tierrechtsprozess
Stimmungsbilder aus dem laufenden Prozess gegen die Tierrechtsbewegung in Österreich
Tage 18 bis 20: Erste ZeugInnen der Anklage, P&C, Kleiderbauer
Categories: der Prozess

Tag 18 – 26.04.2010: Identitätskontrollen, PolizeischülerInnen und Peek&Cloppenburg

Völlig überraschend und ohne jede Vorankündigung hat Richterin Sonja Arleth nach einer ca. einwöchigen Verhandlungspause mit Beginn des 18. Verhandlungstages, dem 26.04.2010, eine neue repressive Praxis am Landesgericht Wiener Neustadt eingeführt: Während die ZuhörerInnenschaft bisher „nur“ mit Metalldetektoren gescannt und manuell durchsucht wurden, werden ab sofort Platzkarten nur mehr gegen Hinterlegung eines Personalausweises abgegeben. Darüberhinaus befindet sich bereits um 08:00 eine größere Gruppe von ca. 40-50 Personen im Verhandlungssaal die offensichtlich nicht zu interessierten BürgerInnen oder NGO-AktivistInnen gehört: Wie sich noch herausstellen wird, handelt es sich bei den 40-50 Personen um PolizeischülerInnen, die offenbar von der „Sicherheitsakademie Traiskirchen“ jeden Tag frühmorgens per Bus herangekarrt werden, um 40-50 Sitzplätze im Verhandlungssaal der interessierten Öffentlichkeit wegzunehmen. Offensichtlich ist weder Richterin Arleth, noch das Landesgericht Wr. Neustadt an einer neugierigen oder gar kritischen Prozessbeobachtung interessiert. Die PolizeischülerInnen (überwiegend Männer) lesen während der Verhandlung in ihren Lernunterlagen; die Verhandlung scheint sie jedenfalls nicht zu interessieren.

So kommt es, dass seitdem viele zivile Personen, welche den Prozess gerne verfolgen möchten, keine Platzkarten mehr erhalten und so faktisch die in der StPO vorgeschriebene Öffentlichkeit in unzulässiger Weise eingeschränkt wird. Obwohl Richterin Sonja Arleth regelmäßig versucht zu behaupten, dass es sich „um keinen politischen Prozess“ handelt, ist diese Vorgangsweise – Befüllen des Verhandlungssaales mit PolizeischülerInnen – eine beliebte Maßnahme bei genau eben jenen – „politischen Prozessen“. Besonders pikant, war auch, dass unmittelbare Angehörige der Angeklagten, z.B. der Vater eines Angeklagten oder meine Großmutter, wegen den PolizeischülerInnen nicht mehr die Verhandlung beobachten konnten. Um diese medial unattraktive Situation zu lösen, hat das Gericht nicht etwa veranlasst einen Polizeischüler aus den Saal zu bitten, sondern den o.g. Vater eines Angeklagten einen JournalistInnen-Sitzplatz zugewiesen: Die reservierten Plätze der PolizeischülerInnen sollen also um jeden Preis unangetastet werden. Das Gericht opfert lieber einen Presseplatz bevor es einen gelangweilten Polizisten nach Hause schickt: Stimmt, letzterer verfasst sicherlich keine kritischen Medienbeiträge…

Von zwei bisher anwesenden Filmteams erfahre ich, dass ihnen nunmehr auch das Filmen nicht nur während der Verhandlung, sondern überhaupt – im ganzen Gerichtsgebäude – untersagt wurde. Hat hier irgendjemand Angst sein / ihr Gesicht in dem einen oder anderen Dokumentarfilm zu zeigen? Die Angeklagten sind es jedenfalls nicht.

Formal begann der 18. Verhandlungstag mit der Ablehnung des Antrags den gerichtlich beeideten Linguisten Wolfgang Schweiger als befangen abzulehnen: Er hätte in einen Zeitungsinterview nach der Erstellung (nicht Erstattung) seines Gutachtans den Erstbeschuldigten DDr. Martin Balluch nach gelegt sich schuldig zu bekennen. Dies sei kein Befangenheitsgrund, so die Richterin Sonja Arleth, weil das Ergebnis seines Gutachtens ja eine Schuldigkeit Balluch’s nahelege.

Anstatt des Aufrufs des ersten Belastungszeugen wurden dem Erstbeschuldigten Martin Balluch von der Richterin Arleth neu entdeckte, aber jahrzehnte alte, Fadinger-Emails vorgehalten. Im Wesentlichen ging es darin – ebenso wie bei allen anderen vorgehaltenen Fadinger-Emails – um Gesinnungsäußerungen; Noch dazu konnte nicht einmal eindeutig die Urheberschaft dieser Emails DDr. Balluch’s zugeordnet werden.

Im Hinblick auf den erwarteten Zeugen – dem Geschäftsführer von Peek&Cloppenburg Wien – brachte Rechtsanwältin Dr.in Alexia Stuefer eine umfassende Aktionsliste der www.offensive-gegen-die-pelzindustrie.org ein, aus der hervorging, dass die dort auch angeführten strafbaren Aktivitäten nur einen verschwindend geringen Anteil gegenüber den aufgelisteten Demonstrationen ausmachten.

Danach wurde der Geschäftsführer der P&C-Filialen Wien Mariahilferstraße und SCS einvernommen. Gegen P&C gab es eine jahrelange Kampagne, die 2006 erfolgreich beendet wurde: P&C ist schlussendlich aus dem Pelzhandel ausgestiegen. Die Befragung dreht sich um Demos, Home-Demos, Kontakt zu TR-AktivistInnen etc… Keine konkreten Aussagen gibt es zu allfälligen kriminellen Aktivitäten der Angeklagten. Auf Frage des Zweitbeschuldigten erklärte der Geschäftsführer, dass P&C während der damaligen Pelzkampagne sogar weitere neue Filialen eröffnete. Einen allfälligen Umsatzverlust könne er nicht nachweisen.

Ähnlich ging es nachmittags weiter mit der Befragung eines Geschäftsführers der Firma Fürnkranz, gegen die eine Antipelz-Kampagne geführt wurde. Die Richtern fragte nach allfälligen Emailverkehr mit PelzgegenerInnen, zu den Demos und ob er vom Schicksal des Pelzverkaufs bei P&C wußte. Besonders pikant war, dass ebenjener Fürnkranz-Geschäftsführer im FALTER ein Interview gegeben hatte, in dem er offensichtlich falsche Behauptungen über die Tierrechtsdemontrationen aufstellte. Nur unter Widersprüchen konnte er seine Aussagen im Interview und in seiner Zeugeneinvernahme aufrecht halten. Bezeichnend für das Verfahren war auch die erhellte Tatsache, dass der Fürnkranz-Geschäftsführer mit dem Chef der Sonderkommission gegen den Tierschutz – Josef Böck – in die Volksschule gegangen war.

Wenig überraschend übernimmt auch bei den ZeugInnenbefragungen die Richterin Arleth die Rolle des Staatsanwalts Handler: Anstatt sich zurückzulehnen und sich Belastendes vom Staatsanwalt und Entlastendes durch die Verteidigung anzuhören, stellt sie selber immer nur jene Fragen die man eigentlich von der Anklageseite erwarten würde. So kommt es auch, dass der Staatsanwalt sich selten bis gar nicht zu Wort meldet: Richterin Sonja Arleth nimmt Staatsanwalt Wolfgang Handler souverän die Arbeit ab. Selbst bei so mancher Entscheidung über Anträge der Verteidigung fragt sie um die Meinung ihres Sitznachbarn Handler.

Auch deutlich bei fast allen Befragungen der BelastungszeugInnen zu erkennen, ist die Kriminalisierung der völlig legalen und verfassungskonformen angemeldeten und nicht untersagten Demonstrationen vor den jeweiligen Geschäften: Waren die DemonstrantInnen „aggressiv“ (Kein Straftatbestand, es gab auch keine einzige Anzeige gegen DemonstrantInnen); Führten die Demos zu Umsatzeinbußen? (Keine einziger Umsatzverlust nachgewiesen; selbst wenn, ist ein solcher durch den Verfassungsrang des Versammlungsrechts gestützt); Haben Sie sich bedroht oder gefährdet gefühlt?; usw, usf, …

Äußerst unangenehm und rechtlich mehr als fragwürdig ist auch die Praxis der Richterin praktisch alle Fragen der Verteidigung und der Angeklagten umzuformulieren bevor sie an den Zeugen / die Zeugin gerichtet werden. Oft mutieren klare sachlich wohlbegründete Fragen so zu Suggestivfragen, wo man den Eindruck bekommen könnte, dass die Richterin Arleth den ZeugInnen die „richtige“ Antwort in den Mund legen will: Zumal die Fragen der Angeklagten oft Entlastendes zu Tage zu bringen versuchen, fragt die Richterin dann deutlich betont „… oder wissen Sie es nicht? Wenn Sie sich nicht mehr erinnern können, dann sagen Sie das bitte!“

Tag 19 – 27.04.2010: Hauptbelastungszeuge Peter Graf – Kleiderbauer

Die Ergebnisse einer naiven und chaotischen Prozessplanung manifestierten sich bereits bei den ersten Tagen der Angeklagteneinvernahmen. Ebenso absurd muten die Zeitpläne für die einzuvernehmenden ZeugInnen an: Für den 18. Verhandlungstag waren vier ZeugInnen vorgehsehen, nur einer konnte vollständig abgeschlossen werden. Wenn es um die Vorbehaltung von Anträgen geht (anstatt wie grundsätzlich vorgesehen sofort zu entscheiden), ist von Richterin Sonja Arleth recht schnell zu hören, dass es sich um ein außergewöhnlich umfangreiches Verfahren handelt. Das hätte sie allerdings auch bei der Termineinteilung berücksichtigen können, anstatt die Verzögerungen (die durchwegs an ihrem Verhandlungsstil liegen) auf die Ausübung des den Angeklagten und ihrer Verteidigung zustehenden Fragerechts zu schieben. Abgesehen davon ist nicht ersichtlich, warum die Größe und der Umfang dieses Verfahrens Vorbehalte bei der Entscheidung über Anträge notwendig machen könnte: Vielmehr entsteht der Eindruck, dass sich die Richterin von externen Quellen beraten lässt, mit welcher Begründung sie Anträge der Verteidigung ablehnen könnte (Was in der Mehrheit der Anträge auch tatsächlich geschieht).

Am 19. Verhandlungstag wurde also die Zeugenbefragung des Geschäftsführers der Fa. Fürnkranz abgeschlossen und die Befragung eines der beiden Geschäftsführer der Firma Kleiderbauer KBS Betriebs-GmbH begonnen: Peter Graf.

Gleich eingangs antwortete er der Richterin, dass er von der Antipelzkampagne gegen Peek und Cloppenburg aus Branchendiskussionen, eigener Wahrnehmung und von Gesprächen mit der P&C-Geschäftsführung wusste. Damals – zu Beginn der Kampagne gegen den Pelzverkauf bei Kleiderbauer – wusste Peter Graf nichts von Sachbeschädigungen zum Nachteil von Peek&Cloppenburg, lediglich von Demos und verklebten Schlösser habe er gehört. Zum ersten Mal sei er von den Vier-Pfoten kontaktiert wurden, die ihm eine Anti-Pelz-Kampagne ab Herbst 2006 angekündigt hätten, Dem Schreiben sei eine Pelzverzichtserklärung beigelegen. Kleiderbauer habe sich allerdings entschlossen, keinen Kontakt mit „Tierschützern“ aufzunehmen. Sämtliche derartige Aufforderungen zum Dialog seien also nicht beantwortet, sondern gesammelt und später der Polizei übergeben worden.
Ab 27. Oktober 2006 fand die erste Demonstration vor der Kleiderbauer-Zentrale statt, die er – Peter Graf – als Drohung empfunden hätte, denn es wurden Parolen, wie „Kleiderbauer-Tiermörder!“ und „Graf komm raus!“, gerufen. Er legte Fotos von den Demonstrationen vor: Man sah eine Wäscheleine mit Fotos von Pelztieren, die vor dem Geschäft aufgebaut gewesen sei. Es seien Plakate vor dem Eingang gehalten, Flugblätter verteilt und Parolen skandiert worden. Die DemonstrantInnen hätten KundInnen angepöbelt, beschimpft und am Betreten gehindert. Die KundInnen hätten sich beleidigt gefühlt und damit gedroht, nicht mehr bei Kleiderbauer einzukaufen, und zwar nicht wegen des Pelzverkaufs, sondern wegen der Störung durch die Kundgebungen. Es habe aber – so müsse er der Ehrlichkeit halber auch anfügen – viele Personen gegeben, die sich über den Pelzverkauf bei Kleiderbauer beschwert hätten.
Peter Graf und sein Bruder hätten ein juristisches Privatgutachten in Auftrag gegeben, welches die Kundgebungen gegen Pelz bei Kleiderbauer als verfassungswidrig zu erkennen glaubte. Es hätte daraufhin auch eine kurze Phase von Demonstrationsuntersagungen gegeben. Später wurden die Demos allerdings wieder genehmigt.

Danach zählte der Kleiderbauer Geschäftsführer Peter Graf etliche Sachbeschädigungen gegen die „KBS Kleiderbauer Betriebs GmbH“ auf, die von ihm alle mehr oder weniger „den Tierschützern“ zugeordnet wurden. Hier gilt es festzuhalten, dass die Angeklagten keiner einzigen dieser Sachbeschädigungen bezichtigt werden. Besonders kreativ vermengte Peter Graf in seiner Aufzählung strafrechtswidrige Sachbeschädigungen mit legalen Aktionen zivilen Ungehorsams, wie z.B. Run-Ins, zu denen sich manche der Angeklagten offen bekennen.

Auf Frage der Richterin gab Peter Graf an, dass mit der Ausnahme von Graz alle anderen von Buttersäureanschlägen betroffenen Filialen am nächsten Tag wieder geöffnet waren. Lediglich die Allianz-Versicherung hätte sich geweigert den Versicherungsvertrag zu verlängern. Der Anteil von echtpelzbesetzter Kleidung sei weit unter einem Prozent. Ob Kleiderbauer irgendwann den Pelzverkauf eingestellt habe, fragte die Richterin. Nein, sagte der Zeuge, der Pelzverkauf werde von den KundInnen erwartet. Ob er sich denn rechne, wollte die Richterin wissen. Das sei egal, platzte es aus dem Zeugen heraus, angesichts der Kampagne würde er auch noch den letzten Pelzmantel in die Auslage hängen.

Nach einer kurzen Verhandlungspause ließ es sich die Richterin wieder einmal nicht nehmen völlig irrelevantes in verfahrensverzögender Weise in die Verhandlung einzubringen. Sie diktierte in das Protokoll, dass sie in der Pause von einer unbekannten Person als „Faschistin“ bezeichnet wurde. Möglicherweise zielte das Kommentar auf ihren Verhandlungsstil und insbesondere die Besetzung des Gerichtssaales durch PolizeischülerInnen ab. Die Praxis öffentliche Prozesse durch massive Polizeipräsenz zu dramatisieren und die Öffentlichkeit einzuschüchtern und auszuschließen beherrschte schon 1934 der damalige Berliner Gerichtspräsident Roland Freisler im nationalsozialistischen Volksgerichtshof, wie ein Angeklagter am Anfang des Tages ob der PolizeischülerInnen anmerkte.
Passend dazu warf die Richterin gleich nach der Mittagspause ein Dokumentarfilmteam nicht nur aus dem Gerichtssaal, sondern aus dem Gerichtsgebäude; und das obwohl der Filmemacher eine Drehgenehmigung durch den Gerichtspräsidenten vorweisen konnte. – Öffentlichkeit offensichtlich unerwünscht!

Nach wenigen Fragen des Staatsanwaltes Wolfgang Handler ging das Fragerecht an die Verteidigung:

RA Mag. Stefan Traxler legte eines von vier Protokollen der Gründungssitzung der „SOKO gegen den Tierschutz“ vor (offiziell etwas sperriger: „Sonderkommission zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität zum Nachteil des Bekleidungshandels, insbesondere der Fa. KLEIDERBAUER/HÄMMERLE“). Aus dem vorgelegten SOKO Gründungssitzung Protokoll 2v4 – 20070405 vom 5. April 2007 geht hervor, dass „kein klarer Zusammenhang zwischen Demonstrationen und Sachbeschädigungen“ besteht. Alle vier SOKO-Gründungsprotokolle finden sich HIER:
SOKO Gründungssitzung Protokoll 1v4 – 20070404
SOKO Gründungssitzung Protokoll 2v4 – 20070405
SOKO Gründungssitzung Protokoll 3v4 – 20070410
SOKO Gründungssitzung Protokoll 4v4 – 20071218.
Pikant war auch der nächste Vorhalt des Rechtsanwaltes an den Zeugen Peter Graf: In einem email wurde ein (tierschutzmotivierter) Vandalismusakt der Kleiderbauer-Versicherung als „Einbruchsdiebstahl“ gemeldet; Ein klarer Fall von versuchtem Versicherungsbetrug, zumal der Selbstbehalt bei Vandalismus ein anderer ist als bei Einbruchdiebstahl. Peter Graf bestätigte sogar dieses email, doch weder Staatsanwalt Mag. Wolfgang Handler, noch Richterin Mag. Sonja Arleht machten Anstände diese mutmaßliche Gesetzesübertretung genauer zu hinterfragen; – im Gegenteil: Sie ließ den Vorhalt nicht zu und drängte den Verteidiger zur nächsten Frage…
Der nächste Vorhalt war nicht weniger heiß: Seit Jahrzehnten gibt es Buttersäureanschläge gegen Pelzgeschäfte; – nicht nur gegen Kleiderbauer. Bei allen lag die Schadenssumme zwischen fünf bis maximal 20.000,– EUR. Einzig beim Buttersäureanschlag gegen Kleiderbauer Graz wurde von den Gebrüdern Graf eine 25 mal höhere Schadenssumme angegeben: € 479.000,– wurden bei der erstmaligen Einvernahme angegeben, wie RA Traxler vorhielt. Die Versicherung weigerte sich jedenfalls diesen Betrag auszuzahlen und wurde daraufhin von der Fa. Kleiderbauer geklagt. Aber nicht etwa auf die angegebenen € 479.000,–, sondern interessanterweise auf „nur“ € 350.000,–. Das Ergebnis des Klagsverfahrens war ein außergerichtlicher Vergleich – ohne Akteinsicht durch die im Tierrechtsprozess Angeklagten – an dessen Ende die Versicherung € 257.000,– an Kleiderbauer zahlte (wie sich später noch herausstellen sollte). Für welchen Schaden bzw. für welche Schäden, das war an diesem Verhandlungstag noch unklar…

Zwischenzeitlich versuchte der Verteidiger Mag. Josef Phillip Bischof sein Glück: Er wollte dem Zeugen Peter Graf mehrere Fachzeitschriften und einen Internetausdruck vorlegen, die belegten, dass Peek und Cloppenburg zur Zeit der Kampagne gegen den Pelzverkauf bei P&C keinen Umsatzrückgang, sondern im Gegenteil, eine Umsatzsteigerung verzeichnete. Damit wäre das für eine Nötigung erforderliche Drohpotenzial nicht gegeben und somit konnte sich Kleiderbauer nicht vor einer angekündigten „Kampagne wie gegen P&C“ fürchten. Die Richterin wollte auch dieses entlastende Argument nicht weiter verfolgen und lies die Vorhalte nicht zu.

RA Mag. Stefan Traxler stellte wieder Fragen: Ja, beim Vergleich mit der Allianz zum Buttersäureanschlag Graz sei eine Geheimhaltungsklausel vereinbart worden. Und: Die angeblich dabei beschädigte Ware (das ganze Sortiment!) sei nicht mehr vorhanden. Der Zeuge und Geschäftsführer von Kleiderbauer fügte noch an, dass er den Rechtsanwalt Traxler wegen Aussagen in einem Online-Interview (http://diewahrheit.at/video/das-ganze-ist-eine-farce) auf Unterlassung verklagen werde. [Anmerkung: Das ist auch geschehen, der verlauf dieses „Nebenschauplatz“ ist auf der o.a. Seite und auch im Standard nachzulesen]

Tag 20 – 04.05.2010: Auto gegen Demo – Die Pressesprecherin Kleiderbauer Marjan Firouz

Der erste Höhepunkt dieses Tages war ein exzellent ausformulierter Antrag des Verteidigers Dr. Harald Karl den lingusitischen Sachverständigen Dr. Wolfgang Schweiger zu entheben und durch einen kompetenten und unbefangenenen Sachverständigen zu ersetzen: Der bisherige gerichtlich beeidete sachverständige Linguist Schweiger hatte nämlich grob die Gesetze der Linguistik verletzt und sich noch dazu in Interviews und in aktenkundiger Kommunikation mit der SOKO gegen den Tierschutz des Verdachts der Befangenheit ausgesetzt.
Alle Details dazu hier: http://tierschutzprozess.at/tierschutzprozess-20-tag/. Lesenswert!

Für den heutigen Verhandlungstag war unter anderen die damalige Pressesprecherin des Kleiderbauer-Konzerns Marjan Firouz geladen. Sie hatte etliche der pelzkritischen emails erhalten, ihr Auto wurde von unbekannten TäterInnen mit Farbe überschüttet und sie blieb mit ihrem Auto in einer Demo stecken in die sie hineingefahren war. Sie hatte einen Antrag auf „kontradiktorische Einvernahme“ gestellt, der üblicherweise nur bei Opfern von Gewalttaten oder Sexualverbrechen zum Tragen kommt. In entsprechender Fortsetzung der Empfehlungen im SOKO-Gründungsprotokoll „die Tierschützer in ein radikales Licht“ zu rücken, gab die Richterin dem Antrag statt und ging mit der Zeugin in einen eigens dafür präparierten Raum. Die Vernehmung erfolgte dort nur zwischen Richterin und Zeugin. Die Angeklagten und die Öffentlichkeit konnten nur passiv auf einer Videowand der Befragung folgen. Jedes Jahr gibt es 4500 Opfer von schweren Sachbeschädigungen. Mir ist kein Fall bekannt, wo ein Opfer kontradiktorisch einvernommen wurde. Noch skurriler mutet die Opferrolle einer Person an, die mit einem 100PS Auto in eine angemeldete acht-Personen-Demonstration fährt, und DANN behauptet sich gefürchtet zu haben. Und das obwohl trotz penibler Suche keinerlei Kratzer oder sonstiger Sachschaden auf dem Fahrzeug zu finden war.
Die Demonstration vor der Kleiderbauer-Zentrale war von einem Angeklagten der der Basisgruppe Tierrechte (www.basisgruppe-tierrechte.org) zugeordnet wird angemeldet worden. Auf dem Auto welches Firouz durch die Demo zu lenken versuchte, wurden Fingerabdrücke von zwei Angeklagten der Basisgruppe Tierrechte gefunden. Die Pressesprecherin Marjan Firouz gab an, dass die DemonstrantInnen auf Ihr Auto eingeschlagen hätten. Sie hätte sich bedroht gefühlt und Todesangst ausgestanden.
Ähnlich ging es ihr bei der nächtlichen „Umlackierung“ ihres Dienstfahrzeuges durch unbekannte Täter: Firouz gab an, seitdem nicht mehr angstfrei außer Haus gehen zu können.

RA Mag Josef Phillip Bischof hielt der Zeugin jenes Flugblatt vor, welches ihr bei der Demonstration vor der Filiale überreicht wurde: Darauf war explizit zu lesen, dass sich die Proteste immer gegen die Geschäftspolitik, jedoch niemals gegen die angestellten MitarbeiterInnen wenden. Im Flugblatt wurden jene Angestellten die Kleiderbauer’s Pelzpolitik kritisch gegenüberstanden aufgefordert, ihre Meinung intern auch gegenüber der Geschäftsführung zu artikulieren. Ob die Zeugin das Flugblatt kenne und es gelesen und verstanden hatte, wollte Anwalt Bischof wissen. Ja, sie hätte es als bedrohliche empfunden. Was sie als bedrohlich empfunden hätte, hakte die Richterin nach. Dass sie dazu gebracht werden sollte, aus dem Pelzhandel auszusteigen, war die lapidare Antwort.
Der Verteidiger Bischof forderte die Zeugin Firouz auf, eine Skizze vom Vorfall bei der Demonstration an der Firmenzentrale anzufertigen und den Tathergang zu schildern. Firouz folgte der Aufforderung, fertigte aber eine unbrauchbare Skizze an, die mehr an das Werk eines Kleinkindes als an eine Darstellung eines Tatortes erinnerte, was zu Lachern im Publikum führte. Sie wäre zu Fuß vom Firmengebäude durch die Demonstration zu ihrem Auto gegangen. Anwalt Bischof hakte nach: Warum haben Sie nicht die Polizei gerufen? „Ich habe mich zuerst retten wollen“, gab die Zeugin an.

Bei einem Angeklagten, welcher zufälligerweise in jenem Fitnesscenter jobbte, in dem Firouz Kundin war, wurden Screenshots der KundInnendatendatei gefunden aus denen die Privatadresse Firouz hervorging. Damit sollte suggeriert werden, er hätte was mit dem Anschlag auf das Fahrzeug der Pressesprecherin zu tun. Rechtsanwältin Dr.in Alexia Stuefer hielt der Zeugin ihre Homepage und das digitale Telefonbuch vor, aus denen ihre private Wohnadresse hervorging. Somit sei es zur Durchführung einer Sachbeschädigung niemals überhaupt nötig gewesen sich zu diesem Zweck im Fitnesscenter anstellen zu lassen und Screenshots anzufertigen.

Zwischenzeitlich wurde die Befragung der Zeugin Marjan Firouz unterbrochen und der dritte Graf-Bruder, Thomas Graf, seines Zeichens Besitzer jener EDV-Firma, welche Kleiderbauer in IT-Belangen betraut, durchgeführt. Die Befragung war jedoch kurz und im Wesentlichen sinnlos und uninteressant.

Nach der Mittagspause wurde die Befragung der Presseprecherin des Kleiderbauer-Konzerns wieder fortgesetzt. Neben anderen Fragen der Angeklagten, fragte der Fünftangeklagte, DI Elmar Völkl, die Zeugin, ob sie es war, die Aktenbestandteile an den FALTER-Journalisten Florian Klenk weitergegeben habe. Ihm sei eine Sendung „Seitenblicke“ erinnerlich, wo er die Zeugin Firouz und den Journalisten Klenk gemeinsam auftreten gesehen hatte. Die Frage wurde nicht zugelassen.

Zuletzt an diesem Verhandlungstag erschien der Lagerleiter der Kleiderbauer-Zentrale. Er entdeckte als erster, dass eines Tages die LKW-Zufahrt zum Kleiderbauer-Lager mit einer Motorradkette versperrt worden war. Viel mehr als diese bloße Tatsache konnte er aber auch nicht einbringen. Immerhin bezeugte der Mann, dass die von ihm beobachteten Demonstrationen „an und für sich friedlich“ abgelaufen waren. Im Hinblick auf den Verbleib der angeblich beim Buttersäureanschlag Graz beschädigten Ware meinte er, diese sei „reduziert“ in den eigenen Filialen verklauft worden. Verschenken von Ware konnte er sich jedoch nicht vorstellen.

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