tierrechtsprozess
Stimmungsbilder aus dem laufenden Prozess gegen die Tierrechtsbewegung in Österreich
Tage 06-08: eMails, Telefongespräche, befreite Schweine, lügende Polizisten
Categories: der Prozess

Tag 06 – 11.03.2010:

Die viertägige Einvernahme des Erstbeschuldigten Martin Balluch neigt sich am vormittag des 6. Verhandlungstages, dem 11.März 2010, dem Ende zu: Der Vorwurf, Balluch hätte durch Loben einer UVS-Richterin diese korrumpiert, wurde wieder aufgerollt. Martin Balluch’s Kontakte bzw. vermeintliche Zusammenarbeit mit der Kampagne gegen das Tierversuchslabor Huntingdon Life Sciences (HLS) „SHAC“ und zu den anderen Angeklagten wurden abgefragt.

Nach einer abschließenden Befragung Martin Balluch’s durch die RechtsanwältInnen beginnt die Einvernahme des Zweitbeschuldigten Felix Hnat, dem Obman der Veganen Gesellschaft Österreich:

Herrn Mag. Felix Hnat wurden – ebenso wie DDr. Balluch zuvor – Dutzende von vermeintlich inkriminierenden eMails vorgehalten: BEEP – und der Beamer wirft eine der teilweise bis zu zehn Jahre alte eMail an die Wand, „Was sagen Sie dazu?“, fragt die Richterin; so geht es im Minutentakt dahin. Mag. Hnat konnte jedoch alle eMails erklären und die Vorwürfe restlos entkräften:
Keines war im Sinne einer Nötigung gedacht, den Pelzverkauf einzustellen. Kein eMail hat zu Straftatenaufgereizt. Ähnliches gilt für ihm vorgeworfenen Telefongespräche, die seine Kontakte zur BAT beweisen sollten: Zwei Dutzend Gespräche von insgesamt 4000, können keine ernsthafte Zusammenarbeit – und schon gar keine kriminellen Absprachen –  nachweisen.

Herrn Hnat betonte, dass die „SOKO gegen den Tierschutz“ wissentlich Sachverhalte absichtlich verzerrt um sie möglichst belastend darzustellen, kurz: „Die Polizei lügt“. Diese Aussage wurde sofort von der Richterin gerügt und mit der rethorischen Frage ob sich Mag. Hnat eine Gesellschaft ohne Polizei wünsche, quittiert.
Daraufhin warf ein anderer Angeklagter ein, dass er gerne auf eine Polizei verzichten könne, die 14-jährigen Einbrechern in den Rücken schießt.

Tag 07 – 15.03.2010:

Die Verteidigung Mag. Hnat’s versucht am Montag, den 15. März 2010, wenigstens einige der unzähligen entlastenden Beweisanträge zu stellen. Doch die Richterin pariert mit einem justiziellen „Einserschmäh“: Sie behält sich die Entscheidung über die Beweisaufnahme vor. Damit muss sie sich (vorerst) nicht mit den entlastenden Beweisen auseinandersetzen und sie werden auch nicht im Protokoll erwähnt. Immerhin konnten etliche ZeugInnen beantragt werden, die Felix Hnat’s inkriminiertes Verhalten als typisch für NGO-Aktivismus und sozial adäquat bestätigen werden.

Aufgrund der richterlichen staccatto-Methode ein Aktenstück nach dem anderen vorzuhalten, benutze (nicht nur) ich schon seit Tagen meinen Laptop um der Verhandlung folgen zu können, und um sofort auf Entlastendes hinweisen zu können. Nach Unruhe im Publikum überprüft die Richterin die Ausweise der anwesenden JournalistInnen, da JournalistInnen nur einen PC benutzen dürfen, wenn sie akkreditiert sind; gewöhnliche ZuhörerInnen dürfen paradoxerweise ganz selbstverständlich einen Laptop benutzen. Jedenfalls scheint Richterin Arleth nach der Kontroverse etwas gereizt, und zielt nun endlich auch auf den von mir benutzten Rechner ab: Ich hätte ihn sofort abzuschalten, zumal den Angeklagten Laptops explizit untersagt worden waren, weil wir damit ja „Bild- und Tonaufnahmen“ machen könnten. (Als ob das nicht OHNE Laptop viel unauffälliger ginge!).
Ich beharre jedoch auf mein Recht der „Waffengleichheit“ gegenüber dem freilich Laptop-benutzenden Staatsanwalt, wie es in einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (46221/99 von 13. 3. 2003) erkannt wurde. Mein Anwalt J.P. Bischof unterbricht die Verhandlung, garantiert mir, die Laptopbenutzung durch weitere Anträge sicher zu stellen. In Folge werden (zum dritten Mal) von allen fünf RechtsanwältInnen Anträge auf Gewährung von Laptops für die Angeklagten gestellt. Wenig überraschend behält sich die Richterin die Entscheidung darüber vor. Lt. StPO muss spätestens bei der Urteilsbegründung über die Anträge entschieden werden. Während Staatsanwalt Handler hinter zwei, Richterin Arleth hinter fünf(!) Bildschirmen sitzt, müssen wir uns manuell durch 200.000 Aktenseiten suchen.

So habe ich mir ein faires Verfahren vorgestellt.

Danach geht es weiter mit konkreten Vorwürfen gegen den Drittbeschuldigten Mag. Felix Hnat: Die Vorwürfe (darunter Widerstand gegen die Staatsgewalt und Sachbeschädigungen) wurden von ihm nicht nur bestritten, sondern auch entkräftet. Er konnte schlüssig nachweisen, wie seine DNA-Spuren auf Steine gekommen sein muss, mit denen unbekannte TäterInnen Scheiben eingeschossen haben.
Der „Widerstand“ bestand nur aus – völlig legalem – davonlaufen von der Polizei. Gewalt kam erst bei seiner Festnahme von Exekutive ins Spiel.

Tag 08 – 17.03.2010:

Den ganzen 8. Verhandlungstag, den 17.03.2010, ging es um Vorwürfe an sich völlig legaler Handlungen, die Mag. Hnat allerdings im Wissen um Förderung einer kriminellen Organisation gemäß §278a gesetzt haben soll.

Besonders unverschämt wirken Vorwürfe, wie Kontakte zu anderen legalen Kampagnen bzw. Gruppierungen (OGPI, SHAC, BAT),
Teilnahme an Tierrechtskonferenzen oder Mag. Hnat’s Propagieren von Datenschutzmaßnahmen. Wie bereits bei den zuvor Einvernommenen wurden auch wieder Gesinnungsäußerungen vorgehalten, die offenbar darauf abzielten Felix Hnat’s „radikale Einstellung“nachzuweisen. Als ob eine radikale Einstellung an sich bereits ein Indiz zur Gewaltbereitschaft oder gar strafbar sein könnte!

Comments are closed.