tierrechtsprozess
Stimmungsbilder aus dem laufenden Prozess gegen die Tierrechtsbewegung in Österreich
Tage 12, 13 und 14: VGT kriminalisiert; Beweisverfahren bahnt sich an
Categories: der Prozess



Durch die Osterfeiertage
getrennt erfolgten am 25.03.2010 und am 07.04.2010
ausschließlich die weiteren Einvernahmen der drei nachträglich
hinzugekommenen angeklagten VGT-MitarbeiterInnen David Richter,
Monika Springer
und Harald Balluch.

 

Tag 12

Am Vormittag des 07.04.2010
wurde die Einvernahme des Elftbeschuldigten David Richter
abgeschlossen
. Nach einer Reihe von Beweisanträgen, welche die
Legalität und ordnungsgemäße Durchführung von Demonstrationen
untermauerten kam es wieder einmal zu zwei besonders lächerlichen
Vorhalten: Einerseits wurde auf dem unverschlüsselten VGT-Server ein
Email an David Richter gefunden, in dem detailliert die Bauweise von
Brandsätzen beschrieben wird. Was der Richterin aber nur äußerst
schwer und mühsam zu vermitteln war, ist, dass es sich dabei nicht
um eine individuell an David Richter gerichtete Email gehandelt hat,
sondern eine von zehntausenden, großteils ungelesenen Listenemails.
Im Konkreten ging es um eine offene Informationsliste wo jede
beliebige Person ohne jede Zugangskontrolle Emails verschicken kann.
Offenbar hat eine Person diese inkriminierte Email versandt und alle
(hunderten) ListenteilnehmerInnen haben sie (unaufgefordert)
zugestellt bekommen. Wie so etwas ausgerechnet David Richter belasten
könnte, blieb bis zum Schluss ungeklärt.

Danach wurde Richter – als
ehemaligem BAT-“Mitglied“ – ein Skype-Protokoll zweier
BAT-Beschuldigter vorgehalten, wo es um ein Plenum im Wiener
Kulturzentrum „Amerlinghaus“ ging. Daraus konstruierte die
Richterin den „Sitz der BAT“ und wollte dies vom
Elftbeschuldigten bestätigt wissen. Dieser musste diese Hypothese
jedoch wahrheitsgemäß dekonstruieren. In einem anderen überwachten
Telefongespräch scherzen zwei BAT-AktivistInnen, dass „die ALF“,
neben der „Halali-Gang“ [Anm.: eine wirkliche kriminelle
Organisation die Waffen aus Jagdhütten stiehlt und die Blockhäuser
nachher anzündet] und der „AJ-Gang“ [Anm.: Anti-Jagd-Gang, eine
deutsche Musikgruppe] in der Waidhausenstrasse [Anm.: VGT-Büro]
wohnt. Auch dies verwirrte die Richterin, zumal sie offenbar den
Eindruck hatte, in diesem Telefonat hätte jemand den Sitz
verschiedener krimineller Organisationen ausgeplaudert. In
Wirklichkeit war das ein ironischer Scherz.

Deutlich war wieder zu
spüren, dass die Richtern abtasten wollte ob man auf eine völlig
normale NGO-Kampagne – wie vom Elftbeschuldigten geführt – den
Straftatbestand einer Nötigung anwenden könnte: Viele Fragen
zielten mehr oder weniger explizit auf mögliche Drohungen oder
versuchte Geschäftsstörung ab.

Weiters war – auch in den
Fragen DDr. Balluch’s an den Elftbeschuldigten – der Spendenskandal
durch den früheren VGT-Obmann Franz Plank Thema. David Richter war
damals Augenzeuge und bestätigte Ungereimtheiten in der Verwendung
von Spendengeldern und die – leider – erfolglosen Versuche diese
in Zukunft zu verhindern. In der Folge wurde Dr. Plank von einer
außerordentlich einberufenen Generalversammlung als Obmann
abgewählt. Diesen Machtverlust trägt er bis heute den jetzigen
VGT-AktivistInnen mit großem Groll nach.

Weiters wurde thematisiert,
dass es praktisch täglich Demonstrationen gegen
Tierausbeutungsbetriebe gäbe, und daher eine – wie vom
Staatsanwalt suggerierte – Korrelation zwischen Demonstrationen und
Sachbeschädigungen nicht möglich sei.

Nachdem vom Gericht in
unrichtiger Weise wieder unterstellt wurde, dass es eine (geheime)
Zusammenarbeit zwischen VGT und BAT gegeben haben soll, brachte der
Zweitbeschuldigte eine Reihe von Beweisanträgen in Form von
TÜ-Protokollen ein, die belegten, wie zerstritten und von
gegenseitigem Hass und Verachtung das Verhältnis BAT-VGT in Wahrheit
geprägt ist. Sich unter diesen Umständen – wo sich einzelne
ProponentInnen gegenseitig als „Arschloch“ bezeichnen – eine
„Zusammenarbeit“ vorzustellen, ist ein Ding der Unmöglichkeit.

Ich persönlich habe mich
auch zu Wort gemeldet. Nicht zuletzt, da ich selber als Gründer der
BAT gelte, habe ich verdeutlicht, dass es von damals bis heute
drastische persönliche, philosophische und politische Differenzen
zwischen dem VGT und der BAT gibt, die eine Zusammenarbeit undenkbar
machen. Das wisse jede Person aus den betroffenen Szenen. Darüber
hinaus habe ich die bisher geäußerten Tatsachen zum Konflikt
VGT-Plank bestätigt, da auch ich Augenzeuge der Konflikte im Vorfeld
der damaligen Generalversammlung (2002) war.

Damit war die Einvernahme des
Elftbeschuldigten David Richter beendet und es begann die Einvernahme
der Zwölftbeschuldigten
– ebenso beim VGT angestellten –
Monika Springer. Wie den meisten Angeklagten, insbesondere
jenen die dem VGT zugeordnet werden, werden auch ihr keine konkreten
Straftaten vorgeworfen sondern nur, sich lediglich als „Mitglied
einer kriminellen Organisation §278a öStGB“ strafbar gemacht zu
haben. Dabei hat sie – wie alle anderen Angeklagten – lediglich
normale NGO-typische Kampagnenarbeit gemacht. Auch Sie war und ist
hauptberuflich beim VGT angestellt und hat wie alle drei
Letzbeschuldigten erst 14 Tage vor der Hauptverhandlung von ihrer
Anklage erfahren. Dementsprechend war es auch für sie und
insbesondere auch für ihre Verteidigung unmöglich, sich adäquat
auf diesen monatelangen Prozess vorzubereiten.

Nach einer kurzen Darstellung
ihrer Motivation sich im Tierschutz zu engagieren kritisierte die
Zwölftbeschuldigte in ihrer ‘zusammenhängenden Darstellung zum
Sachverhalt’ deutlich die ‘SOKO’: Während vorige Beschuldigte die
SOKO der Lügen bezichtigt hätten, ginge das Monika Springer nicht
weit genug: Ihrer Meinung nach wende die SOKO sogar illegale Methoden
an: Z.B. hatte ein verdeckter Ermittler ohne diesbezüglichen Auftrag
Frau Springer einfach eine Getränkeflasche vom Infotisch gestohlen,
um daran DNA-Untersuchungen durchführen zu lassen. Sie habe davon
nur durch einen Zufall erfahren, denn im Gerichtsakt befinde sich
dieser „Zwischenfall“ nicht. Darüber hinaus kritisierte Frau
Springer auch vehement die Bezeichnung „
Weibertratsch“,
die von SOKO-Beamten für (vermutlich belanglose) Gesprächsinhalte
in die TÜ-Protokolle geschrieben hatten.

Wie alle anderen Angeklagten
musste sich auch Frau Springer Fragen zur Gesinnung gefallen lassen.
Ob sie wisse was „die A.L.F.“ sei, in welche Kampagnen sie
involviert gewesen sei und welche Funktionen sie ausübe.
Kriminalisiert wurde auch eine Springer zugeordnete Liste, auf der
alle pelzführenden Bekleidungsgeschäfte aufgelistet waren. Offenbar
bestand in den Hirnen von Gericht und Staatsanwaltschaft der
Verdacht, dass dies eine potenzielle Anschlagsliste sein sollte.
Freilich, konterte Springer, seien solche Listen völlig normal und
vor allem notwendig, wenn man sich mit KonsumentInneninformation
beschäftige, schließlich wünscht die Öffentlichkeit
beispielsweise sog. „Positivlisten“ auf denen tierqualfreie oder
fair gehandelte Unternehmen aufgelistet sind. Nach Kontakten zur BAT
und zur OGPI wurde Springer auch befragt, keines von beiden sei aber
gegeben. Man kenne sich bestenfalls nur vom Hörensagen, außerdem
machen BAT und OGPI was sie wollen, ohne Absprachen mit ihr oder dem
VGT.

Wieder wurden scheinbar
„radikale Emails“ vorgehalten, die eine Nähe Springers zu
kriminellen Aktivitäten indizieren sollten, z.B. dass man immer auch
an die Polizei denken müsse, wenn man was sagt oder tut. In diesem
Fall ging es offenbar darum, dass jemand auf einer Internetliste über
beschmierte AMA-Plakate gescherzt habe. Springer rief also zur
Vorsicht auf, Straftaten eben nicht zu verherllichen. Ähnlich ging
es weiter. Dass nicht jedermann auf die Fadingerliste solle, schien
dem Gericht auch ein Indiz für kriminelle Aktivitäten zu sein, oder
dass moderne Technologien – wie zum Beispiel Mobilfunk – auch zu
prophylaktischen Überwachungszwecken herangezogen werden könnten.
Es gebe gute Gründe seine Identität und Bewegungsprofil zu
verschleiern, wenn man nach Aktionen zivilen Ungehorsams drastischen
Zivil- oder Verwaltungsstrafen entgehen will, Beispiel:
Jagdsabotagen.

Am Nachmittag wurden der
Zwölftangeklagten weitere Emails vom Fadingerforum vorgehalten, z.B.
dass sie von Erlebnissen bei Kundgebungen berichtet habe.

Krampfhaft versuchte
Richterin Sonja Arleth auch einen Zusammenhang zwischen der
Zwölftangeklagten Springer und der Basisgruppe Tierrechte (BAT) zu
konstruieren. Allerdings ohne Erfolg, da Frau Springer niemals was
mit der BAT zu tun hatte.

Angeblich hätte Monika
Springer auch eine Kleiderbauer Mitarbeiterin auf ihrem Heimweg
verfolgt, also strafrechtlich „gestalked“. In Wahrheit stellte
sich der Sachverhalt aber ganz anders dar: Frau Springer wurde von
dieser Frau (die als Zeugin geladen ist) tätlich angegriffen, als
die Zwöftangeklagte schlicht eine andere AktivistIn beim Verteilen
beim Flugblättern fotografieren wollte. Daraufhin hat Frau Springer
die Polizei gerufen, die ihr geraten hat die Täterin zu verfolgen
und dabei stetig in Kontakt mit der Polizei zu bleiben. So ist es
auch geschehen. In Wahrheit sei die Zwölftbeschuldigte das Opfer,
nicht die Kleiderbauer-Mitarbeiterin.

Die Richterin wollte dann
unvermittelt vom Erstbeschuldigten DDr. Martin Balluch wissen, ob er
für den Sachwaltschaftsprozess für den Schimpansen Hiasl
verantwortlich gewesen sei. Ja, antwortete dieser. Ob er also Tiere
auf dieselbe Stufe wie Menschen stelle, fragte sie nach. In den
ethisch wesentlichen Eigenschaften ja, war die Antwort.

Abschließend wurde den
anderen Angeklagten ihr Fragerecht eingeräumt: Der Drittbeschuldigte
Jürgen Faulmann zum Beispiel erwähnte, dass am heutigen Tage 25.000
Emails an die Bundesregierung geschickt wurden um ein Verbot der
Kaninchenbatterien durchzusetzen. Offenbar seien solche Methoden
üblich und nötig. Danach beantragte er seine fallweise
Ausgliederung aus dem Verfahren, da er hier nur sinnlos Zeit
abzusitzen hätte, zumal es allermeistens überhaupt nicht um ihn
ginge; Zeit, die er jedenfalls lieber der Tierschutzarbeit widmen
würde. Ich schloss mich seinem Antrag mit derselben Begründung an,
was von der Richterin mit den Worten „Gut, dass ich hier nicht ohne
Anwälte mit Ihnen sitze“, quittiert wurde. Ein ziemlicher Affront
gegen mich, scheint mir, zumal ich mich immer äußerst sachlich und
höflich zu Wort gemeldet habe; im Gegensatz zur Richterin auch immer
StPO-konform. Die Anträge wurden jedenfalls nicht angenommen, da
dies „nicht möglich“ sei. Ich wollte bei dieser Gelegenheit auch
der Zwölftbeschuldigten einen Vorhalt machen, doch die Richterin
eröffnete in der allgemeinen Aufregung die Mittagspause.

Danach wollte ich erneut
denselben Vorhalt machen, doch die Richterin hatte wieder anderes im
Sinn: „Sie sitzen da ohne Schuhe!“, stellte sie plötzlich in
Richtung DDr. Martin Balluch fest, obwohl mehrere Angeklagte schon
tagelang in Badeschlapfen den Prozess besuchten.

Endlich konnte ich Frau
Springer die Fadingermail vorhalten. Sie hatte dort vorgeschlagen
Wertkartenhandys anzuschaffen. Aus dem Kontext wurde klar, dass diese
dezidiert bei Jagdsabotagen Verwendung finden sollten.

Danach wollte ich – zum
zweiten mal – einen Videobeweis einbringen: Ich selber hatte mich
bei einer Recherche über illegalen Hundehandel über die
österreichisch-ungarische Grenze beteiligt. Ich selber habe dabei
Privatpersonen und Privatfahrzeuge verfolgt und dabei auch mit
versteckter Kamera gearbeitet, KFZ_Kennzeichen mitgefilmt und
Ergebnisse von Firmenbuchauszügen genutzt. All das, was anderen
Angeklagten im hiesigen Verfahren explizit vorgeworfen wird. Der
Zweck dieser Maßnahmen war aber offensichtlich das Aufdecken von
Tierleid und Gesetzesübertretungen.

Zuletzt am 12.
Verhandlungstag
, dem
25.03.2010
begann die
Einvernahme
des Dreizehntangeklagten Harald Balluch
,
Kassier des VGT und ebendort hauptberuflich angestellt. Auch er hat
erst 14 Tage vor Beginn der Hauptverbhandlung von seiner Anklage
erfahren, musste sich in dieser Zeit um seine Verteidigung kümmern.
Das Erstgespräch mit seinem Verteidiger Dr. Karl (von Pepelnik und
Karl) fand erst wenige Tage vor der Hauptverhandlung statt. Und das
bei einem Akt der aus über 3 Gigabyte Daten bzw. 5000 pdf-Dokumenten
und ca. 200.000 Aktenseiten besteht!

Auch Harald Balluch führte
in seiner zusammenhängenden Stellungnahme zu seinem politischen
Werdegang aus. Die Ursache für tierschutzmotivierte
Sachbeschädigungen ortet er in institutionalisierten Praktiken in
der Landwirtschaft, die gegen den Mehrheitswillen der Bevölkerung
trotzdem stattfinden. OGPI, BAT und VGT könnten schon aufgrund
unvereinbarer politisch-strategischer Grundpositionen keine
gemeinsame Organisation bilden: Während sich die OGPI und die
gesamtpolitische BAT zu den AbolitionistInnen zählen, die jede
Reform strikt ablehnen, sei er, der Dreizehntangeklagte Balluch und
der VGT überhaupt auf der Schiene des Reformismus. Dies ist nicht
nur aus den praktischen Aktivitäten des VGT eindeutig zu erkennen,
sondern auch allen „Szene-insidern“ bekannt. Neben dem
jahrelangen Besitz des Spendengütesielgels hat der VGT mittlerweile
schon mehrere Überprüfungen durch Finanzministerium bzw.
Finanzämter erfolgreich bestanden, was beweise, dass keine
VGT-Gelder für nicht-vereinskonforme, insbesondere illegale Zwecke
benutzt wurden.

Danach richteten sich die
Fragen der Richterin besonders auf seine Funktion im VGT. Was er
davon halte, dass BekennerInnenschreiben auf der internen
Fadingerliste weitergeleitet werden, war auch eine Frage. Freilich
sei dies wichtig und interessant, nicht zuletzt wolle man ja
informiert sein, bevor JournalistInnen einem mit derartigen Vorfällen
konfrontieren. Mit der A.L.F. habe er sich ansonsten nicht
beschäftigt, er versuche Änderungen mit Hilfe des Systems und nicht
dagegen zu bewirken.

Besonders empört war die
Richterin von einem Email Harald Balluch’s auf Fadinger, in der er
festhielt, dass vor Gericht oft mehr die Glaubwürdigkeit als die
unmittelbare Wahrheit zähle. Die RichterInnen kennen die Wahrheit ja
nicht, und würden daher eine unglaubwürdige, aber wahre, Geschichte
nicht glauben und folglich die/den BerichterstatterIn – sei er oder
sie ZeugIn, Opfer oder VerdächtigeR als unglaubwürdig aburteilen.
Der Dreizehntbeschuldigte Harald Balluch hätte schon allzu ift
beobachten müssen, dass in Tierschutzprozessen die Wahrheit auf der
Strecke geblieben sei, bloß weil die Lügen der Tierquäler
glaubwürdiger dargestellt wurden. Daher sei es wichtig bei
Erzählungen vor Gericht immer auf eine möglichst glaubwürdige
Darstellung des Sachverhalts zu achten, auch wenn das eine oder
andere wahre – aber scheinbar widersprüchliche – Detail dabei
weggelassen werden müsse. Diese Erklärung wurde auch tatsächlich
nach einiger Zeit von der Richterin verstanden.

Tag 13

Der 13. Verhandlungstag,
der 07.04.2010
, war ausschließlich der Einvernahme des
Dreizehntbeschuldigten Harald Balluch
gewidmet. Es ist nicht
verständlich warum die Einvernahme des VGT-Angestellten und
Vorstandsmitglieds mit so wenig Anklagepunkten (drei) so viel länger
dauerte als von so manch anderer angeklagten Person. Ich, z.B., hatte
neun Anklagepunkte und wurde an nur einem halben Tag „abgefertigt“.
Die Einvernahme konnte an diesem Tag nicht einmal abgeschlossen
werden, obwohl die Richterin Sonja Arleht für diesen Tag den –
ohnehin schon verschobenen – Beginn des Beweisverfahrens, also die
Einvernahme der aktenführenden PolizeibeamtInnen angekündigt hatte.

Eingangs wurde zum
mittlerweile vierten Mal der Antrag auf Benutzung von Laptops durch
die Angeklagten abgelehnt. Obwohl sich die Angeklagten laufend
während der Verhandlung untereinander verständigen, war die
Abweisung des Antrags damit begründet, dass die Angeklagten mit
Laptops ja untereinander kommunizieren könnten. Das sind also die
Grundgesetze des logischen Denkens am Landesgericht Wr. Neustadt.
Gute Nacht!

Zuletzt lehnte die Richterin
meinen Antrag auf Entfernung des Kreuzes aus dem Gerichtssaal ab. Es
handle sich um einen ungewöhnlichen Antrag, führte sie aus, er
werde aber zurückgewiesen, weil eine derartige Entfernung in der
Strafprozessordnung nicht vorgesehen sei. Das Kreuz im Gerichtssaal
verstoße nicht gegen den Rechtsstaatsgedanken und auch nicht gegen
den Gleichheitsgrundsatz. Das Gericht würde dadurch nicht
beeinflusst. Das Kreuz sei nur eine symbolhaft verkörperte Idee oder
Institution, verlange dabei aber vom Angeklagten keine
Identifikation. Dann erklärte die Richterin, dass gläubige
ZeugInnen bei manchen ihrer KollegInnen auf das Kreuz vereidigt
würden, wobei man dabei die beiden Kerzen neben dem Kreuz entzünde.
Dann würden die ZeugInnen bei Gott schwören, die Wahrheit zu sagen.
Viele BeobachterInnen konnten sich über eine derartig abstrus
mittelalterliche Vorgangsweise vor einem modernen, säkularen Gericht
nur wundern, wie dem Raunen im ziemlich voll besetzten Zuschauerraum
zu entnehmen war.

Die Befragung des
Dreizehntbeschuldigten Harald Balluch knüpfte wieder an seine Email
an, in der er potenzielle ZeugInnen warnte, leichtfertig die Wahrheit
zu sagen, wenn diese nicht glaubwürdig erschiene… . Zum Beweis
führte er eine wahre Behauptung auf der Website des VGT an, die
trotz ihres wahren Gehalts aufgrund einer Unterlassung wieder
entfernt werden musste. Es wäre klüger gewesen, denselben
Sachverhalt also einfach glaubwürdiger darzustellen.

Dann ging es beinahe den
restlichen Vormittag lang über Kontakte zur BAT:

Ein großer Punkt, war, dass
der Dreizehntbeschuldigte ein- oder zweimal auf den Hund „Otto“
eines BAT-Mitglieds aufgepasst hatte. Dies wurde per überwachten SMS
kommuniziert. Da Otto kein einfacher Hund ist, muss man immer drauf
achten, dass sich niemand am Gang befindet, wenn man mit ihm die
Wohnung verlässt. Aus diesem Grund hat sich Harald Balluch mit einer
SMS „Stehe jetzt vor der Tür“ beim Hundebesitzer angekündigt.
Ohne den Kontext verstanden zu haben, wurde diese SMS somit
tatsöchlich kriminalisiert.

Ebenso wurde dem
Dreizehntangeklagten eine seiner vermieteten Wohnungen als
„BAT-Zentrale“ und „Übernachtungsraum für internationale
AktivistInnen“ vorgehalten. Logischerweise, könne er nichts dafür
was seine MieterInnen machen und sehe sich auch außerstande das
Leben seiner MieterInnen bis ins kleinste zu überwachen. Tatsächlich
wurde ihm auch die Tatsache vorgeworfen, dass einer der Mieter keine
österreichische sondern eine schwedische Staatsbürgerschaft besitzt
vorgehalten: Ob das ein internationaler Tierrechtsaktivist sei, war
die Frage des Staatsanwalts. Nein, war die Antwort Balluchs zur
großen Enttäuschung des Staatsanwalts, welcher sich bereits sicher
war, das Lager seiner internationalen Tierrechtsmafia aufgedeckt zu
haben.

Danach thematisierte die
Richterin die vom VGT durchgeführten Dateschutzmaßnahmen.

Auch Harald Balluch wurden
die überwachten Telefongespräche vorgehalten, in denen er sich mit
mir über Zeitungsberichte über Vorratsdatenspeicherung und
erweiterte Polizeibefugnisse und sog. „Behördentrojaner“
unterhält. Aus den Telefongesprächen und etlichen vorgehaltenen
Fadinger-Emails ergeben sich eindrucksvoll die wirklichen Gründe,
warum im VGT verschlüsselt wurde: Da sich jede politische Bewegung
aus kritisch-intellektuellen Menschen zusammensetzt, werden überall
Überwachungsmaßnahmen kritisch beäugt. Gerade in den letzten
Jahren kam es zu einer massiven Ausweitung staatlicher
Überwachungstechniken und -befugnisse. Dies wurde und wird nicht nur
von Datenschutz- und Bürgerrechtsinitiativen sondern auch von der
Tierrechtsszene äußerst kritisch gesehen, In diesem Zusammenhang
gab es einschlägige Diskussion im Fadinger-Forum, wo es naturgemäß
auch um entsprechende Datenschutzmaßnahmen ging.

Daneben gibt es in einer
aktionistisch orientierten Bewegung auch einen zweiten Grund sich
Überwachungsmaßnahmen zu entziehen: Aktionen des zivilen
Ungehorsams die eben NICHT vor ihrer Durchführung von den Behörden
verhindert werden sollen.

Beide Bedenken kondensierten
sich in praktischen Datenschutzmaßnahmen, wie sie vom
Dreizehntbeschuldigten Harald Balluch und von mir dann auch praktisch
umgesetzt wurden. Der Kontext ist also eindeutig zu erkennen: Es ging
nie um Abschirmung vor Strafverfolgung, sondern nur um allgemein
berechtigten Datenschutz und Sicherung der erfolgreichen Durchführung
Aktionen zivilen Ungehorsams. Aus diesen Gründen und –
ausschließlich – für diese Zwecke wurden Daten verschlüsselt,
Wertkartenhandys
angeschafft und Funkgeräte benutzt!

Schließlich ging es wieder
um Fadinger-Emails in denen der Dreizehntangeklagte Harald Balluch
das Wort „radikal“ benutzte und einerseits philosophische und
andererseits strategische Überlegungen zu A.L.F.-Aktivitäten
anstellte. Fazit der Emails: Nicht krimineller Aktivismus, sondern
Förderung veganer Produkte sei, „die größte Hoffnung der
Tierrechtsbewegung“.

Zuletzt wurden dem
Beschuldigten Harald Balluch von ihm erstellte Fotos vorgelegt, auf
denen Echtpelzwaren in Peek&Cloppenburg-Filialen fotografiert
wurden. Ob dies für kriminelle Zwecke diene, wollte die
Einzelrichterin Sonja Arleth wissen. Nein, natürlich nicht, sondern
derartige Recherchen geschähen regelmäßig um nachzuweisen welche
Unternehmen Echtpelzprodukte führten und welche nicht.

Nach seiner Einvernahme
konnte sich Harald Balluch noch einmal frei äußern: Besonders
wichtig war dabei sein Verweis auf den Strafantrag, in dem die
Anti-Pelz-Kampagne gegen Peek&Cloppenburg als abschreckendes
Beispiel angeführt sei, pelzführende Unternehmen in den Ruin zu
treiben. Tatsächlich – so der Dreizehntangeklagte – habe sich
der Umsatz von P&C aber gerade während des Kampagnenzeitraums
stetig gesteigert. Dass nachfolgend bedemonstrierte Pelzhäuser
aufgrund der P&C-Kampagne um Umsatzverluste fürchten mussten,
entbehre also jeder Logik.

 

 

Tag 14

Erst am 08. April 2010
– über ein Monat nach Prozessbeginn – wurden die Einvernahmen
der Angeklagten abgeschlossen. Der ganze Vormittag war noch der
abscghließenden Einvernahme des Dreizehntbeschuldigten Harald
Balluch, seines Zeichens VGT-Kassier, gewidmet.

Erst am Nachmittag wurde das
Beweisverfahren mit der Einvernahme der ersten Zeugin – Frau
Chefinspektor Dipl-HTL-Ing. Bettina Bogner eröffnet.

Der Vormittag war jedoch
durch zahlreiche Fragen und Kommentare der anderen Angeklagten zu den
Aussagen Harald Balluch’s gekennzeichnet.

Zuletzt wurde neben vielen
Anträgen erneut – zum vierten Mal – von Verteidiger RA Mag.
Josef Phillipp Bischof der Antrag auf Laptops für die Angeklagten
gestellt. Wie immer behielt sich die Richterin die Entscheidung über
diesen Antrag vor.

 

 

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