tierrechtsprozess
Stimmungsbilder aus dem laufenden Prozess gegen die Tierrechtsbewegung in Österreich
Urteil 2. Instanz: Legale Kampagnen sind Nötigung
Categories: der Prozess

Am 02. Mai 2011 erging der Freispruch aller Angeklagter im Tierrechtsprozess in allen Punkten. Der fanatische Staatsanwalt Wolfgang Handler hat allerdings sofort Berufung angemeldet, die er auch ein Jahr später(!) in die Tat umgesetzt hat: Seinem Amoklauf alle Punkte zu berufen – also auch das hochgradig umstrittene Organisationsdelikt § 278a StGB – hat allerdings das Justizministerium via oberstaatsanwaltlicher Weisung einen Riegel vorgeschoben: Die Berufung bezüglich § 278a wurde nicht zugelassen. So kam es am 29. Juni 2012 “nur” zu Berufungen gegen fünf Angeklagte. Da ich nur wegen § 278a StGB angeklagt war, bin ich seitdem rechtskräftig freigesprochen (allerdings trotzdem finanziell ruiniert).

Vor zwei Tagen – nach einem weiteren Jahr – erreicht uns das Urteil vom 23.05.2013 des Oberlandesgericht (OLG) Wien zur Berufung: Und es ist eine erschütternde Demontage von Demokratie und zivilgesellschaftlichem Engagement: Das OLG gab der Berufung in vollem Unfang statt und verwies alle berufenen Punkte zur nochmaligen Neuverhandlung(!) an das Landesgericht Wiener Neustadt zurück.

Neben vergleichsweise geringfügigen bzw skurrilen Anklagepunkten, wie bspw einer eingeschlagenen Fensterscheibe oder einer Tierbefreiung als Tierquälerei, finden sich im Urteil des OLG auch politisch gewichtige Entscheidungen: So ist es nach nunmehr rechtskräftiger Ansicht des OLG tatsächlich strafrechtliche (schwere/versuchte) Nötigung iSd §§ 105, 106 StGB einem pelzführenden Modeunternehmen bloß eine legale Kampagnen mit regelmäßigen Kundgebungen anzukündigen, sollte das Unternehmen nicht den (geringen) Echtpelzanteil aus dem Sortiment auslisten! Doch das OLG geht noch weiter, wörtlich wird im Urteil “ein aufgrund einer Versammlung bewirkter Entschluss von Konsumenten auf Abstandnahme vom Kauf […], welcher Umsatzeinbußen bewirken kann” als Nötigung iSd Strafgesetzbuch erkannt! Selbst “eine Boykottdrohung […] ist eine Bedrohung mit der Verletzung am Vermögen“, also auch eine Nötigung mit einem Strafrahmen von maximal fünf Jahren!

Unverkennbar dient diese Rechtssprechung weder zur Sicherung des sozialen Friedens und schon gar nicht zur Herstellung von Gerechtigkeit: Im Gegenteil, wie im Feudalismus werden die Besitzenden durch das herrschende Recht privilegiert, Kritik emanzipatorischer Bewegungen wird durch repressive Gewalt eingeschüchtert und mundtot gemacht. Praktisch alle NGOs sind von diesem unfassbar hartem Urteil ernsthaft in ihrer gesellschaftspolitisch wichtigen Arbeit massiv bedroht.

Wir werden in den nächsten Tagen um Solidarität und Support aus der Zivilgesellschaft ansuchen. Neben der Möglichkeit uns finanziell zu unterstützen, gibt es ab sofort Selbstanzeigen mittels derer sich legal engagierte BürgerInnen der Nötigung durch ihren legitimen Aktivismus bezichtigen können. In den nächsten Tagen werden noch weitere Aktionen geben um auf diese reaktionäre Justiz aufmerksam zu machen. Keep up to date!

 

Das aktuelle Urteil des OLG finden Sie hier: 2013-05-23 Berufung Urteil OLG JELINEK 19Bs491-12p – BLACKENED

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