tierrechtsprozess
Stimmungsbilder aus dem laufenden Prozess gegen die Tierrechtsbewegung in Österreich
Tage 14-17: Innenansichten eines ‘Beweisverfahrens’
Categories: der Prozess

Seit dem 14. Verhandlungstag, dem 8. April 2010, läuft das Beweisverfahren.

Das heißt, dass Sach- und Personenbeweise ins Verfahren eingeführt werden. Sachbeweise sind schriftliche Dokumente, Urkunden, Videofilme, Audioaufnahmen, etc. Personenbeweise sind ZeugInnen von strafbaren (oder anderen verfahrensrelevanten) Sachverhalten, GutachterInnen oder andere Sachverständige.
In Wiener Neustadt sind seit Eröffnung des Beweisverfahrens mittlerweile etliche Personen zum Wort gekommen. Bisher allerdings ausschließlich nur Personen die vom anklagenden Staatsanwalt vorgeschlagen wurden. Sozusagen also “BelastungszeugInnen”. Wenig überraschend hat die Richterin Sonja Arleth ALLE vom Staatsanwalt Wolfgang Handler vorgeschlagenen Personen auch tatsächlich geladen. Einige aber hatten anscheinend Besseres zu tun, und sie sind – trotz Verpflichtung der Ladung Folge zu leisten – einfach nicht erschienen. Dazu aber später…

Ich möchte in meinem BLOG ab sofort aber nur mehr auf die atmosphärische Stimmung im Verhandlungssaal und ausgewählte “Highlights” aus dem Verfahren eingehen.

Für ausführliche und objektive 1:1 Berichterstattung vom laufenden Tierrechtsprozess möchte ich noch einmal auf die Seite http://www.TIERSCHUTZPROZESS.at – betrieben von unabhängigen ProzessbeobachterInnen – verweisen.

Auch eine Solidaritätsgruppe sorgt für tagesaktuelle Berichterstattung aus dem Verhandlungssaal: http://ANTIREP2008.org
Tag 14 – 08.04.2010

Jedenfalls wurde die Einvernahme des Dreizehntbeschuldigten Harald Balluch durch Fragen und Anmerkungen der anderen Angeklagten abgeschlossen.
Nachmittags erschien als erste Zeugin im Beweisverfahren eine Ermittlungsleiterin der polizeilichen Sonderkommission gegen den Tierschutz Frau Chefinspektor Dipl.-HTL-Ing. Bettina Bogner. Die Polizeibeamtin wurde von der Richterin in ungewohnt freundlichen Ton empfangen. Die Angeklagten wurden – freundlich gesagt – besonders „nüchtern“ behandelt. Die erste Amtshandlung der Richterin war sogleich die Polizeibeamtin darauf aufmerksam zu machen, dass von Seiten der Angeklagten mehrmals behauptet wurde, dass die Polizei in ihren Ermittlungsberichten die Unwahrheit verbreitet habe. Bevor sich Frau CI Bogner also selbst belasten würde, könne sie – als zur wahrheitsgemäßen Aussage verpflichteten Zeugin – die Aussage verweigern.

Nach einer kurzen Unterbrechung bat die Richterin die im Saal anwesenden PolizeibeamtInnen die Saaltüre zu schließen, merkte aber an, dass die Polizei nicht für so etwas da sei. Eine unbekannte Person rief daraufhin aus: „Dann ist sie wenigstens für irgend etwas gut!“, was zu zahlreichen Lachern im Publikum und auf den Angeklagtenbänken führte.

Eine der ersten Fragen der Richterin war, warum es der Kriminalpolizei in keinem einzigen Fall gelungen sei, die unmittelbaren TäterInnen einer tierrechtsmotivierten Sachbeschädigung festzustellen. Auf CI Bogner’s Antwort, dass die TäterInnen oft ganz einfach keine Spuren hinterlassen hatten, fragte die Richterin sofort nach, ob dies ein Indiz für die Existenz von ‘Anleitungen zum spurenfreien Durchführen von Straftaten’ sei. CI Bogner antwortete kühl und logisch nachvollziehbar: „Das ist mir zu spekulativ, das würde ich so nicht sagen“. Die DNA-Spuren die bei einem Brandanschlag von vor über 10 Jahren gefunden und jetzt ausgewertet wurden, konnten keiner beschuldigten Person zugeordnet werden.

Wie man denn dann auf die jetzt hier sitzenden Angeklagten gekommen sei, fragte die Richterin weiter. Nach einer antifaschistisch motivierten Sachbeschädigung bei einem Treffen der AFP („Akademie für demokratische Politik“, lt. www.doew.at: ausgesprochen rechtsextreme Tendenz) habe man das Telefon eines Verdächtigen überwacht und sei so auf insgesamt 39 Beschuldigte gekommen. Das Verfahren gegen 26 Beschuldigte wurde noch vor Prozessbeginn wegen fehlender Verdachtsmomente eingestellt, so blieben die 13 heute hier Sitzenden übrig; alle hätte miteinander telefonischen Kontakt.

Das Witzige an dieser Aussage Bogner’s ist, dass es zwischen so mancher „eingestellten“ und so mancher angeklagten Person, keine faktischen Differenzen gibt. Mache Angeklagte werden schwächer belastet, als manch andere Person deren Verfahren eingestellt wurde. Auffällig ist, dass praktisch der gesamte Kern des Vereins gegen Tierfabriken und die aktivsten Mitglieder der Basisgruppe Tierrechte auf der Anklagepunkt befinden.

Eine zentrale These des Strafantrags ist ja der Vorwurf einer „Doppelstrategie“ legalen Campaignings einerseits und der Drohwirkung strafbarer Aktivitäten andererseits. Wie CI Bogner auf diese Idee gekommen sei, fragte die Richterin. CI Bogner antwortete frappant unverblümt, dass ihr diese Idee von zu Besuch gekommenen englischen PolizistInnen nahegelegt wurde; in England seien einige TierrechtsaktivistInnen zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden, weil sie – angeblich – eine vordergründig legale Kampagnenwebseite betrieben hätten, mit der Absicht damit strafbare Handlungen gegen dein Tierversuchslabor zu fördern. (Anmerkung: www.shac.net)
Interessant auch die Begründung CI Bogner’s, warum sich die SOKO bei den 23 Hausdurchsuchungen am 21.Mai 2008 für überraschendes gewaltsames Eindringen entschieden hatte: Man wollte digitale Daten sichern und den Betroffenen keine Chance zur Datenvernichtung geben. Einfaches Stromabschalten hätte – lt. CI Bogner – Datenverlust bedeutet.
Deshalb musste man die Tür auframmen und bewaffnet vorgehen.

Die Befragung CI Bogner’s durch die Verteidigung bestätigte die Hinweise, dass „Verdeckte ErmittlerInnen (VE)“ und „Vertrauenspersonen (VP)“ im Einsatz waren. Warum deren Ermittlungsergebnisse nirgends im akt aufschienen, wollte Rechtsanwalt Mag. Stefan Traxler wissen. Weil es sich nur um Strukturermittlungen zur Gefahrenabwehr gehandelt habe, antwortete CI Bogner. Offen blieb die Frage, warum Strukturermittlungen zur Gefahrenabwehr keine relevanten Ergebnisse gebracht hat. Entweder wurden konkrete Gefahren abgewehrt, also Straftaten verhindert, oder es konnte keine Planung oder sonstige Unterstützung von Straftaten durch VE und VP beobachtet werden. Letzteres ist jedenfalls ein nicht unwichtiges entlastendes Indiz!

Verdeckte ErmittlerInnen, also anonyme PolizeibeamtInnen, seien versucht worden in BAT- und VGT-Kreise einzuschleusen. Mit den zivilen Vertrauenspersonen jedoch – denen man Geld gegen Informationen anbiete – sei man nicht so erfolgreich gewesen.

Seitens der Verteidigung wurden CI Bogner weitere Verletzungen des §3 StPO vorgehalten – nämlich der Verpflichtung Entlastendes und Belastendes gleichermaßen zu ermitteln und an das Gericht weiterzugeben: So sei z.B. durch einen verdeckten Ermittler der Zwölftbeschuldigten, Monika Springer, bei einem Veganismus-Infotisch ihre PET-Flasche abgenommen wurden, um ihre DNA-Spur zu bekommen. Ergebnisse der DNA-Vergleich mit Tatortspuren fänden sich aber nicht im Akt. Die Flasche sei ihr zwar mit dieser Intention abgenommen worden, so CI Bogner, aber es wurden dann keine DNA-Abgleiche durchgeführt. Wahrscheinlich ist, so meinen ProzessbeobachterInnen, dass es eben keinen „Match“ Springer’s DNA mit Tatort-DNA gab und dieses entlastende Ergebnis vertuscht werden sollte.

Ähnlich verhält es sich mit den Ergebnissen der Peilsender- und Handyortung. Obwohl beide Maßnahmen monatelang durchgeführt wurden, gibt es keine Ergebnisse im Akt. Das entlastende Indiz, dass also offenbar keineR der Angeklagten jemals zum Tatzeitpunkt sich an einem Tatort befand wird ebensowenig erwähnt, wie das selbe Ergebnis der personellen Observation. Keine der observierten Personen wurde jemals zeitlich und örtlich einer Straftat zugeordnet!

Tag 15 – 12.04.2010

Am heutigen Prozesstag wurde nur ein Zeuge der englischen Polizei – ursprünglich Andy Robbins, dann stattdessen John Madigan – , der sich mit politischem Extremismus auseinander setzt, befragt. Er zeigte sich über österreichische Verhältnisse völlig uninformiert und meinte auch, dass es zwischen den von ihm verfolgten englischen Personen zu Österreich keine Kontakte gegeben habe. Zur relevanten Tatzeit war auch niemand der österreichischen Angeklagten in England. Eigentlich war niemandem klar, warum dieser Zeuge überhaupt geladen und befragt wurde.

Ganz offensichtlich war die einzige Intention der Ladung eines englischen Polizisten, möglichst starke Parallelen zwischen den englischen Verurteilungen (http://www.shac.net/features/prisoners.html) und den österreichischen Angeklagten zu ziehen. – Auch wenn es faktisch keinerlei personelle Kontakte zwischen den TierrechtsaktivistInnen gab. Die englischen Verurteilten hatten sich bereits schon während des Verfahrens aufgrund schwerwiegender Beweise schuldig bekannt. Uns werden nicht einmal konkrete Straftaten vorgworfen und es bekennt sich hier auch niemand schuldig, Mitglied einer kriminellen Organisation zu sein, zumal allen AktivistInnen klar ist, dass es im Tierschutz-/Tierrechtsbereich sowieso keine Strukturen gibt, die den Straftatbestand §278a StGB erfüllen würden!

Jedenfalls schmückte Madigan den ganzen Tag lang völlig irrelevante Sachverhalte zur englischen Causa aus, um uns möglichst in dasselbe Licht zu rücken. Die Verteidigung und die Angeklagten konnten dies durch ihre abschließende Befragung immerhin wieder zurechtrücken. Ich, z.B., habe Jaohn Madigan als erstes gefragt, ob er mich kenne oder meinen Namen überhaupt schon irgendwann einmal gehört hatte, was er verneinte. Danach fragte ich ihn, ob es seiner Wahrnehmung nach auch SHAC-AktivistInnen gäbe, die ausschließlich legal aktiv wären, was er eindeutig bejahte. Da eine große Zahl englischer Straftaten nicht aufgeklärt wurden, fragte ich ihn, ob er nicht glaube, dass die meisten Straftaten nicht von anderen als den verurteilten TäterInnen ausgeführt wurden. Das könne er nicht sagen, meinte er lapidar…

Tag 16 – 14.04.2010: Der – ähem – „Linguist“ Wolfgang Schweiger

Da meine Fragen an John Madigan am letzten Verhandlungstag nicht abgeschlossen werden konnten, wurde der Zeuge nochmal geladen um sich meinen Fragen und denen meiner nachfolgenden Angeklagten zu stellen: Ich wollte vom Zeugen Madigan wissen, wie er die – von ihm selber verwendeten – Begriffe „animal rights extremist“, „animal rights acitivist“ und „militant animal rights activist“ definiere.
Unverschämterweise behauptete er, diese Begriffe nicht zu benutzen, da sie wohl auch nicht definiert wären. Andererseits – wurde ihm von den Verteidigern dann das Papier einer EUROPOL-Konferenz vorgehalten, in dem ein Tagespunkt „animal rights acitivism“ genannt war. Madigan hatte zuvor angegeben an zahlreichen EUROPOL Konferenzen zum Thema teilgenommen zu haben. Trotz m.E. unzureichender Beantwortung dieser Frage, fragte ich weiter, woher er denn wisse – wie von ihm behauptet – dass auf sog. „animal rights gatherings“ kriminelle Aktivitäten besprochen würden. Er wisse das nicht, weil er nie auf so einem „gathering“ anwesend war. Von verdeckten Ermittlern, gab der Zeuge an, nichts zu wissen…. Da Madigan in seinen Aussagen die Begriffe „improvised incendiary devices“ (Brandsätze) und „improvised explosive devices“ (z.B. ‘Molotow-Cocktails’) gleichermaßen als „Bomben“ bezeichnet hatte, wollte ich von ihm wissen, ob er diese Gleichsetzung qualifiziert untermauern könne, ob bspw. ExpertInnen diese Apparaturen auch mit Bomben gleichsetzen. Diese Frage konne (oder wollte) er nicht beantworten: „Ich bin kein Experte…“.

Nach der Entlassung John Madigan’s begann der bisher schlimmste Tag des bisherigen Verfahrens: Die Erstellung des linguistischen Gutachtens durch den pensionierten Berufsschullehrer Dr. Wolfgang Schweiger, seines Zeichens gerichtlich beeideter Sachverständiger im Fachgebiet Linguistik.

Nachdem der gerichtlich beeidete Linguist Schweiger und der von der Verteidigung zugezogene Linguist Univ.-Prof. DDr. Raimung Drommel ihre Plätze eingenommen hatten, begann die Richterin völlig unerwartet ein bisher noch nicht vorgelegtes Aktenstück in die Hauptverhandlung einzubringen. Es ging dabei um eine Skizze zu Brandanleitungen, die offenbar in einer Wohnung des Erstbeschuldigten gefunden wurde und andererseits im Rahmen eines BekennerInnenschreibens in der Zeitung „profil“ veröffentlich wurde. Offenbar handelte es sich bei beiden Bildern um einen Auszug aus ein und demselben BekennerInnenschreiben zu einem Brandanschlag in Berlin. Danach projezierte die Richterin eine technische Analyse der Polizei die einen Ähnlichkeit zwischen dem skizzierten Brandsatz und dem tatsächlich beim Zirkus Knie angewandten Brandsatz nachweisen sollte.

Die Richterin wollte also offenbar die anwesenden Experten noch beeinflussen, indem sie DDr. Balluch in einen – ungeklärten – Zusammenhang mit Brandsatzbauanleitungsskizzen zu bringen versuchte.

Balluch erklärte, dass er auch dieses BekennerInnenschreiben – wie hunderte andere – gefunden und archiviert hätte, wie alles andere zum Thema Tierschutz auch. Vor allem seien beim Brandanschlag Knie DNA-Spuren der TäterInnen gefunden worden, die zu keiner der hier und heute verdächtigten Personen gehörte.

Nachdem dieser Einschub zur „Stimmungsmache“ genauso abrupt beendet wurde wie er begonnen hatte, kam die Richterin zur Erstattung des linguistischen Gutachtens durch den gerichtlich beeideten Gutachter Schweiger:
Die Verteidigung beantragte die Aufnahme zweier linguistischer Gutachten in den Gerichtsakt. Beide kamen zu entgegengesetzten Ergebnissen als das – Martin Balluch belastende – Gutachten des gerichtlich beeideten Dr. Schweiger. Die entlastenden Gutachten von DDr. Drommel und DDr. Kienpointner wurden jedoch nicht angenommen. Lediglich Dr. Schweiger erhalte eine Kopie der beiden entlastenden Gutachten um seine Analyse damit zu prüfen und ggf. zu einem späteren Zeitpunkt ein Ergünzungsgutachten nachzureichen.

Der in Österreich einzige gerichtlich anerkannte Sachverständige der Sprachwissenschaften, Schweiger, wurde dem Gericht von der ‘SOKO gegen den Tierschutz’ vorgeschlagen, nachdem er angegeben hatte, sich nicht für Tierschutz zu interessieren. Er halte die Linguistik für die umfangreichste und weitverzweigteste Wissenschaft. Seine Methode – wörtlich „Hosenbodenarbeit“ – bestünde darin, die zu vergleichenden Texte erstmal 20 bis 30 mal durchzulesen. Bereits da entscheide er, ob eine Zuordnung des zuzuordnenden Textes zu dem Refernztext möglich ist. Wenn er beim Durchlesen keine charakteristischen Merkmale fände, schicke er den Auftrag unerledigt zurück, eine Zuordnung sei für ihn dann nicht mehr möglich.
Bekomme er jedoch bereits beim bloßen Durchlesen den Eindruck, dass die Texte vom selben Autor bzw. derselben Autorin stammen, dann intensiviere er die „Hosenbodenarbeit“: Erst dann wende er den analytischen Analyseapparat auf die Texte an. Er zähle dann Wort- und Satzlängen, analysiere Satzbau und Rechtschreibfehler in jedem Text. Die entstehenden Listen stelle er dann gegenüber.

Konkret war ihm an einem schablonengeschriebenen Bekennerschreiben aufgefallen – zur Illustration zog er tatsächlich eine Normschriftschablone aus seiner Tasche – dass keine Fehler gemacht wurden, außer am Schluß stand „hatte“ statt „hatten“. Der Text müsse von einer Vorlage abgeschrieben worden sein, denn er kenne niemanden dem es gelänge aus den 1000en Buchstabenkombinationen die man aus einer Schreibschablone zusammensetzen könnte, einen sinnvollen Text zu konstruieren.

Weiters sei ihm aufgefallen, dass DDr. Balluch in seinen Refernztexten, einmal den Artikel „es“ benutze obwohl auf ein nicht neutrales, sondern grammatikalisch männlich oder weibliches Hauptwort Bezug genommen werde. Dies beweise, dass DDr. Balluch – der vor 11 Jahren seine Doktorarbeit in Cambridge verfasste – „englisch denke“ und erst nachher auf deutsch übersetze.

In einem BekennerInnenschreiben fand sich die Apposition „… wir, eine Gruppe autonomer Tierbefreier …“, die vom Herrn Sachverständigen als „höchst seltene Formation“ bezeichnet wurde. Dabei entschlüpfte dem Dr. Schweiger ein freud’scher Versprecher, er sagte nämlich dass DDr. Balluch diese Apposition geschrieben hätte, dabei war diese Apposition nicht im Refernztext, sondern im Text unbekannter AutorInnen. Diese suggestive Formulierung wurde auch von der Richterin Arleth sofort abgemahnt.

Bei seinem mehrmaligen Lesen der Texte sei ihm aufgefallen, dass beide – DDr. Balluch und die unbekannten AutorInnen – Tiere auf die selbe Stufe stellen würden wie Menschen. Für ihn – Schweiger – ein Indiz, dass DDr. Balluch auch der Autor der zuzuordnenden Texte sein müsse. Paradoxerweise hatte die „tierliebende Ehefrau“ des Sachverständigen den Eindruck, dass in den Bekennerschreiben von „Tieren wie von Sachen“ geredet werde…

Der Richterin wurden die unkonkreten Ausführungen des SV Schweiger zu blöd, und sie wollte die Ergebnisse des Gutachtens wissen. DDr. Balluch sei der Autor aller drei ihm vorgelegenen Bekennerschreiben und „eines Großteils“ der ihm vorgelgenen LeserInnenbriefe, und zwar „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“. Bei den restlichen LeserInnenbriefen könnte sich DDr. Balluch ja auch einfach „verstellt“ haben. Dr. Wolfgang Schweiger konnte allerdings nicht angeben welche LeserInnenbriefe nun „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlicheit“ von DDr. Balluch geschrieben wurden und bei welchen er sich „verstellt“ haben könnte!!!

Eigentlich seien für ein gesichertes Gutachten ca. 1000 Wörter notwendig, so Schweiger. Ihm sei es aber schon einmal gelungen aus nur 67 zuzuordnenden Wörtern und einem 150 Wörter umfassenden Refernztext eine Zurodnung zu treffen. Der Beweis, dass ein gesichertes Gutachten auch mit so wenig Wörtern möglich sei, war letztendlich das Geständnis des Täters.

Der Staatsanwalt Handler fragte ob „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ die höchstmögliche Zuordnungsstufe sei. Ja, sagte Schweiger. Es gäbe auch die Stufe „mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit“, aber ein Richter hätte ihm einmal gesagt, dass sei zu wenig für eine Verurteilung; seitdem benutze er nur die höchste Stufe oder er gebe gar kein Gutachten ab.

Der Erstangeklagte DDr. Martin Balluch stellte im Rahmen seines Fragerechts fest, dass der anwesende Universitätsprofessor für Linguistik DDr. Raimund Drommel in seiner ganzen Karriere als (deutscher) gerichtlich beeideter
Sachverständiger keine fünf mal Zuordnungen „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ treffen konnte. Wie oft Schweiger diese Stufe vergeben hätte? Schweiger konnte diese Frage nicht beantworten.

Laut DDr. Raimund Drommel gäbe es vier Kriterien die erfüllt sein müssten um eine lingusitische Vergleichsanalyse erfolgreich durchzuführen: Ob Schweiger das erste Kriterium – Quantität – anerkenne und bei seinen Vergleichen erfüllt sei, wollte DDr. Balluch wissen. Die Qualität des Textes sei relevant, nicht die Quantität, antwortete Schweiger. Das zweite Kriterium sei Zeitnähe, ob dies bei seinen Analysen gegeben war, wollte DDr. Balluch vom SV Schweiger wissen, zumal der Refernztext Balluch’s aus 2008, die angeblich zugeordneten BekennerInnenschreiben aber aus den Jahren 1997 bzw.
2000 stammen. Schweiger hätte auch dies berücksichtigt, da er wisse, dass Balluch „englisch denkt“; Zwei Fehler im grammatikalischen Geschlecht – einer im Analyse- und einer im Refernztext – würden dies beweisen.

Aufgrund ihres emanzipatorischen Anspruchs werden von der Tierrechtsbewegung auch sprachliche Begrifflichkeiten kritisiert bzw. neu geschaffen: So ist nicht nur sprachliches Gendern („-Innen“) oder Dekonstruieren des binären Geschlechterkonzepts („_innen“) bereits Norm in der Bewegung, sondern insbesondere auch das Herausstreichen sprachlich verharmlosender Speziesismen, wie z.B. das Apostrophieren von Kunststücken für tierquälerische Aufführungen in Tierzirkussen oder den Begriff „menschliche und nicht-menschliche Tiere“ Ebendiese
sprachlichen Praktiken wurden vom Linguisten Schweiger in Martin Balluch’s Refernztexten und den zuzuordnenden BekennerInnenschreiben gefunden. Für ihn aber nicht das Resultat eines Sprachcodes in einem ganzen Submileau, sondern ein Indiz für die Autorenschaft DDr. Balluch’s.

In einem BekennerInnenschreiben wäre auch einmal das Wort „Bezug“ klein geschrieben; da man im Englischen alles klein schreibe und DDr. Balluch ja „englisch denke“, sei auch das ein Beweis für die Urheberschaft Balluch’s an diesem BekennerInnenschreiben.

DDr. Balluch führte aus, dass Schweiger auch die weiteren Kriterien die lt. Drommel für eine Zuordnung mit „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“ nötig wären – Textsortenähnlichkeit und Authentizität – nicht erfüllte.

Der gerichtlich beeidete Sachverständige Dr. Wolfgang Schweiger hatte in seiner Analyse nicht nur den Original-Bekennungstext ausgewertet, sondern auch die redaktionellen Sätze davor und danach mitanalysiert. Um zu beweisen, dass es sich also nicht um einen zusammenhängenden, sondern einen Text mehrerer AutorInnen handelt, sollte Prof. DDr. Drommel – der diesen Zeitungsartikel ebenfalls analysiert hatte in den ZeugInnenstand gerufen werden. Alle Verteidiger schlossen sich an, doch die Richterin wies ab, Offensichtlich ist sie nicht an der Erforschung der Wahrheit interessiert.

Erstaunlicherweise gab der gerichtlich beeidete Sachverständige Schweiger auf Nachfrage zu, den einleitenden Text als auch das nachfolgende Kommentar des redaktionellen Artikels – in dessen Mitte sich eingebettet das BekennerInnenschreiben befand – ebenso in seiner Analyse berücksichtigt zu haben. Schweiger gab also zu, Texte die offensichtlich von mehreren AutorInnen stammen als von einem Autor stammend in seine Analyse einbezogen zu haben.
Selbst Hinweise auf mehrere Divergenzen zwischen dem redaktionellen Teil und dem originären BekennerInnenschreiben ließen Schweiger kalt: „Das beweise gar nichts“ oder Balluch hätte zwischen zwei Absätzen „die Schreibmachine gewechselt“.

Besonders skurril war auch Schweiger’s Feststellung „Ich bin besser als jeder Computer“, auf die Frage ob er seine Analysen manuell oder mit Hilfe eines Rechners durchgeführt hätte: „Wenn ich es selbst berechne, entscheide ich, was er gedacht hat, der Herr Balluch“.

Tag 17 – 15.04.2010: Ein wirkliches Gutachten: IT-Gutachter Dr. Christian Lürzer

Am 17. Prozesstag wurden entgegen der am Vortag angekündigten weiteren Vernehmung der SOKO Leiterin Chefinspektorin Bettina Bogner der ursprünglich für diesen Tag vorgesehen EDV Sachverständige Christian Lürzer zur Vorstellung seines Gutachtens und der weder im Prozessplan für diesen Tag vorgesehene noch angekündigte SOKO Mitarbeiter Abteilungsinspektor Herbert Landauf von der Soko Bekleidung als Zeuge geladen. Trotz Einspruch der Verteidigung gegen diese Vorgangsweise, die eine gezielte Prozessvorbereitung verunmögliche, beharrte die Richterin auf ihrem Vorhaben und wies wie gewohnt alle Anträge der Verteidigung ab oder behielt sich eine Entscheidung für einen späteren Zeitpunkt vor.

Die Schuld für Verzögerungen im Verfahren, die dazu führten, dass der Verhandlungsplan nicht eingehalten werden konnte, unterstellte sie den Verteidiger_innen, die zu umfangreich von ihrem Fragerecht Gebrauch gemacht hätten, wobei festgehalten werden muss, dass bisher mit einer Ausnahme die Verteidigung bei keiner_m der Zeug_innen bzw. Sachverständigen ihr Fragerecht ausüben konnte, da die Vernehmung immer mit dem Hinweis abgebrochen wurde, dass diese erneut geladen würden.

Mehrmals wies die Richterin an diesem Tag darauf hin, dass dies hier kein politischer Prozess sei. Es gehe hier um Delikte aus dem Strafgesetzbuch und dies sei nichts zum Lachen. Doch führten zahlreiche Aussagen und Belehrungen der Richterin zwangsläufig zu Lachern und Erregung im Gerichtssaal, die sie teilweise ignorierte, teilweise mit Aufrufen zur Ordnung kommentierte. Unter anderem wies die Richterin darauf hin, dass das Essen im Verhandlungssaal nicht gestattet sei und Pünktlichkeit sowie ein entsprechendes Auftreten der Angeklagten verlangt würde.
In Anspielung auf einen Angeklagten erklärte sie, dass das Erscheinen ohne Schuhbekleidung nicht gestattet sei.

Die Verteidigung brachte u.a. den Antrag auf Ablehnung des Linguistik-Gutachters Schweiger ein, da seine Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen ist. Als Beleg wurde ein aktueller Artikel aus dem Standard vorgelegt, aus dem hervorgeht, dass der SV von der Schuld des Erstangeklagten ausgeht. Und genau diesem unterstellte Schweiger in seinem Gutachten die Autorenschaft von Bekenner_innenschreiben. Damit widerspreche der SV dem Gesetz, das eine Unvoreingenommenheit von Sachverständigen verlangt. Herr Drommel, ein von der Verteidigung geladener Experte auf diesem Gebiet, der am vorhergehenden Verhandlungstag komplett andere Ergebnisse präsentierte als Schweiger, wurde vom Gericht ebensowenig als SV anerkannt wie das von ihm erstellte Gutachten. Die Entscheidung über den Ausschluss von Schneider und der Bestellung eines anderen Gutachters behielt sich das Gericht für einen späteren Zeitpunkt vor, da es die Lage so schnell nicht beurteilen könne.

In extremsten Kontrast zu den Arbeiten des gerichtlich beeideten sachverständigen Linguisten Wolfgang Schweiger wurde heute ein Gutachten präsentiert, das diesen Namen auch wirklich verdient. So wie der gerichtlich beeidete Sachverständige für Informationstechnologie – Dr. Christian Lürzer – sein Gutachten erstellte und referierte, so – und nicht anders – stellt man sich ein seriöses, wissenschaftlich objektives Sachverständigengutachten vor:

Dr. Lürzer präsentierte sein EDV-Gutachten und stellte fest, dass er dieses auf Basis von Exceltabellen erstellt habe, die ihm von der Polizei zur Verfügung gestellt wurden. Er hatte nie direkten Zugriff auf die Daten und konnte deshalb im späteren Verlauf zu einzelnen konkreten Fragen keine Auskunft geben und meinte, dass erst eine Rücksprache mit jenen Beamten notwendig sei, die die beschlagnahmten Computer und Datenträger_innen ausgewertet und die Exeltabellen erstellt hätten.
Die Beamten, die die Analyse durchführten seien seines Wissens nach sehr unterschiedlich qualifiziert gewesen. Die Richterin erweckte bei den von ihr gestellten Verständnisfragen zur Verschlüsselung und einzelnen Programmen mehrmals den Eindruck, die Aussagen des SV nicht verstehen zu wollen.

Der SV erklärte die Funktion von Verschlüsselung auf Festplatten und den Unterschied zum Versenden verschlüsselter Emails mit PGP oder GPG. Etwas sonderbar war, dass die Installation von Firewalls und Antivirenprogrammen – aus Sicht der Beschuldigung – als implizit als belastend gewertet wurde, da sie zur Abwehr von Überwachung eingesetzt werden könne.
Grundsätzlich hielt der SV aber mehrmals fest, dass dem Thema Datensicherheit viel zu wenig Beachtung geschenkt würde und dass es eine politische Diskussion darüber gäbe.

Der Staatsanwalt hatte keine Fragen an den SV, womit die Verteidigung das Fragerecht erhielt.

Diese hatten jedoch nur kurz die Möglichkeit, ihr Fragerecht in Anspruch zu nehmen. Doch selbst hier mischte sich die Richterin ein und beeinflusste die Antworten.
Ein Beispiel: Obwohl sich der SV zuvor in der Lage sah, in seiner Rolle als SV auf die Frage der Richterin, ob die Anwendung von Verschlüsselungen nur wenig verbreitet sei unter Beziehung auf Überwachungssysteme wie Echelon Auskunft geben konnte, entzog er sich nach Intervention der Richterin der Antwort auf eine in diese Richtung gehende Frage. Eine Verteidigerin wollte von ihm wissen, ob nicht davon auszugehen sei, dass politisch interessierte Menschen viel eher ein Bewusstsein für Datensicherheit entwickeln, als die durchschnittlicheren Anwender_innen; und genau dieses Bewusstsein war einem der Angeklagten an einem vorhergehenden Prozesstag zu lasten gelegt worden. Der SV meinte, dass er in seiner Rolle als SV diese Frage nicht beantworten könne.

Die Richterin schränkte das Fragerecht der Verteidigung erneut massiv ein und entließ den SV schlussendlich unter Protest der Verteidigung vor der Mittagspause mit der Ankündigung, diesen zu einem späteren Zeitpunkt wieder vorzuladen.

Am Nachmittag wurde unter erneutem Einspruch der Verteidigung mit der Einvernahme des leitenden Beamten der „SOKO gegen den Tierschutz“ Herbert Landauf begonnen. Dieser stellte die Konstruktionen der Polizei dar und tat so, als ob die Existenz einer Kriminellen Organisation längst bewiesen sei. Auf mehrere Fragen der Verteidigung wollte er keine Antwort geben und verwies dabei teilweise auf den Akt, seine Kolleg_innen oder dass er nicht wisse, worauf sich die Frage beziehe.
Dies ist insofern interessant, da er zuvor selbst von Recherche-Informationen gesprochen hatte, die der Erstangeklagte einer mutmaßlichen kriminellen Organisation übermittelt haben solle, bei Frage der Verteidigung wusste er aber plötzlich nicht, um welche Informationen es sich dabei handle.

Nachdem die Ausführungen von Richterin und Zeug_innen mehrmals für Unmut bzw. Belustigung im Verhandlungssaal sorgten, unterbrach die Richterin am Nachmittag völlig unvermutet die Verhandlung und forderte eine Person auf, wegen einer angeblichen Störung den Verhandlungssaal zu verlassen.
Da diese unter Berufung auf die Öffentlichkeit des Prozesses dieser Aufforderung nicht nachkam, forderte die Richterin die anwesenden Polizistinnen zur Unterstützung auf, wobei diese sofort Verstärkung orderten, verhängte eine Ordnungsstrafe von € 80,– und brach, nachdem sie die Kontrolle verloren hatte, die Verhandlung um 14:50 für diesen Tag ab.

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