tierrechtsprozess
Stimmungsbilder aus dem laufenden Prozess gegen die Tierrechtsbewegung in Österreich
Tag 01 – 2010-03-02: “Methode Handler”
Categories: der Prozess

Am Vormittag des ersten Prozesstages hat der Staatsanwalt Handler die aktuelle Version seines Strafantrages verlesen: Nach U-Haft-Beschwerden, Durchsicht durch Oberstaatsanwaltschaft Wien und Justizministerium ist nicht mehr viel Tatsachensubstrat übrig: Zwei Angeklagte werden verdächtigt lediglich zwei Sachbeschädigungen im Tierschutzzusammenhang durchgeführt zu haben: Eine eingeworfene Scheibe bei einer antifaschistischen Demonstration gegen die vom DÖW als rechtsradikal eingestufte “Arbeitsgruppe Für Demokratische Politik” (AFP) [€ 400,–], zerschnittene Zirkusplakate [~€ 3.000,–] und ein Buttersäureanschlag gegen eine Kleiderbauer-Filiale in Wien [~€ 10.000,–].

Der Rest sind typische legale Kampagnentätigkeiten, die überhaupt nichts mit kriminellen Aktivitäten zu tun haben:

Nach wie vor wirft Staatsanwalt Wolfgang Handler einigen Beschuldigten schwere Nötigung vor: Die Ankündigung der Veröffentlichung echtpelzfördernder Geschäftspraktiken, wird als gefährliche Drohung ausgelegt.

Um die restlichen 90% des Strafantrages unter § 278a StGB subsummieren zu können, rührt Staatsanwalt Handler kräftig im historisch Kochtopf internationaler A.L.F.-Aktivitäten:

Um unsere “Gefährlichkeit” zu illustrieren zählt er hunderte A.L.F.-Aktionen UNBEKANNTER TÄTERiNNEN auf.


Unerwartet und als völlig atypisch zu bezeichnen war das Intermezzo der Richterin Sonja Arleth NACH der Verlesung des Strafantrages: Während üblicherweise sofort die VerteidigerInnen auf den Strafantrag replizieren dürfen, nahm sich die Richterin Arleth völlig überraschend ihr Recht heraus, den Sachverhalt näher zu erläutern:

Offenbar lediglich um die Medien (negativ) zu beeinflussen, bezog sie sich in juristisch völlig irrelevanter Weise auf eine existierende OGH-Erkenntnis die – nach Grundrechtsbeschwerden einiger der damals Inhaftierten – den damals angenommenen  “dringenden Tatverdacht” bestätigte!

Allerdings hat diese Erkenntnis keinerlei Relevanz für das aktuelle Verfahren: Der OGH entscheidet NICHT über die (vom Erstgericht angenommenen) Tatsachen selbst. Er nimmt diese als gegeben an, ohne sie selbst zu überprüfen. Die damals (2008) vom Erstgericht festgestelltenSachverhalte haben sich allerdings im Laufe des Ermittlungs- und Beweisverfahrens bis heute dramatisch verändert. So konnten etliche unterstellte Straftaten mangels Beweisen NICHT im Strafantrag angeklagt werden.

Die OGH-Erkenntnis ist auch faktisch nicht mehr gültig, denn der durch sie festgestellte U-Haft-begründende “dringende Tatverdacht” ist offensichtlich nicht mehr aufrecht, da bereits seit September 2008 keine Haftgründe mehr vorlogen und wir aus der U-Haft entlassen wurden.


Nach der Mittagspause kamen endlich unsere fünf VerteidigerInnen zu Ihren Eröffnungsplädoyers:

RA Mag. Stefan Traxler sprach für vier von ihm vertretene VGT-MitarbeiterInnen: Alles was durch StA Handler vormittags als belastendes Indiz gegen die VGT-MitarbeiterInnenanführte konnte durch Traxler als Lüge entkräftet werden.

RA Mag. Josef Phillip Bischof vertritt keine VGT-Mitarbeiter, sondern zwei mutmaßliche “EDV-Experten” der kriminellen Organisation und eine Aktivistin der “Basisgruppe Tierrechte“. Mag. Bischof dankt dem StA Handler für sein kühnes Unterfangen alle von ihm eingangs aufgezählten tierrechtsmotivierten Straftaten der letzten drei Jahrzehnte aufzuklären. Im Hinblick auf die von den Angeklagten benutzten Verschlüsselungsprogramm verwies Bischof auf Empfehlungen im Österreichischen Sicherheitshandbuch des Bundeskanzleramtes: Die dort EMPFOHLENEN Datenschutzmaßnahmen sind 1:1 die selben, wie sie sich als Vorwurf im Strafantrag wieder fänden.

RA Dr.in Alexia Stuefer kritisierte den Verweis der Richterin auf die OGH-Erkenntnis zur Untersuchungshaft anno 2008. Deutlich rügte Stuefer die implizite Unterstellung, dass mit der Erkenntnis über den bestehenden dringenden Tatverdacht, bereits – höchstgerichtlich – das Urteil der Hauptverhandlung festgelegt sei.

RA Dr. Michael Dohr betonte, dass die Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation an sich nicht strafbar sei. Die wissentliche Mitgliedschaft sei erforderlich. Die Teilnahme an legalen Versammlungen oder Besprechungen sei freilich nicht strafbar. Anderes hätten die 3 ½ Jahre ERmittlungsarbeit für seinen Mandanten – einem VGT-Mitarbeiter – nicht zu Tage befördert. Eigentlich müsste das Strafverfahren sofort eingestellt werden. Er hatte noch nie einen Mandanten mit ausschließlich entlastenden Vorwürfen.

RA Dr. Harald Karl empörte sich über die äußerst kurzfristige Ladung seines Mandanten als Angeklagter im gegenständlichen Mammutprozess: Der Kassier des VGT hat erst 18 Tage vor Prozessbeginn von seiner Anklage erfahren!

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