tierrechtsprozess
Stimmungsbilder aus dem laufenden Prozess gegen die Tierrechtsbewegung in Österreich
Tage 02-05: Der Tod der freien Meinungsäußerung
Categories: der Prozess

Statt wie vorgesehen nur zwei Tage dauert die Einvernahme des Erstangeklagten VGT-Obmanns Martin Balluch mittlerweile schon vier Tage.

Am ersten Vormittag gibt Martin Balluch eine zusammenhängende Stellungnahme zum Vorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation gemäß §278a StGB ab: Er erklärt, dass die Animal Liberation Front (kurz: A.L.F.) KEINE kriminelle Organisation sein kann und schon gar nicht – wie vom StA Handler behauptet – mittels einer „Doppelstrategie“ mit den nachgewiesenen LEGALEN Aktivitäten der Angeklagten verbunden sein kann.

Die Vorgangsweise der Richterin Sonja Arleth macht einen planlosen und unstrukturierten Eindruck: Am Vormittag ist ihre Stimmung bisher immer besonders schlecht. Es werden dem Erstangeklagten scheinbar wahllos alle Emails vorgehalten, die die Buchstabenkombination A.L.F. enthalten. So kommt es unter anderem zu heiteren Vorhaltungen, wo beim Besitzer des Veganversandes – ALFred Waibel – bestellt wurde: Die „SOKO Tierschutz“ lässt die Kurzform seines Namens fett drucken; wie alle anderen vermeintlich inkriminierenden Textstellen.

So geht es alle bisherigen vier Vernehmungstage weiter: Ein Email nach dem anderen wird dem Erstangeklagten vorgehalten: Philosophische/Politische Meinungsäußerungen werden implizit kriminalisiert. Meinungsäußerungen von denen ich immer dachte, dass sie legitim und durch Art.9 und Art.10 der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützt seien.

Meine Vorstellung über eine unparteiische und faire Gerichtsbarkeit ist spätestens heute gestorben: Vollkommen unverhohlen praktiziert Richterin Sonja Arleth „Meinungsjustiz“: Äußerst unhöflich unterbricht sie den Angeklagten in seinen Ausführungen: ‘Sind Sie gegen die Jagd?’, ‘Sind Sie für eine vegane Gesellschaft?’, ‘Sind Sie gegen das Töten von Tieren?’, ‘Sind Sie gegen Tierversuche?’ und ‘Was halten Sie von der A.L.F.?’.

Und? Wer gegen Tiermord ist, ist deshalb kein Mafiapate. Allfällige Sympathie mit der A.L.F. ist doch wohl vom Recht auf freie MEinungsäußerung geschützt, ODER?

Doch der Prozessalltag spricht eine andere Sprache: Nicht nur Sympathie mit A.L.F. sondern schon bloßes INTERESSE scheint von der Richterin kriminalisiert zu werden.

Nachdem die Richterin dem Erstbeschuldigten unterstellt, durch seine A.L.F.-Berichte andere zu Straftaten aufgereizt haben zu können, müssten gemäß der Arleth’schen Logik alle 9/11BerichterstatterInnen der Terrorismusunterstützung angeklagt werden!

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