tierrechtsprozess
Stimmungsbilder aus dem laufenden Prozess gegen die Tierrechtsbewegung in Österreich
Tag 11: „Nur ganz allgemein…“
Categories: der Prozess

Nachdem am Beginn des 11. Verhandlungstages, dem 24.03.2010, die weiteren vier Angeklagten die der Basisgruppe Tierrechte zugeordnet werden ihre Prozesserklärungen mehr oder weniger ungestört verlesen hatten, meldete sich die Richterin mit einem ungewohnten Statement zu Wort: „Ganz allgemein, ich sag das jetzt nur ganz allgemein: Ich möchte darauf hinweisen, dass , gemäß §[sowieso] der StPO die Angeklagten nicht verpflichtet sind, die Wahrheit zu sagen“…

Ganz allgemein‘ kommt diese Anmerkung, nachdem alle bisher Einvernommenen Fehler, Unvollständigkeiten, Missinterpretationen und falsche Darstellungen der ‘SOKO gegen den Tierschutz’ kritisiert hatten;
Kurz: Die Richterin will dem Publikum durch die Blume glauben machen, dass die Angeklagten LÜGEN, wenn sie Ungereimtheiten in der Polizeiarbeit aufdecken, die schlussendlich zu ihrer ungerechtfertigten Inhaftierung und Anklage geführt haben!
Eigentlich ein Skandal…

Die Gegenäußerungen aller der BAT zugeordneten Angeklagten finden sich hier:
http://tierrechtsprozess.noblogs.org/category/materialien.

Im Anschluss begann die Einvernahme des Elftbeschuldigten VGT-Mitarbeiters David Richter.
Wie die 12.- und der 13.-Beschuldigte handelt es sich bei ihm auch um einen ordentlich angestellten VGT-Mitarbeiter, der NICHT in U-Haft waren und erst ca. zwei Wochen VOR Beginn der Hauptverhandlung von seiner Anklage Kenntnis erlangte! Eigentlich auch schon ein Skandal an sich. Der Anwalt des Elftbeschuldigten wurde erst wenige Tage vor Prozessbeginn bestellt und hatte demzufolge keine Zeit sich auch nur einen Bruchteil des Aktes anzusehen. Trotzdem blieb ein Vertagungsantrag erfolglos!

Der Elftbeschuldigte führt eingangs aus, wie er auf Tierleid aufmerksam wurde, was ihn zuerst zum Vegetarier, dann zum Veganer und Tierrechtsaktivisten gemacht hat. Warum er hier auf der Anklagebank sitzt, erklärte sich der Elftbeschuldigte dadurch, dass Tierrechtsarbeit offenbar einflussreichen Persönlichkeiten, insbesondere aus Jagdkreisen, zunehmend unangenehm werde.

Auf den Vorhalt der Richterin, dass der Elftbeschuldigte David Richter die BAT (Basisgruppe Tierrechte) gegründet hätte und als „Mittelsmann“ zwischen VGT und BAT agiere, führte der Elftbeschuldigte aus: Die BAT habe nicht er, sondern DI Elmar Völkl gegründet, er sei erst später dazugestoßen; Die BAT sei ein kleiner Zusammenschluß theoretisch arbeitender junger StundentInnen mit gesamtpolitischem linkem Anspruch gewesen, während der VGT vergleichweise groß und aktionistisch tätig sei, das war auch ein Grund für David Richter die BAT recht bald wieder zu verlassen.
Somit sei er auch kein Mittelsmann gewesen.

Danach ging es um David Richter’s Tätigkeiten beim VGT: Er habe sich überwiegend den Themen Eier, Schweine und Pelz gewidmet, alles im Rahmen seiner Anstellung beim VGT. Ebenso habe er unzählige Recherchen und Demonstrationen durchgeführt. Manche Demonstrationen wurden für viele Jahre in die Zukunft angemeldet, um Demountersagungen durch pseudo-Demoanmeldungen seitens der Pelzgeschäfte bereits im voraus zu verhindern. Alle Demos waren angemeldet und polizeilich überwacht; es gab nie Beanstandungen, auch, obwohl man durchaus offensiv Flugblätter verteilt und potenzielle KundInnen angesprochen habe.

Angesprochen auf Sachbeschädigungen gegen Kleider Bauer hielt der Elftbeschuldigte fest, nichts von derartigen Aktionen zu halten, da diese für ihn – als legal agierenden Aktivisten – nur störend wirken. Angesprochen auf SHAC- und OGPI-Kampagnen, hielt David Richter fest, damit nichts zu tun zu haben, aber dass es sich bei beiden um legale Kampagnenplattformen handelt.

Auch David Richter wurde von der Richterin gefragt, was er als zivilen Ungehorsam definiere. Besetzungen von Baumkronen, dem Stefansdom oder Blockaden von Tiertransportern, beispielsweise; all dies habe er auch schon selbst getan.

Wie die anderen Angeklagten wird auch der Elftbeschuldigte zu den Ergebnissen der Telefonüberwachung befragt: Insbesondere die drei(!) Kontakte zur BAT könne er sich nur erklären, dass er sein Handy regelmässig an andere AktivistInnen verborge.

In ihrem unübersehbaren Engagement um jeden Preis einen Zusammenhang zwischen den Angeklagten und der A.L.F. herzustellen, legt die Richterin Google-Ergebnisse einer von ihr selbst durchgeführten Suche nach „OGPI ALF“ vor: Obwohl Richterin Sonja Arleth zweifellos keine IT-Expertin ist, maßt sie sich an, derartige Google-Ergebnisse als Nachweis eines „Zusammenhangs“ zwischen der OGPI und der A.L.F. anzusehen.
Daraufhin protestierten und lachten nicht nur die Angeklagten sondern auch die Verteidigung und ZuhörerInnen. Ein Anwalt fand sogleich über 4000 Google-Ergebnisse für „‘Arleth’ und ‘ALF’“.

Wie bei den anderen Angeklagten (mit Ausnahme jener der BAT zugerechneten) wurden auch dem Elftbeschuldigten Dutzende seiner (Fadinger-)Emails vorgehalten. Ebenso wie bei allen anderen Angeklagten gab es darin überhaupt nichts kriminelles zu finden, bei David Richter nicht einmal „Gesinnungs-Emails“, sondern ausnahmslos strategische Kampagnendiskussionen und Berichte über Aktionen und Demonstrationen.

Nicht nur die Richterin, sondern auch der Staatsanwalt Wolfgang Handler sieht vor lauter Bemühen um Verurteilungen nicht mehr klar: Er hält David Richter ein Email vom 14.Dezember 23:29 Uhr vor, in dem er auffordert Kleiderbauer in der Weihnachtszeit „mehr Dampf“ zu machen. Am selben Tag wurden tatsächlich bei einer Kleiderbauer-Filiale die Scheiben eingeschmissen, worin der Staatsanwalt die Ausführung der Weisung in David Richter’s Email zu sehen glaubte. Nur, die Scheiben wurden am 14. Dezember in den frühen Morgenstunden – also VOR David Richter’s Email – zertrümmert, daher kann auch kein – noch so naiver – Kausalzusammenhang bestehen.

Ziemlich unverhohlen wurden von der Richterin als auch vom Staatsanwalt versucht, die Demonstrationen als Deckmantel einer Geschäftsschädigung darzustellen. Freilich, so konterte der Elftbeschuldigte, gehe es nicht um finanzielle Schädigung, sondern einzig und allein um Aufklärung der Öffentlichkeit über (Pelz)Tierleid. Insbesondere unwissende KundInnen müssten aufgeklärt werden. Dies sei ja auch der Zweck verfassungsrechtlich geschützter Demonstrationen. Letzlich sind es die aufgeklärten BürgerInnen selbst, die selbst entscheiden welche Produkte/Unternehmen sie fördern und welche sie boykottieren wollen.

Wie auch anderen Angeklagten zuvor hielt der Staatsanwalt auch David Richter Emails vor, in denen sich Programmpunkte, wie bspw. „Umgang mit der Polizei“, fanden und wollte wissen wie er das zu verstehen habe. Da es sich um die selben Veranstaltungen handelt, die auch schon den anderen Angeklagten vorgehalten wurden, antwortete Richter wahrheitsgemäß, dass es bei Demos und Aktionen des zivilen Ungehorsams regelmäßig zu Kontakten mit den Behörden komme und daher AktivistInnen gut beraten seien, über ihre Rechte Bescheid zu wissen.

Abschließend wollte die Richterin vom Angeklagten wissen, wie er sich die Sachbeschädigungen erklären könne und wer die eigentlichen TäterInnen seien. „Sicher nicht wir“, erwiderte der Elftbeschuldigte, Sachbeschädigungen stehen diametral den Interessen der legal agierenden Personen entgegen, daher sei es völlig unlogisch anzunehmen, dass diese AktivistInnen Sachbeschädigungen auch nur in irgend einer Weise gut heißen würden.

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