nicht. Die Versammlungsfreiheit und die freie Meinungsäußerung sind ein Grundrecht und durch die Europäische Menschenrechtskonvention geschützt.
Kundgebungen zum Thema eines Strafverfahrens zu machen wäre ohne den §278a nicht möglich. So jedoch wird jede politische Tätigkeit, darunter das Planen und Anmelden von Demos und die Teilnahme daran, als Unterstützung für die angebliche “Kriminelle Organisation” gewertet.
Der Eindruck bleibt, dass die Anwendung des §278a eine Strategie der Soko und des Staatsanwalts ist, um Demos, die Unternehmen wie Kleider Bauer lästig sind, unmöglich zu machen. Von Beginn der Ermittlungen an war es das Ziel der Soko (wie in einem Protokoll Anfang April 2007 niedergeschrieben) “alle administratives Möglichkeiten zur Untersagung der Demos auszuschöpfen”.
Laut einem Zeugen sollte die Wiener Behörde die Anti-Pelz-Versammlungen lediglich neu einschätzen. Interessanterweise mündete diese Neubeurteilung im April 2007 in weiteren Demoverboten.
Auch im Strafantrag nehmen Demos viel Platz ein und werden kriminalisiert. Dieses Vorgehen wird im Prozess fortgeführt. Damit wird ein Zeichen gesetzt an alle Leute, die sich überlegen, Demos zu machen: Wenn mensch alleine durch die Organisation von / die Teilnahme an Demos Gefahr läuft, vor Gericht gestellt zu werden, bedeutet das eine massive Einschüchterung für alle politisch aktiven Menschen. Und es bedeutet die Einschränkung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit.
In Wien werden derzeit alle Versammlungen direkt vor Kleider Bauer untersagt. Als Vorwand dient das Argument der “Geschäftsschädigung”, auch wenn es nie für nötig befunden wurde, Nachweise für einen Umsatzrückgang zu verlangen. Damit werden Kapitalinteressen über Meinungs- und Versammlungsfreiheit gestellt. Faktisch bedeuten die Untersagungen eine Bannmeile um Kleider Bauer und Hämmerle, die es sonst nur vor dem Parlament während Sitzungen und bei manchen Botschaften gibt.
Kundgebungen waren und sind ein wichtiges Mittel der Öffentlichkeitsarbeit bei unseren Kampagnen, und werden das auch weiterhin sein. Es ist uns immer darum gegangen zu zeigen, dass Tiere keine Waren sind und um ihrer selbst willen leben sollen. Genau das zu vermitteln wird mit Demo-Untersagungen verhindert. Die Behandlung von Demos (bei denen keine Straftaten stattgefunden haben) in einem Strafverfahren und die Untersagungen von Kundgebungen durch die Versammlungsbehörde zielen alle in eine Richtung: Die Verdrängung kritischer und unangepasster Menschen aus dem öffentlichen Raum und die Verunmöglichung politischen Engagements